Dienstag, 19. März 2024

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"Rosetta-Mission" der ESA
"Wie in dem Urozean der Erde Leben hat entstehen können"

Zehn Jahre war die ESA-Raumsonde Rosetta unterwegs, um den Kometen Tschuri zu erforschen. Heute endet die Mission mit der Landung auf Tschuri. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sagte im DLF, mit dem Projekt habe sich Europa als Hightech-Region präsentiert.

Stephan Ulamec im Gespräch mit Christiane Kaess | 30.09.2016
    Der Projektleiter von der Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec, sitzt in Weßling (Bayern) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) neben einer Versuchsanordnung mit der die Harpune von "Philae" getestet werden soll.
    Der Projektleiter von der Landeeinheit "Philae", Stephan Ulamec, sitzt in Weßling (Bayern) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) neben einer Versuchsanordnung mit der die Harpune von "Philae" getestet werden soll. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Die Landung ist eine spannende Aktion", sagte Ulamec. Denn Rosetta werde hoffentlich bis zum Aufprall Daten aufnehmen - aus immer größerer Nähe zum Kometen. Es komme dann darauf an, dass diese Daten auch noch zur Erde übertragen würden, bevor Rosetta lande.
    Zu den Kosten von 1,3 Milliarden Euro für die gesamte Rosetta-Mission sagte Ulamec, das sei eine gute Investition gewesen. Alle ESA-Mitgliedsländer hätten sich beteiligt, und für die Steuerzahler seien nur Cent-Beträge pro Jahr fällig geworden. Nicht zuletzt habe sich Europa als High-Tech-Region dargestellt - und vielleicht sei man sogar ein wenig von der NASA beneidet worden. Vielleicht könne die Mission auch dazu beitragen, dass sich mehr junge Leute für Natur- und Ingenieurswissenschaften interessierten.
    Die Raumsonde Rosetta über dem Kometen Tschuri - für die ESA animiert von Carlo Palazzari
    Die Raumsonde Rosetta über dem Kometen Tschuri - für die ESA animiert von Carlo Palazzari (ESA / Design & Data GmbH / Carlo Palazzari)
    Grundsätzlich habe es sich bei der ganzen Mission darum gedreht, die Grundbausteine zu erforschen, aus denen Sonnensystem und Erde bestünden. Denn Kometen seien letztlich aus der Entstehung des Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren übriggeblieben.
    Besonderen Aufschluss könne hier die organische Chemie liefern, denn mit den Kometen seien einst auch präbiotische Moleküle auf die Erde geprallt. Wenn man wisse, welche organische Chemie der Komet enthalte, dann könne man das in Verbindung dazu setzen, wie im Ur-Ozean zum Beispiel Aminosäuren und DNA entstanden seien.
    "Eine gute Investition"
    Ulamec ist der Projekt-Leiter von Philae, jenem Lander, der an Bord von Rosetta war und am 12. November 2014 auf dem Kometen aufsetzte. Leider habe man das Potenzial nicht ausschöpfen können, auch weil Philae auf einem "schattigen Plätzchen" gelandet sei. Dennoch habe der Lander spektakuläre Bilder gesendet, und man habe zumindest alle Instrumente einmal in Gang setzen können.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Mit einer spektakulären Kometenlandung will die Europäische Raumfahrtagentur ESA eine historische Mission im Weltraum heute beenden. Nach zwölf Jahren im All soll die Raumsonde Rosetta heute mittag auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko, kurz Tschuri aufsetzen und dann ihre Arbeit beenden. Als Kometenjägerin war die Raumsonde im Weltall hinter Tschuri her. Dort angekommen, landete dann vor zwei Jahren erst das Minilabor Philae in einer historischen Aktion auf dem Kollos und jetzt soll auch Rosetta auf Tschuri aufsetzen. Das wäre dann das Ende für immer. Geplant ist, den Kometen bis zum Schluss mit Bildern und Messungen zu erforschen. - Darüber sprechen möchte ich mit Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er ist dort Projektleiter der Philae-Mission und wir erreichen ihn jetzt in Mexiko auf einem Fachkongress. Guten Morgen, Herr Ulamec.
    "Es wird spannend, die Daten zu sehen, die wir vor dem Impact bekommen"
    Stephan Ulamec: Ja! Schönen guten Morgen oder guten Abend hier aus Mexiko.
