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Rotterdamer Seehafen
Schutz vor Sturmfluten

Die Niederlande sind nahezu eingedeicht, nicht so jedoch Rotterdam. Europas größter Seehafen war bislang vor Sturmfluten sicher, weil er mehrere Meter über dem Meeresspiegel liegt. Doch der wird laut Klimaforschern steigen - dann drohen dem Rotterdamer Hafen verheerende Überflutungen.

Von Volker Mrasek | 13.05.2015
    Rotterdamer Hafen mit Wolken am Horizont.
    Düstere Wolken am Horizont hinter dem Rotterdamer Hafen. (picture alliance / dpa - Victoria Bonn-Meuser)
    Ganz Holland ist von Deichen umstellt. Ganz Holland? Nein! Ein kleiner Teil der Niederlande verfügt gar nicht über Schutzwälle gegen Fluten. Dazu gehört auch Europas größter Seehafen in Rotterdam. Über 40 Kilometer zieht er sich hin - von der Nordsee bis in die Innenstadt. Deiche gibt es dort nur stellenweise. Der Wirtschaftsmathematiker Robin Nicolai arbeitet ganz in der Nähe:
    "Es gibt dort auch eine ganze Reihe von Chemie-Firmen, fünf Öl-Raffinerien und vier Kraftwerke. Es ist ein riesiger Industriekomplex."
    Viele Flächen in den Niederlanden liegen unter dem Meeresspiegel. Der Rotterdamer Hafen aber nicht - er liegt um mehrere Meter darüber. Deswegen war er bisher auch vor Sturmfluten sicher. Doch das könnte sich ändern, wenn der Meeresspiegel steigt, wovon Klimaforscher ausgehen.
    "Es wird damit gerechnet, dass der Meeresspiegel in der Nordsee Ende des Jahrhunderts um 85 Zentimeter höher liegen wird. Schlimmstenfalls könnte es auch ein ganzer Meter sein."
    Robin Nicolai ist Experte für Flut-Risiko-Management. Und arbeitet seit Kurzem an einer Fallstudie, die er jetzt in Kopenhagen vorstellte. Dabei geht es um die Frage, ob der Rotterdamer Hafen nicht besser vor Sturmfluten geschützt werden sollte - auch wenn das vielen heute noch nicht einleuchtet.
    Am Projekt beteiligt ist auch Elko Koks, Doktorand am Institut für Umweltstudien der Freien Universität Amsterdam:
    "Rotterdam ist ein spannender Fall, weil der Hafen so wichtig für Europa ist. Wenn er einmal überflutet würde, dann, denken wir, könnte das desaströse Folgen haben."
    Mahnendes Beispiel vor vier Jahren in Thailand
    Es gibt ein mahnendes Beispiel aus jüngster Zeit. Vor vier Jahren kam es in Thailand zu verheerenden Überschwemmungen, mit denen auch niemand gerechnet hatte. Mehrere Industrieparks standen tagelang unter Wasser. Japanische Autohersteller mussten ihre Produktion einstellen, genauso der Weltmarktführer für Computer-Festplatten.
    Auch bei einer Überschwemmung des Rotterdamer Hafens würden Warenströme ins Stocken geraten:
    "Bei hohen Wasserständen dürfte kein einziges Schiff mehr ein- oder auslaufen. Der Hamburger Hafen und das Ruhrgebiet zum Beispiel sind stark von Gütern abhängig, die über Rotterdam importiert werden. Sie hätten dann keinen Nachschub mehr. Es würde viele Industriezweige in ganz Europa treffen."
    Eine Sturmflut, wie sie im Schnitt alle 10.000 Jahre einmal vorkommt - Koks und Nicolai haben im Computer simuliert, wie sie Ende des Jahrhunderts ausfiele, bei einem stark erhöhten Meeresspiegel. Es ist zwar ein äußerst seltenes Worst-Case-Szenario, wie die beiden Niederländer selbst betonen. Aber an solchen Extremereignissen orientieren sich auch Ingenieure beim Hochwasserschutz.
    "Das Wasser würde die ganzen 45 Kilometer landeinwärts schwappen, der Hafen wäre weitgehend überflutet."
    "In Hoek van Holland, im Westteil des Hafens, würde die Sturmflut eine Höhe von fünf Metern erreichen. Und das Hafengelände stünde ein bis zwei Meter unter Wasser."
    Geplant ist eine Anpassungsstrategie
    Die Forscher wollen jetzt eine geeignete Anpassungsstrategie entwickeln. Der Rotterdamer Hafen wird noch immer ausgebaut. Firmen, die sich neu ansiedeln, sollten ihre Gebäude von vorneherein hochwasserfest gestalten. Das ist ein Vorschlag. Elko Koks kann sich außerdem vorstellen, dass man stellenweise doch kleine Deiche errichtet, etwa zum Schutz der Öl-Raffinerien und Chemiewerke:
    "Bei der Entwicklung der Anpassungsstrategie hätten wir gerne möglichst viele Parteien mit dabei. Jetzt wollen wir erst einmal die ansässigen Firmen und den Hafenbetreiber mit ins Boot holen - und die Planungen gemeinsam vorantreiben."