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Roms älteste Marienkirche
Santa Maria Antiqua endlich zu besichtigen

Der Grundriss romanisch, die Türme gotisch, der Innenraum barock-verschnörkelt: Bei vielen europäischen Kirchen vermischen sich die historischen Baustile. Ein Gotteshaus in komplett ursprünglichem Zustand ist da fast schon eine Rarität - erst recht, wenn diese Kirche schon im 6. Jahrhundert gebaut wurde. Santa Maria Antíqua in Rom kann nach aufwendiger Restaurierung jetzt erstmals besichtigt werden. Das Gebäude versteckte sich lange Zeit unter einer neueren Kirche.

Von Thomas Migge | 29.03.2016
    Santa Maria Antiqua in Rom
    Santa Maria Antíqua wurde im 9. Jahrhundert bei einem Erdbeben verschüttet und erst vor gut 100 Jahren wieder ausgegraben. (picture alliance / dpa / Foto: Giorgio Onorati)
    Christus zwischen Kirchenvätern. Ein Wandbild, das etwa 20 Meter lang und über einen Meter hoch ist. Auch nach rund 1.200 Jahren sind die Gesichter der Heiligen und des Gottessohnes und ihre eleganten Gewänder gut zu erkennen. Unter diesem Teil der Fresken ist die Wand mit dem nicht weniger eleganten Motiv eines Stofftuchs geschmückt. Über der Reihe mit Christus und den Kirchenvätern zeigen 14 Rechtecke, in zwei übereinander liegenden Reihen, religiöse Szenen.
    Wenn der Besucher im Zentralraum von Santa Maria Antiqua steht, und in den östlichen Flügel des Gotteshauses schaut, ist er überwältigt angesichts des Bilderreichtums und der chromatischen Vielfalt. Und dabei sind die Wandmalereien in diesem Teil des Gebäudes, das sich auf dem Forum Romanum mitten in Rom erhebt, nur ein Bruchteil des Freskenschmucks, mit dem diese Kirche ausgemalt wurde. Es ist dieser Bilderreichtum, der der Kirche Santa Maria Antiqua den Beinamen "Sixtinische Kapelle des Mittelalters" einbrachte. Zu Recht, meint Giulia Bordi, auf das frühe Mittelalter spezialisierte Kunsthistorikerin an der Universität Rom und mitverantwortlich für die Restaurierung dieser Kirche:
    "Santa Maria Antiqua wurde ja erst im Jahr 1900 ausgegraben. Und das, obwohl man sie schon 1702 wieder entdeckt hatte. Durch einen Zufall, bei Bauarbeiten im Erdreich unterhalb einer Kirche, die man über der verschütt gegangenen Santa Maria Antiqua errichtet hatte. Doch man schloss den Zugang zu dem unterirdisch gelegenen Gebäude und forschte nicht weiter nach"
    Die Kirche, die über Santa Maria Antiqua stand, wurde abgerissen und das erstaunlich gut erhaltene Gebäude aus dem 6. Jahrhundert, das 847 in Folge eines Erdbebens unter antiken Ruinen und Geröll vom nahen Palatinhügel verschüttet wurde, ausgegraben. Heute präsentiert sich diese frühchristliche Kirche wieder in ihrer ganzen baulichen Pracht: in Form einer Basilika, mit Haupt- und zwei Seitenschiffen und drei Apsisräumen. Die meisten der Wände dieser wahrscheinlich ältesten Kirche, die der Mutter Gottes geweiht war, sind ausgemalt: Mit einem der am besten erhalten und flächenmäßig größten frühmittelalterlichen Freskenzyklen Italiens. Ein Höhepunkt, so Giulia Bordi, byzantinischer Kunst in Rom:
    "Diese Kirche ist das wohl eindrucksvollste Zeugnis eines historisch nur wenig bekannten Moments der Stadt Rom. Nämlich des byzantinischen Rom. Die Schaffung dieser Kirche und ihre künstlerische Ausgestaltung fiel ganz in die Zeit der byzantinischen Herrschaft, als der Repräsentant des Kaisers in Konstantinopel auf dem Palatinhügel residierte. Mit dem Hügel ist die Kirche durch eine Rampe verbunden."
    Eine grandiose Rampe, mit Meter hohen Deckengewölben, die erst seit Kurzem Besuchern des Forum Romanums zugänglich ist.
    Für Kunsthistoriker wie Giulia Bordi ist Santa Maria Antiqua eine Art Fossil:
    "Im Unterschied zu allen anderen Kirchen Roms blieb sie genauso erhalten wie sie 847 verschütt ging. Es handelt sich also um die einzige mittelalterliche Kirche Roms, die nie baulich oder dekorativ verändert wurde. Mit Malereien, die uns verdeutlichen, mit welcher Bravour Künstler damals zu Werke gingen. Künstler, die noch die antiken Malweisen beherrschten. Der wie durch ein Wunder erhaltene Bilderreichtum dieser Kirche ist deshalb einzigartig"
    Von den ursprünglichen 1.000 sind noch 250 Quadratmeter Fresken erhalten geblieben. Geschaffen zwischen dem 6. und frühen 9. Jahrhundert. Es handelt sich ausschließlich um biblische Szenen. Die wurden entweder in frühmittelalterlicher und byzantinisch beeinflusster Malweise ikonengleich wiedergegeben, mit Gesichtern, die einen frontal und ohne darstellerische Tiefe betrachten, oder aber in einem Stil, der an die hoch entwickelte Malkunst der römischen Antike erinnert. Wie etwa im Presbyterium, auf der Darstellung der Anbetung des Kreuzes. Die dort dargestellten Engelsgesichter, dargestellt mit einer circa 45-Grad-Kopfdrehung, verfügen dank des ungemein geschickten Gebrauchs der Farbe über eine für ihre Zeit untypisch darstellerische Tiefe. Fast hat man den Eindruck einer gewissen Dreidimensionalität.
    Anlässlich der nun permanenten Öffnung hat die römische Altertümerverwaltung bis September in Santa Maria Antiqua eine Ausstellung mit kostbaren religiösen Bildern aus der Zeit der frühen Kirche organisiert: Byzantinisch beeinflusste Heiligen- und Madonnenikonen, mit ihren starren und ernsten Gesichtszügen, und noch von der Antike beeinflusste weitaus lebendiger wirkende Freskenbilder mit Protagonisten der Bibel.

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