Mittwoch, 24. April 2024

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RomAmor-Festival Hellerau
Vorurteile abbauen

In Dresden ist gestern im Europäischen Zentrum der Künste Hellerau das internationale Festival "RomAmor" gestartet, das sich als Hommage an die Sinti- und Romakulturen versteht. Dabei soll es kein Gipsy-Festival wie alle anderen sein, sagen die Organisatoren.

Von Heike Schwarzer | 08.09.2015
    Am Wochenende auf der Prager Straße, der größten Einkaufsmeile der Stadt. Eine Romafamilie spielt ihre Lieder.
    In Blickweite sitzen Delaine und Damian Le Bas auf einem Fußweg vor ihrer Installation, zwei britische Künstler mit Romawurzeln, eingeladen vom RomAmor-Festival Hellerau, das in den nächsten Monaten Künstler, und Musiker, aus 11 Nationen zusammen bringt.
    Zugig, unsicher, mehr ein Bretterverschlag, als ein Haus haben die Le Bas zusammengezimmert und mit schreienden Farben darauf geschrieben, "Ist das ein sicheres Haus?", eine offene Frage nach der Lebenssituation vieler Sinti und Roma in Europa.
    "Hip-Hop ist meine Lebensart, es ist meine Religion. Ich fühl mich wohler, wenn mich einer Hip-Hopper nennt, wie wenn einer sagt: Roma. Wenn einer sagt, Kefaet, der Musiker, dann fühle ich mich als Mensch."
    Kefaet Prizreni wusste immer, dass im Kosovo seine Wurzeln liegen:
    "In Deutschland, da ist der Rassismus schon hart, da landest du in einer Schublade: Du bist ein Kanake."
    Davon handelt seine Musik, mit der er nun zum RomAmor Festival nach Hellerau kommt. Er wusste immer, dass seine Eltern Romanes sprechen, aber was es wirklich bedeutet, ein Roma zu sein, begriff er erst im Kosovo.
    "Was schlimm ist, dass du dich dort der Tatsache nicht entziehen kannst, dass du Roma bist. Die haben das einen sofort spüren lassen, ganz normal Brot kaufen, einkaufen, jemandem besuchen, Mädchen ansprechen, das geht gar nicht im Balkan, das geht alles sofort auf eine Prügelei raus. Da haben wir gemerkt, dass Rassismus noch hässlicher sein kann. Definitiv."
    Er kam mit vier Jahren nach Deutschland, lebte lange mit seinen Eltern und zwei Brüdern in Essen. Dann wurde er ausgewiesen. Das änderte sein Leben. Es war der Moment, in dem er die Fotografin Annette Hauschild traf.
    "Ich hab mir gesagt, das ist wieder so eine weiße Frau, die will wieder ihre Bilder machen, die wird hier Geld machen, das war sehr stereotyping bisschen. Doch dann haben wir das Foto gemacht."
    "Das ist aufgenommen vor dem einzigen Kraftwerk Kosovos, das auch nicht schafft, das Land komplett mit Energie zu versorgen."
    "Scheiße, geht's uns Roma wirklich dreckig überall in der Welt?"
    Plemetina war nur einer von fünf Brennpunkten, den Annette Hauschild für ihre Fotoserie über die Roma bereiste. Über 30 mittlere und großformatige Fotos über junge Menschen hat sie nun zum RomAmor-Festival mit nach Hellerau gebracht: viele Porträtfotos, stille, oftmals hoffnungslose Gesichter, in die der Betrachter schaut, aber auch Landschaftsbilder. Vor einem bleibt sie stehen.
    "Das ist Ostrovany in der Slowakei und an diesen Ort wollte ich unbedingt, denn ich hatte gelesen, dass es eine Mauer gibt, die den Romateil vom Nicht-Roma-Teil des Dorfes trennt."
    Doch was sie schließlich dort sah, und was sie auch in ihrem Foto einfing, enttäuschte die Berliner Fotografin im ersten Moment.
    "Auf der einen Seite sieht man so hochgeschossene Obstbäume auf der anderen Seite hohes Gras und Unkraut und die Mauer guckt nur ein bisschen heraus. Ach, dachte ich, wieso wird denn diese Mauer, um die man nach 200 Metern auch einfach drumrund gehen kann, eigentlich ständig zitiert?"
    Erst langsam - und so mag es auch dem Betrachter in der Ausstellung gehen - begreift die Fotografin, die für die renommierte Agentur Ostkreuz arbeitet, dass dieses harmlos scheinende Landschaftsbild ein Symbol für alltägliche Ausgrenzung ist. Eine eigentlich überwindbare Mauer mitten im Feld, aber unüberwindbar in den Köpfen der Menschen, hat Annette Hausschild vom Fußballtrainer der Roma in Ostrovany erfahren.
    "Und der sagte, wir haben kein Problem mit den Slowaken. Wir leben nur getrennt."
    Egal, ob ausgegrenzt in der Slowakei, noch geduldet in einem deutschen Asylbewerberheim oder in einem legalen Camp nahe Rom, alle Fotos von Annette Hauschild beschreiben an unterschiedlichen Orten EINE Realität: das ausgegrenzte Leben am Rande der Gesellschaft. Kefaet Prizreni öffneten sie die Augen:
    "Da hab ich gesagt, das war in Serbien! Dann sagte sie, nee, das war in Slowenien irgendwo, das war eine andere Familie. Da habe ich mir gesagt, Scheiße, geht's uns Roma wirklich dreckig überall in der Welt? Dann ist mir das erst mal klar geworden."
    Die Roma sind, was ihre jahrhundertelange Verfolgungs- und Anpassungsgeschichte betrifft, nicht nur für Deutschland eine exemplarische Minderheit. Nur Wissen und Begegnungen helfen, Vorurteile abzubauen, eine Spielzeit lang bietet RomAmor in Hellerau dazu Gelegenheit.