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Roter Teppich und Beduinenzelt sind offenbar passé

Frankreich macht seit Jahren gute Geschäfte mit Muammar al- Gaddhafi. Nicht im Stillen und Verborgenen - in aller Öffentlichkeit zeigten Nicolas Sarkozy und Gaddafi, wie gut sie miteinander konnten. Unvergessen das Beduinenzelt Gaddafis, im Garten des Elysée-Palastes.

Von Burkhard Birke | 22.02.2011
    "Er hat seine Persönlichkeit, sein Temperament - ich werde doch nicht über ihn urteilen."

    Gemeint war Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi, gesprochen hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy - kurz vor dem fürstlichen Empfang des libyschen Herrschers in Paris im Dezember 2007.

    Dem Libyer wurde nicht nur der rote Teppich im Elysée ausgerollt, sondern sogar ein Beduinenzelt im Garten des Gästehauses aufgestellt! Unter dem Stichwort Realpolitik, andere würden sagen Schmusekurs mit einem Despoten, könnte man die von Nicolas Sarkozy und seinen Vorgängern verfolgte Politik kategorisieren.

    Kurz nach Aufhebung der UN-Sanktionen 2003, normalisierte Frankreich sein Verhältnis. Im Januar 2004 entschädigte Libyen die Angehörigen der 170 Opfer eines Attentats auf eine Maschine der Fluggesellschaft UTA. Im November reiste Präsident Jacques Chirac nach Tripolis. Zahlreiche Minister und Ministerinnen folgten, unter ihnen die umstrittene Außenministerin Michèle Alliot Marie - sie reiste damals als Verteidigungsministerin und der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy.

    Die Befreiung der jahrelang wegen angeblicher AIDS-Kontaminierung von Kindern inhaftierten bulgarischen Krankenschwestern am 24. Juli 2007 nur einen Tag vor Sarkozys offiziellem Besuch in Libyen markierte dann den Anfang einer intensiveren Beziehung. Die fünf aufgrund fragwürdiger Beweise zum Tode verurteilten Krankenschwestern kamen auch Dank der Intervention und Reise der damaligen Frau Sarkozy - Cecilia - frei.

    So zumindest die offizielle Version. Inoffiziell soll auch Geld geflossen sein. Während des Besuches und im Nachgang wurden dann vor allem zahlreiche Abkommen unterzeichnet: Über umfangreiche Militärkooperation und über den Bau eines Nuklearreaktors. Der soll die Energie für Meerwasserentsalzungsanlagen liefern!

    Mit Unverständnis hatten damals Teile der französischen Öffentlichkeit reagiert. Weshalb sollte ausgerechnet Gaddafi einen Atomreaktor und Waffen erhalten? Die Interessen der französischen Industrie liegen auf der Hand: In Libyen lagern 1600 Tonnen Uran, das Land verfügt über riesige Vorkommen an Öl und Gas. Importprodukte für Frankreich, das allein im Jahr 2009 für knapp 2,3 Milliarden Euro aus Libyen einführte; den Libyern im Gegenzug aber nur Waren für rund 740 Millionen Euro verkaufte. Das sollte sich ändern: Bis vor kurzem verhandelte Dassault intensiv über den Verkauf von 14 Rafale Düsenjägern im Wert von zwei bis 2,5 Milliarden Euro mit Libyen. Bisher ohne Erfolg.

    Wenn es ums Geschäft geht, scheint Präsident Sarkozy jedenfalls nicht zimperlich: Er hätte Präsident Gaddafi gesagt, wie wichtig Fortschritte bei den Menschenrechten seien, wie viel es zu tun gäbe meinte Sarkozy, als er während des Besuchs des libyschen Diktators im Dezember 2007 auf die Kritik angesprochen wurde:

    "Was würden wir andererseits aber zu den iranischen Führern sagen, wenn wir dem libyschen Führer nicht die Hand ausstrecken würden, nachdem er der Atomwaffe und dem Terrorismus den Rücken gekehrt hat?"

    Letzteres mag stimmen, die Ereignisse in Libyen indes belegen, dass Gaddafi der Gewalt im eigenen Land nicht den Rücken gekehrt hat. Vielleicht wäre es gut, wenn sich Frankreich daran erinnerte statt zu versuchen, Düsenjäger, Atomkraftwerke, Panzerabwehrraketen, Funkgeräte und andere Rüstungsgegenstände an Libyen zu verhökern.

    Immerhin gilt seit Ende letzter Woche angeblich formell ein Exportverbot für sensible Produkte, und das Außenministerium appelliert zum Gewaltverzicht. Der sonst allgegenwärtige Präsident Sarkozy ist aber wie schon im Falle Tunesiens und Ägyptens auffallend still gegenüber Politikern, die er zuvor so hofiert hatte.