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Rotes "Non" zum Fiskalpakt

Ende August wird dem französischen Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt, im September soll die Mehrheit für Frankreichs Unterschrift unter den Europäischen Fiskalpakt stehen. Viele Sozialisten, wie die Senatorin Noelle-Lienemann, wollen da nicht mitmachen.

Von Ursula Welter | 13.08.2012
    "Was antworte ich den europäischen Bürgern, die mich fragen: Wer ist schuld?"

    fragt Benoit Hamon im Europa-Parlament. Wer ist schuld, dass die Arbeitsplätze verloren gehen, die Löhne teils zum Leben nicht mehr reichen? Benoit Hamon ist ein prominenter französischer Sozialist. Er war Europa-Abgeordneter, Sprecher seiner Partei, ist heute Minister in der neuen Regierung, und er ist ein Kritiker des Fiskalpaktes. Kein Zufall, dass auch Hamon dabei war, als Ende Juli in Paris deutsche Sozialdemokraten auf Einladung des linken Flügels der französischen Sozialisten den Schulterschluss mit den Genossen in Frankreich suchten, den Fiskalpakt als politisch und ökonomisch falsch abstempelten und gemeinschaftliche Schuldtitel, also Eurobonds, forderten.

    "Tatsächlich sind wir recht viele, die nicht zustimmen werden."
    Sagt in diesen Tagen auch die Kollegin von Benoit Hamon. Marie Noelle-Lienemann . Die Senatorin deckt, wie Hamon, die linke Flanke der Partei ab.Vor wenigen Tagen kritisierte sie im französischen Rundfunk den neuen sozialistischen Präsidenten.

    "Francois Hollande ist gewählt worden, weil er versprochen hat, den Fiskalpakt zu verändern. Nun gibt es zwar einen Wachstumspakt, als Ergänzung, aber der Fiskalpakt selbst, die Schuldenregeln, sind nicht, wie versprochen nachverhandelt und geändert worden, ich bin also dagegen."
    Ende August wird dem Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, im September soll die Mehrheit für Frankreichs Unterschrift unter den Europäischen Fiskalpakt stehen. Viele französische Sozialisten, wie die Senatorin Noelle-Lienemann, wollen da nicht mitmachen.

    "Stellen Sie sich vor, überall in Frankreich ,ob im Departement Hautes- de-Seine oder im Limousin muss die Schuldenbremse eingehalten werden, und gleichzeitig mangelt es an Solidarität in Europa","

    sagt die Senatorin. Der linke Flügel der Sozialisten, wie auch die Linksfront mit den französischen Kommunisten, stoßen sich an dreierlei: Dem Spardiktat, wie sie sagen, das vor allem die deutsche Handschrift trage, am Verlust von Souveränität für die gewählten Politiker Frankreichs und an den geplanten Sanktionen.

    ""Wenn wir im Korsett des Lissabon-Vertrages bleiben, gehen wir unter","

    ruft auch Jean-Luc Melenchon für die Linksfront. Bis heute ist nicht vergessen, dass die Franzosen 2005 mit mehr als 54 Prozent gegen den Lissabon-Vertrag gestimmt haben und Frankreich nur durch einen Verfahrenstrick unter Präsident Sarkozy am Ende doch mitmachen konnte.

    ""Die Franzosen haben dagegen gestimmt","

    erinnert auch die Sozialistin Noelle-Lienemann.
    Die Gegner des Lissabon-Vertrages von damals und die Gegner des Fiskalpaktes von heute sind dieselben. Für die neue Regierung ist das unbequem. Zwar hat der Verfassungsrat gerade grünes Licht gegeben und gesagt, Frankreich könne den Fiskalpakt auch ohne Verfassungsänderung ratifizieren. Ein erneutes Referendum in Frankreich wird es also nicht geben. Stattdessen ein organisches Gesetz, für das die einfache Mehrheit reicht und das unter Beobachtung des Verfassungsrats steht. Francois Hollande kann sein Versprechen also einlösen, der Fiskalpakt wird nicht in den Stein der Verfassung gemeißelt, dort gehöre es nicht hin, sagt Hollande, also ein organisches Gesetz:

    Aber es regen sich viele Zweifel in Frankreich, ob Sparen allein der richtige Weg ist. Die Reaktionen auf das grüne Licht des Verfassungsrates für den Fiskalpakt fielen teils heftig aus: Von "Selbstmord für Frankreich", von "suspekter Entscheidung" war die Rede. Und häufig mischt sich die Kritik Argwohn gegenüber Deutschland, das sich in der Schuldenkrise nicht solidarisch zeige, stattdessen Sparregeln vorgebe – gerade so, als wäre es nicht der frühere französische Staatspräsident Sarkozy gewesen, der den Fiskalpakt mit Angela Merkel aus der Taufe gehoben hat. So schwingt in der Debatte spürbar Angst vor einem "deutschen Diktat" mit und nicht zufällig widmeten in den vergangenen Tagen die französischen Zeitungen große Aufmerksamkeit der Bemerkung von Altkanzler Helmut Schmidt:

    ""Auschwitz, der fabrikmäßige Mord an sechs Millionen Juden, der Weltkrieg Hitlers, alles das hängt in Wirklichkeit nicht irgendwo ungreifbar, sondern ist im Unterbewusstsein der europäischen Völker ein so schweres Gewicht, dass es eine Führung Europas durch die Deutschen ausschließt."