Donnerstag, 18. April 2024

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Roth: ''Schewardnadse bekommt keine Sonderbehandlung in Sachen Asyl''

Heinlein: Er ist ohne Zweifel ein Mitarchitekt der Deutschen Einheit, Eduard Schewardnadse, der damalige sowjetische Außenminister. Seine Arbeit an der Seite von Michail Gorbatschow hat ihm einen Ehrenplatz in der deutschen Geschichte eingebracht. Daheim in seiner Heimat Georgien genießt er weitaus weniger Reputation. In einer unblutigen Revolution wurde er aus dem Amt gejagt. Der Vorwurf der Wahlmanipulation und der Korruption kostete ihn sein politisches Amt. Ungeachtet dieser Vorwürfe hat ihm die Bundesregierung praktisch Asyl angeboten. Trotz der Dementis aus Tiflis ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis er seine Villa in Baden-Baden bezieht. Darüber wollen wir jetzt reden mit der grünen Politikerin Claudia Roth, sie ist die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Guten Morgen.

25.11.2003
    Roth: Schönen guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Frau Roth, warum will die Bundesregierung Eduard Schewardnadse in Deutschland eine neue Heimat geben?

    Roth: Also, ich glaube, das aller aller Wichtigste war, mit dazu beizutragen, dass es einen Ausweg gibt aus einer drohenden Eskalation in Georgien, die Blutvergießen bedeutet hätte, die Gewalt bedeutet hätte und die das Leben von vielen vielen Menschen gefährdet hätte. Ich glaube, es war richtig, auch dadurch, dass man einen Ausweg, einen örtlichen Ausweg Schewardnadse anbietet, dazu beizutragen, dass er zurücktritt, dass er als Präsident zurücktritt und den Weg freizumachen, in der Tat, für Neuwahlen und für eine Neuordnung in dem Land. Ob Schewardnadse nun kommen wird oder nicht, ist in der Tat völlig unklar.

    Heinlein: Gibt es Grenzen der Dankbarkeit gegenüber Eduard Schewardnadse oder ist er ohne Einschränkungen willkommen, egal was er in den letzten Jahren in seiner Heimat an politischen Fehlern gemacht hat? Die Rede ist ja von Korruption und Wahlmanipulation.

    Roth: Noch einmal, ich glaube, das aller aller Wichtigste war, man hat ja gesehen, wie drohend die Eskalation war in Georgien, zu verhindern, dass es zu einem heftigen, großen Kampf, zu Kämpfen kommt. Dazu haben die Versuche beigetragen, Schewardnadse zum Rücktritt zu bewegen. Und dazu hat sicher auch ein Angebot beigetragen, dass er einen Ort bekommt, oder einen Ort angeboten bekommt, wo er leben kann. Das heißt aber nicht, dass man nicht eine sehr differenzierte Haltung zu der Person des Politikers Schewardnadse einnimmt. Er hat unzweifelhaft große große Verdienste, nicht nur im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung, wo er ja der letzte Außenminister Gorbatschows war, er hat dazu beigetragen, dass die Sowjetunion sich aus Afghanistan zurückgezogen hat, er hat Abrüstung eingeleitet. Aber er hat in der Tat ab 92 als Präsident Georgiens es nicht geschafft, die Wirtschaftskrise dort zu überwinden. In Georgien herrschen große Probleme, Korruption, Vetternwirtschaft, die wie eine Kracke über dem Land liegt. Krise der Rechtsorgane, der Haushalt hat katastrophale Bedingungen, das Niveau ist etwa das eines afrikanischen Staates. Der Staat hat sich zurückgezogen von sozialen Verpflichtungen, es gibt eine mangelnde Energieversorgung, keine Kontrolle, staatliche Kontrolle im Territorium, Sezessionskonflikte. Schewardnadse hat es in der Tat nicht geschafft, das Land in eine positive Zukunft zu führen. Das muss man abwägen, ob es nicht dennoch richtig ist zu sagen, man hilft dazu beizutragen, dass Georgien einen Neuanfang bekommt, den man jetzt allerdings auch aktiv unterstützen muss und zwar mehr, als nur mit Wahlbeobachtung.

    Heinlein: Frau Roth, die von Ihnen angesprochene Gefahr der Eskalation ist ja nun gebannt, der Machtwechsel ist da. Ist Eduard Schewardnadse dennoch willkommen in Deutschland?

    Roth: Noch einmal, er hat das Angebot, hier in Deutschland zu leben. Es sieht im Moment nicht so aus, als würde er hier leben wollen. Im Moment scheint die Lage in Georgien entspannt zu sein. Er sagt, Georgien ist seine Heimat, dort will er bleiben, das finde ich sehr richtig und sehr gut. Aber es war ein wichtiges Signal, auch ein internationales Signal, dass wir alles dafür tun werden, dass es in Georgien nicht zu einem blutigen Bürgerkrieg kommt. Und dazu war die Voraussetzung der Rücktritt Schewardnadses.

