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Roman von Meja Mwangi
Kauziges Gleichnis auf afrikanische Verhältnisse

Seit über 40 Jahren schreibt der kenianische Schriftsteller Meja Mwangi: Romane, Drehbücher, Kinder- und Jugendliteratur. Seine Themen sind Armut, Verelendung oder auch die Aids-Pandemie in seiner Heimat. Dabei spielte Humor immer eine Rolle - sein neues Buch "Rafiki" ist absurd komisch.

Von Antje Deistler | 29.01.2015
    Verkäufer vor seinem Stoffladen in Nanyuki in Kenia
    Rafikis gemütliches Leben ist vorbei, als seine Frau ihm droht, sie zu verlassen. (imago/stock&people/McPhoto/biophoto)
    "Rafiki" heißt "Freund" auf Kisuaheli, das Wort wird aber auch als männlicher Vorname gebraucht. Der Titelheld in Meja Mwangis neuem Roman "Rafiki" ist ein immer fröhlicher, immer lächelnder Musiker, der Mann mit der Gitarre. Der Straßensänger verdient in seiner Heimatstadt Nanyuki kaum Geld, aber das kann sein heiteres Gemüt nicht trüben. Doch Rafiki hat auch Frau und Kinder. Als Studiengebühren für seine Tochter fällig werden, platzt seiner offenbar seit Langem genervten Frau der Kragen, sie droht ihn zu verlassen, wenn er nicht bald das nötige Geld nach Hause bringt:
    "Da er sich nirgends vor dem Feuer in ihren Augen verstecken konnte, schaute er zur Seite. Dann drehte er sich wieder zu ihr hin, weil ihm klar wurde, dass er sich besser noch einmal erklärte, und fing an zu reden. Er habe den ganzen Tag ohne Essen auf den heißen und staubigen Straßen gearbeitet und sei müde, sagte er. Vielleicht dachte er jetzt nicht schnell und logisch genug, gab er zu. Morgen früh wäre es bestimmt viel besser, versprach er.
    Es war jedoch bereits zu spät. Und nur weil seine Frau, so eine gute Frau sie auch war, ihn nicht verstand, endete, was eigentlich ein freudiger Anlass war, damit, dass er einem anderen Mann ein Messer an die Kehle setzte."
    Auch wenn Rafiki sich bewaffnet und einen Überfall versucht, ein Kriminalroman ist Meja Mwangis neues Buch nicht. Sondern eine Komödie, ein kauziges Gleichnis auf afrikanische Verhältnisse. Ein Roman über Frauen, die von diesen Verhältnissen genug haben und nach Möglichkeiten suchen, sie zu verändern. Und über Männer, die Mist bauen, sich aber trotzdem für die Größten halten. Um die geht es Meja Mwangi vor allem, wie er bestätigt:
    "Da stimme ich zu. Männer sind die letzten, die etwas verändern wollten, die sich ändern würden. Wenn ich Charaktere schaffe, muss ich mich an die Realität halten. Männer in Kenia sind bewegungslos."
    Rafiki wird gezwungen, sich zu bewegen. Allerdings bewegt er sich in die falsche Richtung. In seiner Verzweiflung hält er einem indischen Ladenbesitzer ein Messer an den Hals und verlangt alles Geld aus der Ladenkasse. Dieser Überfall geht fürchterlich schief, denn erstens ist der Überfallene ebenso pleite wie der Räuber, und zweitens kennen sich beide gut. Der Inder Manu kann in dieser überdreht komischen Szene kaum fassen, was Rafiki da anstellt.
    Schließlich kommt es zu einem Deal: Rafiki wird Schulden für Manu eintreiben. Bald mutiert der ehemals gern gesehene Straßensänger zum gefürchteten Vollzugsbeamten von eigenen Gnaden.
    "Rafikis Erfolg löste derartige Zerrüttung und ein solches Chaos aus, dass Frauen auf ihre Männer losgingen, Familien auseinanderbrachen und ganz Majengo und Liki Village, ja ganz Laikipia, auf einen allgemeinen Aufstand zusteuerte. Die Frauen wollten ihre Sachen zurück. Sie hatten es satt, sie immer zu verstecken, sobald Rafiki auftauchte. Sie verlangten von ihren Männern, die Sachen zu bezahlen, sonst..."