    Kaess: Herr Ulamec, nach dieser jahrelangen Rosetta-Mission heute, sind Sie noch aufgeregt?
    Ulamec: Na ja, ich bin natürlich aufgeregt, weil das wird eine ganz spannende Aktion, die wir hier noch durchführen zum Abschluss der Mission, den Orbiter eben auch zu landen, ein bisschen ähnlich wie den Lander Philae vor ungefähr zwei Jahren, und es wird vor allem spannend, die Daten zu sehen, die wir dann bekommen in den letzten Minuten vor dem Impact.
    Kaess: Über die Daten können wir gleich noch genauer sprechen. Sie verfolgen das Ganze ja heute auf dem Bildschirm. Können Sie uns schildern, was Sie erwarten, da heute zu sehen?
    Ulamec: Wir werden natürlich während des Abstieges Bilder aufnehmen aus immer größerer Nähe, mit immer größerer Auflösung, und werden dann eben auch diese Strukturen, die auf dem Kometen sind, von Eiszapfen, von Strukturen, die vielleicht an Pyramiden erinnern, sehen und werden die dann übertragen. Das Spannende ist, ob es gelingt, wirklich bis zum letzten Moment nicht nur die Bilder aufzunehmen, sondern sie auch noch vor dem Impact zur Erde übertragen zu können.
    Gespannt, ob die Landung von Rosetta wie geplant funktioniere
    Kaess: Wovon hängt das ab?
    Ulamec: Das hängt davon ab, dass die Planung, die von den Kollegen bei ESA gemacht wurde, auch wirklich ganz akkurat funktioniert. Das hängt davon ab, dass der Einschuss in diese Bahn, in dieses quasi Absteigen, das Abfallen auch wirklich ganz genauso wie geplant funktioniert. Ich bin da recht zuversichtlich, dass das auch gut funktionieren wird. Aber es bleibt trotzdem spannend.
    Kaess: Es war ja ziemlich spektakulär inszeniert, als das Minilabor Philae vor zwei Jahren auf dem Kometen gelandet ist. Was hat das der Wissenschaft bisher gebracht?
    Ulamec: Die Philae-Mission hat quasi die Ground Groove - so nennt man das -, den Referenzwert gegeben für die Daten direkt von der Kometenoberfläche, und die muss man in Vergleich setzen mit den Daten, die wir vom Orbiter gewonnen haben, natürlich über einen viel längeren Zeitraum und auch zum Teil mit höherer Genauigkeit. Wenn man das nun auf die Waage legt, Philae und Rosetta, dann haben wir mehr Daten von Rosetta, aber die wirklich spektakulären direkt von der Oberfläche, die sind tatsächlich nach der Landung von dem Lander gewonnen worden.
    "Kometen sind aus Entstehungszeit des Sonnensystems übrig geblieben"
    Kaess: Was ist daran spektakulär? Was können Sie aus diesen Daten lesen?
    Ulamec: Wir glauben, dass die Kometen aus der Entstehungszeit des Sonnensystems übrig geblieben sind, von vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren. Und wenn man nun das Material vom Kometenkern analysiert, dann kennt man auch die Grundbausteine, aus denen später das Sonnensystem, auch die Erde entstanden ist. Und ganz besonders spannend hierbei ist der botanische Chemiewert. Denn wir wissen, dass auf die frühe Erde, übrigens auch auf die anderen Planeten, diese Kometen draufgeprasselt sind und organische Substanzen zum Teil präbiotische Moleküle auf die Erde gebracht haben, die dann letztlich zur Entstehung des Lebens geführt haben.
    Und das ist schon spannend, jetzt genauer zu wissen, welche organische Chemie wir auf dem Kometen vorfinden und das einzubetten in unsere Modelle, wie wir uns vorstellen, wie in dem Urozean der Erde mit diesen Komponenten dann, Aminosäuren, RNA, DNA und schließlich Leben hat entstehen können.
    "Philae ist letztlich in einem relativ schattigen Plätzchen gelandet"
    Kaess: Die Landung von Philae vor zwei Jahren, die verlief ja nicht reibungslos. Mussten Sie auch Abstriche machen bei dem, was Sie sich erhofft hatten, von Philae zu bekommen?
