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Rotmilan in Gefahr
"Wir haben eine globale Verantwortung für die Art"

Weil aktuell besonders viele Feldmäuse unterwegs sind und Bauern um ihre Ernte fürchten, wurde ein bisher verbotener Giftköder vorübergehend wieder zugelassen. Christiane Geibel vom Landesbund für Vogelschutz warnte im DLF, dadurch würden auch Vögel wie der Rotmilan, der fast nur in Deutschland zu finden sei, gefährdet.

Christiane Geibel im Gespräch mit Britta Fecke | 18.09.2015
    Ein Rotmilan (Milvus milvus) im Flug. In Deutschland brüten noch 25.000 Paare.
    Ein Rotmilan im Flug. (imago/blickwinkel)
    Britta Fecke: In diesem Jahr gibt es in einigen Regionen besonders viele Feldmäuse. Die Population dieser Tiere schwankt naturgemäß von Jahr zu Jahr. Aufgrund der aktuell hohen Dichte dieser Wühlmausart rechnen Landwirte in Bayern mit Ernteausfällen und deshalb hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz BVL, eine befristete Notfallzulassung für Köder erlassen, die die verbotene Substanz Chlor-Phacinon enthalten. Die Substanz ist schon seit 2007 in der EU nicht mehr zugelassen. Natur- und Umweltschützer sehen diese Art der Feldmausbekämpfung sehr kritisch. - ich bin jetzt verbunden mit Christiane Geibel vom Artenschutzreferat des Landesbundes für Vogelschutz. Frau Geibel, welche Wirkungsweise hat denn das Gift in diesen Ratron-Feldmausködern?
    Christiane Geibel: Hallo erst mal! - Das Gift, das Chlor-Phacinon in den Ratron-Ködern wirkt dahingehend, dass es die Blutgerinnung im Tier, in der Feldmaus quasi aussetzt, sodass die dazu nicht mehr fähig sind und letztendlich an inneren Blutungen sterben.
    Fecke: Das kennt man auch aus den Rattengiften, oder?
    Geibel: Genau. Der Wirkstoff ist ähnlich wie im Rattengift oder Rattengift-Ködern. Das wird quasi in allen Mitteln, die gegen sogenannte Schadsäuger, Ratten, Mäuse, also unliebsame Säugetiere, die man in der Nähe des Menschen haben kann, eingesetzt.
    Fecke: Und wie wird das jetzt auf dem Acker eingesetzt?
    Geibel: Das ist ein Granulat. Das wird breitflächig ausgestreut oder es wird zumindest nicht verdeckt in bestimmten Stationen irgendwo ausgebracht, sondern die Landwirte haben, wenn sie die Genehmigung dafür bekommen, die Möglichkeit, auf ihren Flächen das wirklich, ich sage jetzt mal, handwürfig oberflächlich auszustreuen und damit besteht natürlich die Möglichkeit, dass jedwedes Tier irgendwie an diese Giftköder herankommt.
    Rotmilan und Schleiereule vor dem Artensterben
    Fecke: Wie findet sich denn das Gift dann in der Nahrungskette hinter der Feldmaus?
    Geibel: Wir sehen zum einen große Probleme, dass nicht Zielarten, also andere Tiere als die Feldmaus, zum Beispiel, diese Köder fressen könnten. Etwa der Igel fällt mir da jetzt spontan ein. Aber ganz verstärkt natürlich, dass die Tiere, die sich vorrangig von der Feldmaus ernähren, über diesen Weg, dass sie Feldmäuse fressen und vergiftete Feldmäuse fressen, sich selbst vergiften: zum Beispiel der Mäusebussard, die Schleiereule, der Rotmilan, aber auch andere Säugetiere wie Mauswiesel, Hermelin, der Fuchs oder auch Hauskatzen, wo in einigen Regionen einzelne Tiere Feldmäuse doch fressen.