    Heinlein: Werden Sie darauf achten, und wird die ihre Partei, Die Grünen, darauf achten, dass Schewardnadse keine Sonderbehandlung bekommt in Sachen Asyl?

    Roth: Natürlich wird er keine Sonderbehandlung bekommen in Sachen Asyl. Wir werden aber vor allem darauf achten, wie es in Georgien weitergeht, ob die Wahlen tatsächlich in einer sehr überschaubaren Zeit, also in 45 Tagen stattfinden werden, dass diese Wahlen fair stattfinden, dass es nicht wieder zu Wahlfälschungen kommt, also es muss in der Vorbereitung, in der Durchführung der Wahlen ein Beitrag geleistet werden und nicht nur in der bloßen Wahlbeobachtung ...

    Heinlein: ... Frau Roth, käme Eduard Schewardnadse dann mit einem ganz normalen Touristenvisum?

    Roth: Schewardnadse, kommt, würde er kommen, aber wir reden jetzt über das würde, könnte, sollte, hätte, Schewardnadse könnte in der Bundesrepublik Deutschland leben, das war das Angebot. Noch einmal, er hat es nicht geschafft, das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen, er hat es nicht geschafft, seine Nachfolge zu regeln, er hat sich an die Macht geklammert mit Kräften, fragwürdigen Kräften und Seilschaften. Aber, ich glaube, es ist richtig gewesen zu sagen, wenn er kommen will, hat er hier die Möglichkeit zu leben, auch aufgrund seines Beitrags, den er geleistet hat für die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, das heißt aber nicht, dass alles, was er getan hat gerechtfertigt wird ...

    Heinlein: ... Frau Roth, das ist doch diese Sonderbehandlung, die Sie nicht wollen, für Eduard Schewardnadse, das ist dann eine Schieflagen, wenn das deutsche Asylrecht, das ja immer strenger ausgelegt wird, nun für einen Ex-Präsidenten, der aus dem Amt gejagt wird, eingeladen wird offiziell von der Bundesregierung und daheim zudem schweren politischen Vorwürfen ausgesetzt ist?

    Roth: Er ist schweren politischen Vorwürfen ausgesetzt, er ist ausgesetzt dem Vorwurf, dass er es nicht geschafft hat, Georgien eine Zukunft zu eröffnen. Er hat aber gleichwohl hohe Anteile an der bundesdeutschen Entwicklung genommen und ein solcher Schritt, ihm anzubieten, hier bei uns zu leben, was nicht heißt, dass man seine Politik unterstützt in allen Punkten, war ein wichtiger Schritt zu verhindern, dass es zu Gewalt und zu Blutvergießen kommt. Ich finde, das war eine richtige Abwägung, zumal er wahrscheinlich überhaupt nicht kommen wird.

    Heinlein: Lau Medienberichten, Frau Roth, soll Schewardnadse ja in Baden- Baden eine Villa für elf Millionen Euro erworben haben. Haben Sie sich die Frage gestellt, woher dieses Geld stammen könnte?

    Roth: Ich habe mir diese Frage in erster Linie nicht gestellt. Ich habe mir andere Fragen gestellt, was die Zukunft Georgiens angeht. Aber die Tatsache, dass er offensichtlich, und das sind Medienberichte, die ich nicht bestätigen kann, dass es eine Villa in Baden- Baden gibt, zeigt durchaus, dass der Vorwurf von Korruption und von Vetternwirtschaft und von, wie soll ich sagen, eigenartigen, fragwürdigen Seilschaften durchaus berechtigt ist.

    Heinlein: Würde sich herausstellen, dass dieses Geld aus dubiosen Geschäften stammt, aus schwarzen Quellen, aus Korruption und Vetternwirtschaft, würde dies Einfluss haben auf den möglichen Aufenthaltstatus des Ex-Präsidenten?

    Roth: Ich muss Ihnen sagen, es geht mir im Moment viel viel mehr um die Frage, wie kann man dazu beitragen, dass es in Georgien nicht zu einem Blutvergießen kommt, als mich jetzt mit theoretischen Fragen über den Aufenthaltstatus von Schewardnadse in Deutschland zu beschäftigen. Schewardnadse hat angekündigt, er will in Georgien, in seiner Heimat bleiben, es war sehr wichtig und sehr gut, dass der russische Außenminister interveniert hat, sich eingemischt hat, um ihn zum Rücktritt zu bewegen, weil er jetzt die Möglichkeit eröffnet für einen Neubeginn in Georgien, der begleitet werden muss, und zwar massiv auch im Sinne der Menschenrechte begleitet werden muss, und es war wichtig, offensichtlich ein wichtiges zusätzliches Argument, das Schewardnadse zu einem freiwilligen Rückzug bewegt hat, der Blutvergießen verhindert hat, dass er einen Ort hat, wo er leben kann, den er jetzt gar nicht offensichtlich benutzen will.

    Heinlein: Die grünen Politikerin Claudia Roth war das zum Fall Schewardnadse, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Roth: Danke schön Herr Heinlein, auf Wiederhören.