    Ulamec Wir konnten das Potenzial des Landers leider Gottes nicht ausschöpfen. Wir hätten noch viele andere Messungen gerne gemacht. Wir hätten mit dem Lander gerne auch beobachtet auf der Oberfläche, wie sich die Oberfläche verändert, während der Komet näher an die Sonne herangeht. Das konnten wir leider nicht tun, weil Philae letztlich in einem relativ schattigen Plätzchen gelandet ist und wir diesen Langzeitbetrieb nicht durchführen haben können.
    Was aber gelungen ist, war, in den ersten etwa 60 Stunden Daten zu gewinnen, und man wird jetzt nicht so traurig sein über das, was nicht gelungen ist, sondern sich freuen über das, was uns gelungen ist nach der Landung. Und ich muss auch ehrlich sagen: Wir hatten sehr viel Glück, nachdem die Verankerung nicht funktioniert hat und wir noch mal so ungefähr einen Kilometer abgeprallt sind, dass wir letztlich doch noch mal so gelandet sind, dass der Lander senden konnte, dass wir Kamerabilder aufnehmen konnten, dass wir alle Instrumente zumindest einmal betreiben konnten und wirklich ganz spektakuläre Daten zur Erde senden.
    Rosetta habe Europa als Hightech-Region präsentiert - weltweit
    Kaess: 1,3 Milliarden Euro hat die Rosetta-Mission gekostet. Es ist eines der ambitioniertesten Projekte der ESA. Im Nachhinein - war es das wert?
    Ulamec: Ich würde schon sagen. Zum einen natürlich jetzt rein vom wissenschaftlichen Wert, der sich ganz schwer in Euro umrechnen lassen kann. Aber Rosetta hat auch noch andere Aspekte. Zum Beispiel ist es gelungen, durch so eine spektakuläre Mission Europa als Hightech-Region zu demonstrieren - weltweit. Das ist eine Mission, die wirklich wir zum ersten Mal gemacht haben, wo wir auch vielleicht ein bisschen beneidet werden von der NASA, dass das Europa zum ersten Mal gelungen ist.
    Dann gibt es noch einen anderen Aspekt. Eben weil Rosetta so viele Menschen begeistert hat, ist das auch ein Argument wahrscheinlich für junge Menschen, nun Naturwissenschaften zu studieren, Ingenieurwissenschaften zu studieren. Das Geld wird ja auf der Erde ausgegeben, es ist ein Beitrag zum Hightech-Standort Europa und es hat auch sehr viele Menschen fasziniert. Das in Euro umzurechnen, ist immer ein bisschen schwierig. Aber ich würde definitiv sagen, das war eine gute Investition. Diese 1,3 Milliarden sind ja auch im Laufe von 20 Jahren und über alle ESA-Mitgliedsländer ausgegeben worden. Pro Steuerzahler sind das wirklich verschwindend kleine Beträge, Centbeträge pro Jahr.
    Weitere spektakuläre Missionen geplant
    Kaess: Wenn die Mission heute beendet ist, was folgt als Nächstes?
    Ulamec: Wir haben natürlich andere Missionen ähnlicher Richtung. Zum Beispiel sind wir vom DLR auch beteiligt an der japanischen Hayabusa-2-Mission, die seit 2014 gestartet ist und 2018 von einem Asteroiden Proben zur Erde zurückführen wird. Da gibt es einen kleinen deutsch-französischen Lander, der heißt Maskot. Das ist eine Mission, die schon unterwegs ist.
    Eine andere ganz spektakuläre Mission, die wir jetzt gerade vorbereiten, ist die AIDA-Mission. Da möchte man demonstrieren, dass man einen Asteroiden ablenken kann, wenn wirklich mal einer droht, auf die Erde zu stürzen, dass man eine Möglichkeit hat, den in seiner Bahn abzulenken. Das ist etwas, was entschieden wird, ob es finanziert wird, wäre ein amerikanisch-deutsches Projekt, AIDA, wo man einen Doppelasteroiden wissenschaftlich untersucht und genau diese Deflection durch einen Impact demonstrieren will.
    Kaess: Stephan Ulamec war das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Er ist dort Projektleiter der Philae-Mission und wir haben ihn auf einem Fachkongress in Mexiko erreicht. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Ulamec.
    Ulamec: Vielen Dank! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.