Donnerstag, 28. März 2024

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Roni-Horn-Ausstellung in Basel
Ein Medium ist nicht genug

Die mittlerweile 61-jährige amerikanische Künstlerin Roni Horn ist im internationalen Ausstellungsbetrieb mit ihren Werken sehr präsent. In ihren Arbeiten geht es meist um Identität. Die Fondation Beyeler in Basel versucht einen Überblick ihres Werkes der letzten 20 Jahre - in allen Medien: Zeichnung, Fotografie, Skulptur.

Von Christian Gampert | 02.10.2016
    Wenn es ein Element gibt, das die Künstlerin Roni Horn charakterisiert, dann ist es das Wasser. Das Fluide, Fließende, nicht Festgelegte, Spiegelnde, Changierende findet sich sowohl in ihren Fotoarbeiten als auch in den Zeichnungen und Skulpturen. Es ist eine Metapher, die den Zuschauer sowohl anziehen als auch verstören kann. Denn hinter der künstlerischen Ausgestaltung des Themas verbirgt sich auch etwas Persönliches.
    Ich habe Vernissagen mit Roni Horn erlebt, bei denen eine hagere, distanziert wirkende ältere Frau irgendwo ganz hinten herumstand, möglichst unauffällig. Eine androgyne Intellektuelle. Auch in der Fondation Beyeler war sie da – und doch nicht da. Sie sagt nie etwas, jedenfalls nicht öffentlich. Sie hält sich am Rand. Es spricht ihre Kuratorin Theodora Vischer in einem Raum mit riesenhaften Zeichnungen, die sich aus vielen Kleinst-Elementen zusammensetzen. Sie wirken wie Stadtpläne, Labyrinthe, innere Landkarten, schwimmende Inseln.
    "Wenn man Zeichnung oder Zeichnen sagt, stellt man sich gern das Skizzenhafte, die Vorstudie vor. In ihrem Fall hat sie die Zeichnung wirklich zu einem monumentalen Medium entwickelt."
    Das ist wirklich eine Entdeckung in der Fondation Beyeler: ein ganzer Raum mit großen Zeichnungen, bei denen von Weitem Gegenständliches erahnt werden kann, Fußspuren, Früchte, Blüten, Kontinente – und wenn man näher herangeht, zerfällt das in technische, modellhafte Details, lange Zeichen-Strecken, bei denen sich jemand mühsam den Weg bahnt.
    Und doch hat das alles eine große Präsenz, wie auch die schon öfter gezeigten Wasserbilder, Fotoarbeiten, von oben aufgenommene Wahrnehmungen der Themse, bei denen Roni Horn die Kräuselungen der Wellen, die Spiegelungen und, je nach Licht, Wetter und Tageszeit, unterschiedlichen Färbungen des Wassers zu einer symphonischen Serie verarbeitet. Die Wasseroberfläche wird bei ihr zu einer Haut, die fast menschliche Züge annehmen kann, glatt und jung oder schrundig-gegerbt, voller Strudel und vom Leben gezeichnet.
    Sehr diskrete Konzeptkunst
    Das ist sehr diskrete Konzeptkunst. Roni Horns Sehnsucht nach Ruhe und Kontemplation kommt dann am schönsten in den Skulpturen zum Ausdruck. Die Künstlerin lebt Teile des Jahres in Island. Und das Fahle, Kühle, auch Farblose, Gletscherartige der Landschaft findet sich in den jeweils fünf Tonnen schweren, zylinderförmigen hohen Glasplastiken. Perfekt gegossen, glatt, ohne Schlieren. Die fünf bottich-artigen Glaskörper, deren Farben zwischen hellblau und schneeweiß changieren, sind oben mit einer Glashaut versehen, sodass der Eindruck einer ruhenden Wasseroberfläche entsteht – als sei die Skulptur mit Flüssigkeit gefüllt.
    "Es ist wirklich eine Täuschung, ein Täuschungseffekt, der da im Spiel ist, der einen auch nie verlässt. Auch wenn man das Wissen hat, dass es sich eben nicht um Wasser handelt. Dieser Täuschungs- und Spiegelungseffekt bleibt."
    Nicht so überzeugend sind Roni Horns "Selected Gifts", gesammelte Geschenke, und die leicht kitschigen Literaturarbeiten, die weit weniger über fluide Identität aussagen als die zu Paaren gebündelten Selbstporträts – je ein Jugendfoto wird mit einem Bild der Erwachsenen gekoppelt, Mädchenhaftes mischt sich mit männlichem Ausdruck auf eine suchende, manchmal ratlos machende, auch tragische Weise.
    Roni Horn wird ein Minderheitenpublikum anziehen. Das farbenprall Sinnliche für die Zuschauermassen dagegen wird in der Fondation Beyeler gerade mit einer Ausstellung zum "Blauen Reiter" bedient, wie es sie in dieser Dichte wohl noch nicht gegeben hat. Das Jahrhundertgenie Wassili Kandinsky an der Schwelle zur Abstraktion, der früh gestorbene Franz Marc, der seine Tierkörper wie reine Zeichen in prismatische Landschaften pflanzt; eine digitale Animation des "Blauer Reiter"-Almanachs – das ist der reine Farbenwahnsinn und ein schöner Gegenpol zu der intellektuellen Roni Horn, die aber ebenso viel Beachtung verdient.