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Rote Karte für Gen-Erbsen

Umwelt. - Noch finden sich in Deutschland nur wenige genetisch veränderte Produkte in den Regalen, doch weltweit ist Gen-Food auf dem Vormarsch. Noch rätseln Forscher, ob von solchen Lebensmitteln Gefahren drohen. In Australien wurde jetzt eine Zulassung verweigert, weil Tierexperimente bedenkliche Ergebnisse lieferten.

Von Michael Lange | 22.11.2005
    Der Erbsenkäfer Bruchus pisorum macht sich weltweit über die Hülsen von Erbsen-Pflanzen her und richtet gewaltige Schäden an. Thomas J. Higgins von der staatlichen australischen Forschungsorganisation CSIRO bekam deshalb vor mehr als zehn Jahren den Auftrag, Erbsen zu züchten, denen der Käfer nichts anhaben konnte. In Bohnen entdeckte Higgins eine Erbanlage, die die Verdauung des Erbsenkäfers lahm legte.

    "Mit Hilfe der Gentechnik haben wir das Gen aus der Bohne auf Erbsen übertragen. Und tatsächlich gelang es uns, die Erbsen vor dem Erbsenkäfer zu schützen. "

    Bevor die Gentechnik-Erbse zugelassen werden sollte, wurde ihre Unbedenklichkeit in Tierversuchen getestet. Das übernahmen Wissenschaftler der Australische National-Universität von Canberra in Australien. Sie fütterten Mäuse mit den genmanipulierten Erbsen, und brachten ein Erbsen-Aerosol direkt in die Lungen der Tiere.

    "Sie haben zum Beispiel Botenstoffe untersucht, die das Immunsystem steuern. Deren Menge war erhöht. Außerdem fanden sie überdurchschnittlich viele Entzündungen in den Lungen der Tiere. "

    Damit hatten die Pflanzenforscher nicht gerechnet. Denn das übertragene Gen trägt die Information für ein Eiweiß, das aus Bohnen bekannt war. Millionen Menschen nehmen es tagtäglich zu sich, ohne Probleme. Auch im Tierversuch erwies sich das Bohneneiweiß als unbedenklich. Warum also sollte das gleiche Eiweiß, nur weil es jetzt in der Erbse vorkommt, das Immunsystem anstacheln? Abschließend geklärt ist das noch nicht. Aber es gibt eine schlüssige Theorie, so Higgins.

    "Das Bohneneiweiß, das nun von der Erbse gebildet wird, ist ein Glykoprotein. Das heißt: Neben seinem Rückgrat aus einer Kette von Aminosäuren besitzt es viele Zucker. Sie umhüllen das Eiweiß. Und eine Erbsenzelle verpackt das Eiweiß teilweise mit anderen Zuckern als eine Bohnenzelle. Es entstehen kleine Unterschiede, und auf die reagiert das Immunsystem. "

    Einerseits ist Thomas J. Higgins enttäuscht. Denn nun muss er von neuem nach Möglichkeiten suchen, um Erbsen gegen den Erbsenkäfer zu schützen. Viele Forschungsarbeiten der letzten Jahre waren vergeblich. Andererseits sieht er das Aus für seine Erbsen auch positiv.

    "Es hat sich gezeigt, dass das Kontrollsystem funktioniert. Noch in der Forschungsphase spürt es Gefahren auf – auch solche, mit denen man zunächst nicht gerechnet hat. Für die Verbraucher bedeutet das: Sie können sicher sein, dass Risiken rechtzeitig entdeckt werden. "

    Die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Kontrolle der Gentechnik haben sich bewährt, so der australische Pflanzenforscher. Greenpeace hingegen befürchtet, dass ein kommerzielles Unternehmen weniger gründlich getestet hätte als die vom Staat bezahlten Forscher in Australien. Schließlich bedeutet die Nichtzulassung der Gentechnik-Erbsen einen Verlust von mehreren Millionen Dollar.