    Fecke: Welche Arten, die sie gerade genannt haben, sind denn besonders geschützt und wären besonders tragisch betroffen von diesen Giftködern?
    Geibel: Für uns als Landesbund für Vogelschutz ist es natürlich extrem wichtig, dass Arten zum Beispiel wie der Rotmilan da nicht irgendwie beeinträchtigt werden. Deutschland hat den Bestandsschwerpunkt der Art weltweit beherbergt und da wäre es fatal, wenn da Tiere ausfallen, weil wir einfach eine globale Verantwortung für die Art haben. Gleiches gilt für die Schleiereule, die zwar in dem Sinne nicht so bedroht ist wie vielleicht der Rotmilan, aber die doch in den letzten Jahren arge Bestandseinbußen erlitten hat durch die Winter, die zum Teil kalt und hier in Bayern schneereich waren, sodass, wenn da in einem Jahr, wo es mal wieder gut zu laufen scheint, große Ausfälle zu beklagen wären, das schon fatal wäre für die Art.
    Fecke: Können Sie uns ungefähr sagen, wie hoch der Bestand ist vom Rotmilan und von der Schleiereule in Bayern, nur dass wir eine grobe Vorstellung haben?
    Geibel: Da habe ich leider jetzt gerade keine genauen Zahlen an der Hand. Beim Rotmilan, kann ich Ihnen allerdings sagen, ist Bayern das Bundesland, wo wir an der Verbreitungsgrenze des bundesdeutschen Bestandes sind, wo die Art eher Ausbreitungstendenzen zeigt, wo wir einzelne Paare haben, die in Bereichen brüten oder sich angesiedelt haben, wo nicht ganz viele Paare auf einem Haufen sitzen, und es wäre gut, wenn gerade diese einzelnen Randposten überleben, um die Fläche, in der der Rotmilan insgesamt vorkommt, weiterhin zu erhalten oder zu vergrößern.
    Geibel: Mäusejäger aus der Tierwelt müssten gestärkt werden
    Fecke: Welche Methoden kämen denn noch in Frage, um die Ernte zu schützen, wenn diese Giftköder nicht ausgetragen werden?
    Geibel: Für uns ist natürlich das vorrangige Mittel der Wahl, generell die natürlichen Feinde der Feldmaus zu fördern. Das soll jetzt nicht heißen, dass wir Hunderttausende von Füchsen irgendwie in unsere Landschaft propagieren, sondern ganz einfach, dass man tatsächlich was für Eulen und Greifvögel allgemein tut, dass man denen Möglichkeiten bietet, dass die von selbst auf die Feldmaus zugreifen können. Wenn man sich jetzt unsere Landschaft vorstellt, dann ist die natürlich relativ stark ausgeräumt. Bäume fehlen weitestgehend zwischen den einzelnen Ackerschlägen. Die haben keine Möglichkeit, irgendwo sich anzusetzen, um dann ihren Jagdflug, ihren Jagdstoß zu starten. Von daher sind Sitzkrücken vielleicht das erste Mittel der Wahl, aber natürlich langfristig gesehen wäre es vernünftig, wenn man auf eine gescheite Bepflanzung hinarbeitet, dass wieder mehr Bäume in der Landschaft zu finden sind, dass diese natürlichen Beutegreifer, die die Feldmaus fressen, zugreifen können.
    Ein anderes Mittel, was möglich ist, ist tiefes Pflügen, wo man zwar bei den Landwirten gerade darauf hinarbeitet, dass man nicht mehr so arg tief umpflügt, aber in solchen Jahren, wo die Feldmaus im Bestand zunimmt, ist es ein durchaus geeignetes Mittel, wenn man wirklich mit dieser Pflugschaar so tief in den Boden geht, dass die Gänge und auch die Bauten nachhaltig zerstört werden, sodass dort die Bruten von vornherein verhindert oder zerstört werden.
    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzung - Christiane Geibel war das vom Landesbund für Vogelschutz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.