    Mwangi schreibt vor allem für europäischen und amerikanischen Markt
    Meja Mwangi entwirft einen satirischen Mikrokosmos, der an denselben Dingen krankt wie viele afrikanische Gesellschaften: Miss- und Vetternwirtschaft, Alltagskriminalität, Korruption und Gleichgültigkeit. Verschuldet von denen, die die Macht haben, den Männern. Fast scheint es, als gebe Meja Mwangi dem alten Spruch recht: "Gebt Afrika den Frauen, dann wird es funktionieren". Aber das ist ein Klischee, wie so vieles, was die westliche Welt über Afrika sagt und denkt. So leicht macht es Mwangi sich - und seinen hauptsächlich europäischen und amerikanischen Lesern - nicht.
    "Frauen sind anders als Männer, ja. Manchmal könnte man glauben, dass sie alles besser machen würden. Aber wir wissen doch, was Macht mit den Menschen anstellt - Frauen sind da keine Ausnahme. Und man sollte ihnen diese Verantwortung nicht aufbürden."
    Meja Mwangi schreibt vor allem für den europäischen und amerikanischen Markt. Zwar erscheinen seine Romane auch in Kenia. Aber weil sich dort kaum jemand Bücher leistet, könnte er von diesen Einnahmen allein nicht leben. Anders als sein großer Kollege und ehemaliger Mentor Ngugi wa Thiong'o schreibt Meja Mwangi auf englisch und nicht in seiner afrikanischen Muttersprache.
    "Nein, damit würde ich mich in Schwierigkeiten bringen. Dafür reicht mein Wortschatz nicht aus, ich bin der Erste, der das zugibt. Ich unterstütze die lokalen Sprachen! Im Geiste." (lacht)
    Warum sein Suaheli nicht ausreicht, um darin zu schreiben? Weil Schulen in Afrika auf Englisch unterrichten. So verlieren viele Kinder in Afrika – Meja Mwangi eingeschlossen - ihre Muttersprache irgendwann. Gerade wenn sie einen besseren, längeren Bildungsweg einschlagen. Trotzdem: Ein paar Sätze auf Suaheli streut er in seine Geschichte ein. Das bringt nicht viel außer ein bisschen Lokalkolorit. Überhaupt droht das Schelmenstück "Rafiki" immer wieder ins allzu Folkloristische abzurutschen. Doch dann wieder zeigt der Schriftsteller Meja Mwangi seine poetische und stilistische Kraft.
    "Jede stolze Metropolis besitzt ein Stadtzentrum, eine Bestie in ihrem Schoß, in der Gut und Böse, Raum und Zeit, Freude und Kummer, Leben und Tod derart miteinander vermischt und so gründlich verdaut werden, dass sie oftmals roher und grober und härter und giftiger ausgeschieden werden als sie aufgenommen wurden. Unsere Innenstadt hieß Majengo und war der Ort, an dem jedermann geboren wurde und aufwuchs, an dem Leben und Schicksale in Feuer, Schlamm und Staub geschmiedet wurden und unsere städtische Identität sich uns in die Stirn brannte."
    Meja Mwangi ist 66 Jahre alt, seit über 40 Jahren schreibt er: Romane, Drehbücher, Kinder- und Jugendliteratur, über Armut, Verelendung, die Aids-Pandemie in seiner Heimat. Engagierte, politische Literatur. Dabei spielte Humor immer eine Rolle, doch sein neues Buch "Rafiki" ist absurd komisch. Hier zeigt sich Meja Mwangi nicht mehr wütend über menschliche Schwächen, sondern macht sich, ganz weiser alter Mann, über sie lustig.
    "Ich bin darüber nicht wütend. Menschen sind, wie sie sind. Meine Wut würde sie überhaupt nicht erreichen. Aber die Welt ändert sich irgendwann, alles ändert sich. Die Frage ist, wie lange wird das dauern? Manche Dinge dauern lange."
    Meja Mwangi: "Rafiki"
    Roman. Deutsch von Thomas Brückner. Peter Hammer Verlag, 320 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-7795-0482-5.