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Rossinis "La Gazzetta"
Schwiegersohn-Suche per Kleinanzeige

Regisseur Marco Carniti verlegt die Geschichte des Vaters, der sich auf der Suche nach einem Bräutigam für seine Tocher befindet, in die 1950er-Jahre nach Paris. Die Neuinszenierung der Oper beim Rossini-Festival in Pesaro entfessele einen großen Spaß, in strenger Ästhetik und in Anlehnung an die Comedia dell' Arte, meint unser Rezensent.

Von Dieter David Scholz | 13.08.2015
    Zeitgenössische Darstellung des italienischen Komponisten Gioacchino Rossini (1792-1868)
    Zeitgenössische Darstellung des italienischen Komponisten Gioacchino Rossini (1792-1868) (dpa / picture alliance)
    La Gazzetta ist ein Frühwerk, in dem Rossini patchworkartig vieles bereits Komponierte wiederverwendete, ist es alles andere als anspruchslos, wie der Dirigent Enrique Mazzola betont:
    "Es ist eine Oper mit einer Fülle von Ensembles, zwei großen Finali, zwei Quintetten, einem Quartett, zwei Trios, zwei Duetten, und vielen Arien. Und wenn Rossini durchdreht, um am Ende der Ensembles immer schneller zu werden, dann ist das schon sehr schwierig."
    Nicht kompliziert ist dagegen die Handlung von "La Gazzetta". Rossini hat das Stück frei nach Goldonis Komödie "Il matrimonio per concorso", Heirat per Anzeige, komponiert. Der Titel sagt schon alles: Ein neureicher neapolitanischer Kaufmann, er heißt Don Pomponio, hält sich mit seiner Tochter Lisetta in Paris auf, um dort eine gute Partie für sie zu ergattern. Also gibt er in einer Tageszeitung ein Inserat auf, um für sie einen Mann zu suchen. Die großspurig pikante Anzeige amüsiert ganz Paris, insbesondere das Hotel, indem man wohnt, allesamt Beziehungssuchende: Väter, Töchter, Söhne, Wichtigtuer und Lebemänner. Daraus entwickelt sich beim türkischen Maskenfest im 2. Akt, ein Verwirrspiel der Interessen und Gefühle. Am Ende finden sich zwei junge Paare und erhalten schließlich den Segen der gefoppten Väter.
    Puristisch leere Bühne
    Regisseur Marco Carniti zeigt das Stück im Paris der 50er-Jahre, für das ihm Maria Filippi extravagante Kostümkreationen entworfen hat. Aber dieses Paris ist nur eine Idee von Paris, es gibt nur einige symbolische Andeutungen, die auf den Ort verweisen. Zeitungsfahnen hängen vom Bühnenhimmel herab. Die Bühne ist ansonsten puristisch leer, eine Art Schaukasten, der an Brechttheater erinnert. Marco Carniti kommt vom Piccolo Teatro in Mailand, also aus der Strehler-Schule und setzt auf kotensparende Einfachheit. Dagegen ist nichts zu sagen, zumal in Theaterzeiten, in denen das Geld knapp ist, auch in Pesaro. Carniti interessiert sich vor allem für die Vorlage der Oper:
    "Was mich besonders interessiert, ist das Stück von Goldoni. Die explosive Mischung von Rossini und Goldoni erlaubt einen besonderen Blick auf die Oper, die voll ist von Theater, eben wegen der Vorlage."
    Er entfesselt einen großen Spaß, in strenger Ästhetik und in Anlehnung an die Comedia dell' Arte. Für den Diener Don Pomponios hat er denn auch den virtuosen Schauspieler Ernesto Lama engagiert, der eine typisch neapolitanische Mischung aus Arleccino und Jettatore hinlegt.
    Musikalisch ist die Aufführung nichts zu wünschen übrig. Der junge Dirigent Enrique Mazzola, einer der begabtesten seiner Generation, ist nicht nur präziser Anwalt der Partitur, er versetzt das Orchester des Teatro di Bologna - wie das Publikum - in ein wahres Rossini-Delirium. Dass der Abend so fasziniert, ist aber auch einem vorzüglichen Sängerensemble zu verdanken, aus dem neben dem erstklassigen Tenor Maxim Mironov und dem eleganten Sängerdarsteller, dem Bariton Vito Priante die armenische Sopranistin Hasmik Torosyan als Lisetta herausragt, sie ist Pesaro-Debütantin. Es ist ja eine Stärke dieses Festivals, dass dank Alberto Zedda - dem Grandseigneur unter den Rossinispezialisten - und seiner Accademia Rossiniana immer wieder neue Talente entdeckt werden bei diesem weltweit bedeutendsten Rossini-Festival. Es erweist sich auch in diesem Jahr wieder als Sängerfest.