Dienstag, 19. März 2024

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Roy Moores Niederlage in Alabama
"Ein schlechtes Zeichen für Trump"

Vorwürfe von sexueller Belästigung haben den Republikaner Roy Moore den Sieg bei der Senatswahl in Alabama gekostet. Das Thema, das lange unter der Decke gehalten wurden, könne zu einer gesellschaftlichen Revolution führen, sagte Ex-Botschafter John Kornblum im Dlf - mit ungewissem Ausgang für Trump.

John Kornblum im Gespräch mit Silvia Engels | 13.12.2017
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland
    John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland (imago)
    Silvia Engels: Für US-Beobachter gilt es als Sensation. Bei den Nachwahlen im eigentlich republikanisch dominierten US-Bundesstaat Alabama hat sich der demokratische Bewerber Doug Jones offenbar durchgesetzt. Er schlug nach Auszählung fast aller Stimmen knapp den republikanischen Bewerber Roy Moore. Dem war vorgeworfen worden, Frauen in den 70er- und 80er-Jahren sexuell belästigt zu haben. Deshalb hatte die Parteispitze der Republikaner ihn abgelehnt; US-Präsident Trump hatte Moore allerdings unterstützt.
    Am Telefon ist nun John Kornblum. Unter US-Präsident Clinton war er von 1997 bis Anfang 2001 US-Botschafter in Deutschland. Guten Morgen, Herr Kornblum.
    John Kornblum: Guten Morgen.
    Engels: Wie sehr hat Sie das Wahlergebnis von Alabama überrascht?
    Kornblum: Es hat mich etwas überrascht. Ich meine, unter normalen Umständen wäre ein Kandidat wie Moore überhaupt nicht wählbar gewesen. Aber wie Sie gesagt haben: Alabama ist ja seit Jahrzehnten immer ein Ein-Parteien-Staat. Viele Jahre waren es die Demokraten, nebenbei gesagt, aber nach Lyndon Johnson wechselten alle Wähler zu den Republikanern und seitdem ist der Staat mehr oder weniger republikanisch gewesen. Deshalb ist es überraschend, aber weil der Kandidat so schlecht war, nicht ganz überraschend.
    Engels: Das heißt, diese Wahl war nicht wirklich eine Unterstützung für die Demokraten, sondern die Wähler haben mehrheitlich die Person von Roy Moore abgelehnt, dem ja seit Monaten sexuelle Belästigung vorgehalten worden war?
    Kornblum: Ja, teilweise. Aber auch sehr wichtig – und das ist vielleicht für die Zukunft wichtiger als Moore selber – ist, dass bei dieser Wahl die Demokraten die afroamerikanischen Wähler mobilisieren konnten. Das ist eine sehr wichtige Gruppe im Lande. Die Republikaner versuchen, sie immer ein bisschen zu unterdrücken, aber sie gehen auch, wollen wir sagen, sehr oft nicht zur Wahl aus verschiedenen, auch gesellschaftlichen Gründen. In Alabama sind sie jetzt in großen Scharen zur Wahl gegangen.
    "Trump steht jetzt auch als Verlierer da"
    Engels: Nun ist es ja so, dass US-Präsident Trump Moore unterstützt hatte. Führende Republikaner hatten ihn dagegen abgelehnt. Ist das Wahlergebnis jetzt auch eine klare Niederlage Trumps?
    Kornblum: Ja, es ist eine klare Niederlage. Man darf aber nicht vergessen, bei den Vorwahlen hat Trump Moore nicht unterstützt. Er hat sogar stark gegen ihn gewählt. Aber dann, nachdem er Kandidat wurde, und auch, nachdem es so viele Gegenstimmen gegen ihn gegeben hat, hat Trump sich entschlossen, ihn doch zu unterstützen, vielleicht aus Trotz. Ich weiß es nicht. Aber das war eine sehr schlechte Entscheidung von seiner Seite und jetzt steht er auch als Verlierer da.
    Engels: Trotz ist ja in der Tat etwas, was man nicht ganz ausschließen kann. Wie tief ist denn mittlerweile die Republikanische Partei auch durch diese Unklarheit gespalten?
    Kornblum: Ich glaube, ziemlich gespalten. Die Partei war natürlich nicht für Trump am Anfang. In letzter Zeit haben sie ihn mehr oder weniger unterstützt, weil sie eigentlich keine Wahl hatten. Aber jetzt sehen sie, dass nicht nur diese Wahl, sondern auch sein eigenes Verhalten – ich meine, es gibt ja genug Probleme mit sexueller Belästigung bei ihm persönlich. Es kann sein, dass die Republikaner jetzt ganz stark überlegen werden, ob sie ihn so eindeutig unterstützen werden oder nicht.
