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Roms Reformator

Seinen Namen kennen heute meist nur noch Historiker: Vespasian. Er wurde in einer der schlimmsten Krisen des Römischen Reiches Kaiser. Drei seiner Vorgänger waren innerhalb eines Jahres ermordet worden. Aber ihm gelang es, das Reich aus dem Chaos zu führen.

Von Christian Berndt | 17.11.2009
    Rom, im Jahr 69 nach Christi Geburt. Das Zentrum des Reiches versinkt in einem schrecklichen Bürgerkrieg. Der römische Historiker Tacitus spricht vom "beinahe letzten Jahr Roms":

    "Der Krieg war an sein Ende gekommen, aber der Frieden hatte noch nicht begonnen. Mit dem Schwert in der Hand, mitten durch die Hauptstadt, jagten die Eroberer die Gejagten mit erbarmungslosem Hass. Die Straßen waren erstickt im Blutbad, die Plätze und Tempel rochen nach Blut. Denn die Menschen waren überall massakriert worden, wo der Zufall sie hinverschlagen hatte."

    Begonnen hat das blutige Chaos nur ein Jahr zuvor. Im Jahr 68 setzte der Senat Kaiser Nero ab. Für den römischen Adel, der die Mitglieder des Senats stellt, war seine selbstherrliche Herrschaft zur Provokation geworden. Der Kaiser beging Selbstmord. Doch Frieden kehrte damit nicht ein, denn mit Nero war nun die seit Kaiser Augustus herrschende Dynastie ausgestorben. Für Roms komplizierte politische Struktur ein Problem, wie der Althistoriker Aloys Winterling erklärt:

    "Im Grunde ist das römische Kaisertum keine legitime Monarchie gewesen, sondern Rom hatte sich ja immer dadurch ausgezeichnet, dass es sich um eine Adelsrepublik handelte. Das heißt, das Kaisertum war im Grunde immer eine Art illegitimer Militärherrschaft. Also, der Kaiser muss immer der militärisch Stärkste sein. Und in dem Moment, wie jetzt beim Tode Neros, wo kein legitimer Nachfolger da war, da kommt genau der Fall, dass es wieder einen Bürgerkrieg gibt und sich herausstellen muss, wer der Stärkste ist."

    Heerführer und Senatoren kämpfen nun um die Macht, drei Kaiser werden innerhalb eines Jahres ermordet. Doch am Ende kann sich ein Feldherr durchsetzen: Titus Flavius Vespasianus, genannt Vespasian: Geboren am 17. November des Jahres 9 nach Christus als Sohn eines Zollbeamten in einfachen Verhältnissen, machte Vespasian dank seiner militärischen Begabung als Feldherr Karriere. Doch unter Neros Herrschaft fiel er in Ungnade: angeblich war er während eines Gesangsvortrages des kunstsinnigen Kaisers demonstrativ eingeschlafen. Als aber in der römischen Provinz Judäa ein Aufstand ausbrach, holte der Kaiser den fähigen Heerführer aus der Verbannung zurück und schickte ihn an die Front.

    Vespasians Stunde ist nun gekommen: während des Feldzuges gegen die aufständischen Juden bricht in Rom nach Neros Tod der Bürgerkrieg aus, im Juli 69 wird der beliebte Feldherr Vespasian von mehreren Legionen zum Kaiser ausgerufen. Zugute kommt ihm nun, dass er nicht durch zu große Nähe zu Nero kompromittiert ist. Mit militärischer Stärke kann er sich gegen seine Konkurrenten um den Kaiserthron durchsetzen, und schließlich hält er feierlichen Einzug in Rom.

    Als Kaiser agiert Vespasian äußerst erfolgreich. Vor allem die Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen gelingt ihm. Die Aristokraten allerdings empfinden es als anrüchig, dass er sogar eine Steuer auf die öffentlichen Toiletten erhebt, wie der antike Kaiserbiograf Sueton beschreibt:

    "Als sein Sohn Titus ihn tadelte, weil er sogar eine Urinsteuer ersonnen hatte, hielt er ihm ein Geldstück von der ersten Erhebung dieser Abgabe unter die Nase mit der Frage, ob der Geruch ihn störe. Und als jener es verneinte, sagte er:'Und doch ist es vom Urin.'"

    Vespasian lässt auch das im Bürgerkrieg stark zerstörte Rom wieder aufbauen, unter ihm beginnt der Bau des Kolosseums. Seine Macht weiß er einerseits durch unverhohlene militärische Stärke, andererseits durch geschickten Umgang mit dem Senat zu sichern. Als Herrscher braucht er die Legitimation der alten republikanischen Institutionen – zu selbstherrliches Auftreten führt, wie im Fall Nero, schnell zur Verschwörung:

    "Man kann sagen, dass er vielleicht auch von seiner Persönlichkeit her sehr gut auf diese Kaiserrolle gepasst hat. Da ist sicher seine Herkunft wichtig für – weil er damit zufrieden war sozusagen, die Macht in den Händen zu haben, also überhaupt nicht darauf bedacht war, als Kaiser in der Interaktion mit der Aristokratie wirklich immer der Erste zu sein. Also, es wird berichtet, dass er so ein sehr unprätentiöser und, er erinnert mich so ein bisschen an Angela Merkel manchmal, also gar nicht auf Herausstellung der eigenen Persönlichkeit bedachter Mensch gewesen ist."

    Für das Reich wirkt sich Vespasians Herrschaft segensreich aus. Er ist kein innovativer Herrscher, eher ein Reorganisator – doch damit erreicht er mehr als die meisten anderen Kaiser von Rom.