    Engels: Da kommen wir zum nächsten Thema, denn das Ergebnis hat ja direkte Folgen für die US-Bundesebene. Die republikanische Senatsmehrheit schrumpft mit dem Wahlergebnis von Alabama nun auf nur noch einen Sitz. Kombiniert mit der Kritik, die im republikanischen Lager sowieso stärker wird an der Person Trump, kann der Präsident noch darauf setzen, seine Vorhaben irgendwie durchzusetzen?
    Kornblum: Na ja, bis jetzt hat er keine Vorhaben durchgesetzt. Die Steuerreform ist jetzt das Beispiel, das für die Republikaner auch sehr wichtig ist. Die Mathematik ist sehr kompliziert. Wir werden sehen, wie das sich auswirkt. Aber mindestens kann man sagen, dass die Republikaner einen Sitz verloren haben und jetzt noch eine Mehrheit von zwei haben statt drei. Das wird alles schwieriger machen und es wird es für ihn besonders schwierig machen, sich überhaupt darzustellen mit einem Programm, das er durchgekriegt hat.
    Engels: Welche Dinge sehen Sie da besonders auf der Kippe?
    Kornblum: Wirtschaftspolitik im Allgemeinen, aber auch seine Einwanderungspolitik. Und ein Punkt, wo er sowieso schwach war, wo die Republikaner ihn nur begrenzt unterstützt haben, und das ist die Außenpolitik. Der Kongress braucht nicht sehr oft über Außenpolitik zu stimmen, aber hin und wieder doch, und es hat schon mehrere Beispiele gegeben, wo die Republikaner gegen ihn waren, sagen wir in Sanktionen gegen Russland, sagen wir mit dem Abkommen mit Iran. Da war er sowieso schwach und jetzt wird er schwächer sein.
    "Thema sexuelle Belästigung wurde immer unter der Decke gehalten"
    Engels: Die Person Trumps ist das eine, aber dieses Wahlergebnis hat ja noch eine andere Komponente. Zeigt diese Ablehnung Moores, dass das Thema sexueller Belästigung im Zusammenhang mit Machtmissbrauch mittlerweile in der Breite der US-amerikanischen Gesellschaft angekommen ist und solche Verhaltensweisen doch kategorischer abgelehnt werden?
    Kornblum: Ja, würde ich sagen. Aber ich würde es etwas anders herum in der amerikanischen Gesellschaft diskutieren oder beschreiben. Unsere Gesellschaft ist eine sehr unbeständige auf verschiedenen Weisen und es dauert eine Weile, bis Themen hochkommen. Aber wenn sie denn hochkommen, werden sie sehr schnell zu allgemeinen Themen. Und die Frage von sexueller Belästigung ist, wie wir wissen, seit Jahrhunderten, Jahrtausenden, wenn man sagen möchte, da. Es wurde immer unter der Decke gehalten. Jetzt ist die Decke irgendwie durchgebrochen worden und ich glaube, das wird jetzt bleiben - genauso wie zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe vor ein paar Jahren. Das war auch lange, lange Jahre unterdrückt. Auf einmal brach es durch und dann hat es eine richtige gesellschaftliche Revolution mit sich gebracht. Ich glaube, dieses Thema wird auch jetzt instrumentalisiert und sehr viel auch in Wahlkämpfen eine Rolle spielen, und das ist für Trump natürlich wirklich ein schlechtes Zeichen, weil er ist wahrscheinlich der erste, den man auch angreifen kann in dieser Sache.
    Engels: Gehen Sie davon aus, dass dieses Thema – und in der Tat gab es ja schon vor der Wahl Trumps in dieser Richtung sehr konkrete Vorwürfe, die jetzt erneuert wurden -, dass dies auch wirklich möglicherweise zu einem vorzeitigen Ende seiner Präsidentschaft führen könnte?
    Kornblum: Das ist schwer zu sagen. Die amerikanische Verfassung macht es fast unmöglich, einen Präsidenten des Amtes zu entheben. Es ist möglich, aber sehr, sehr schwierig. Wenn er einmal gewählt ist, ist er fest im Sattel. Die Frage ist nicht nur, ob seine politische Position untragbar sein wird, sondern ob er persönlich auch den Druck aushält. In den letzten Wochen sieht es sehr danach aus, als ob er wirklich unter Druck ist und dass er psychologisch auch nicht mitkommt. Das werden wir in den nächsten Monaten sehen. Aber ich glaube, für die Politik und auch für Europäer, die Amerika anschauen, ist es wichtig, nicht zu erwarten, dass Trump nicht da ist. Es ist wichtiger, dass man versucht, dort Politik in den bestehenden Umständen zu machen.
    Engels: John Kornblum war das, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Kornblum: Ich bedanke mich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.