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Rücktritt von Jacob Zuma
"Eine fantastische Nachricht für Südafrika"

Die Ära Jacob Zuma stehe für Korruption und Unterwanderung staatlicher Institutionen, sagte Layla Al-Zubaidi von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kapstadt. Dennoch habe die südafrikanische Justiz unter dem zurückgetretenen Präsidenten funktioniert. Unter dem neuen Präsidenten, Cyril Ramaphosa, könne sich das Land reformieren.

Layla Al-Zubaidi im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 15.02.2018
    Südafrikas Präsident Jacob Zuma bei einer Ansprache an die Nation am 14. Februar 2018.
    Südafrikas Präsident Jacob Zuma erklärt bei einer Rede am 14. Februar 2018 seinen Rücktritt. (AFP / Phill Magakoe)
    Dirk-Oliver Heckmann: Jacob Zuma, seit fast zehn Jahren ist er Präsident Südafrikas, war er, muss man jetzt allerdings sagen, denn nachdem der Druck immer stärker wurde, auch aus der eigenen Partei, dem ANC, da hat er gestern Abend im Fernsehen seinen sofortigen Rücktritt bekanntgegeben. Er kam damit seiner Abwahl im Parlament zuvor. Am Telefon begrüße ich Layla Al-Zubaidi, sie ist Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Kapstadt. Schönen guten Tag!
    Layla Al-Zubaidi: Guten Morgen!
    Heckmann: Der Rücktritt von Zuma, ist das eine gute Nachricht für Südafrika?
    Al-Zubaidi: Ja, das ist eine fantastische Nachricht für Südafrika. Also die Südafrikaner freuen sich riesig und warten ganz gebannt darauf, was heute im Parlament passiert. Es wird ja erwartet, dass der jetzige Vizepräsident Cyril Ramaphosa Präsident wird. Also halten nur den Atem an und sind froh, dass der Alptraum der letzten Jahre vorbei ist.
    "ANC war komplizenhaft involviert oder hat profitiert"
    Heckmann: Alle Südafrikaner freuen sich, sagen Sie, aber Jacob Zuma hatte ja auch Anhänger. Was ist mit denen?
    Al-Zubaidi: Hatte er, und er hatte auch im ANC Anhänger und Unterstützer gehabt. Die Top Six der Partei teilen sich 50 zu 50 in seine ehemaligen Anhänger, und das ist natürlich auch eine Herausforderung für die Partei, sich zu erneuern. Es gibt sicherlich auch Bevölkerungsteile, die traurig sind, dass er geht, aber insgesamt ist es eine gute Nachricht, und es wird auch von der Mehrheit der Bevölkerung so gesehen. Es haben natürlich viele von ihm profitiert, und deswegen sind einige nicht glücklich über die neue Wahl.
    Heckmann: Ist das der Grund dafür, dass Zuma so lange den politischen Rückhalt auch seines ANC hatte?
    Al-Zubaidi: Ja, also wenn man sich den ANC ansieht und die Korruption, die auch stattgefunden hat auf politischer Ebene in den vergangenen Jahren, hat der ANC das natürlich auch mitgetragen, also war entweder komplizenhaft involviert oder hat selbst profitiert. Und da hat sich mit der letzten Konferenz im Dezember, wo Cyril Ramaphosa zum Parteipräsidenten wurde, die Macht etwas verschoben, aber es handelt sich trotzdem um einen Drahtseilakt, auch jetzt, um Zuma aus dem Amt zu bekommen. Das war nicht einfach, aber dadurch, dass er jetzt raus ist, dass Cyril Ramaphosa jetzt den Ton angeben wird, kann man schon erwarten, dass sich einige Blockaden lösen, wo es vorher geklemmt hat.
    Heckmann: Aber wenn Sie sagen, dass Jacob Zuma sich deswegen auch so lange halten konnte, weil viele profitiert haben und weil er Verbündete hatte im ANC, muss man dann sagen, nicht nur Jacob Zuma war korrupt und ist korrupt, sondern der ANC insgesamt?
    "Auf Zuma warten über 780 Anklagen vor Gericht"
    Al-Zubaidi: Der ANC ist eine sehr große Organisation mit unterschiedlichen Fraktionen. Es ist sicherlich so, dass, man kann schon sagen: die Hälfte des jetzigen Entscheidungsgremiums des ANC und auch der wichtigsten Posten im ANC auf jeden Fall zu denen gehören, die Zuma unterstützt haben, und deswegen wird es für die Partei sehr schwierig, Einheit zu bewahren, auch wenn es um Strafverfolgung zum Beispiel geht. Auf Zuma warten ja über 780 Anklagen vor Gericht, die er bis jetzt immer geschafft hat auszusetzen, und in diese Anklagen sind natürlich auch viele seiner Parteikollegen impliziert. Das heißt, der ANC muss jetzt wirklich zeigen, dass er das Ruder umreißen kann und dass er sich selbst reformieren kann, und da gibt es natürlich noch viel Skepsis.
    Heckmann: Das wird abzuwarten sein. Cyril Ramaphosa, Sie haben es gerade eben schon gesagt, der bisherige Vizepräsident, der wird jetzt übernehmen. Er steht für den Kampf gegen Korruption, gegen Nepotismus, zumindest hat er das immer wieder verbal so ausgedrückt. Kann man ihm glauben?
    "Es liegt an der Gesellschaft, das zu überwachen"
    Al-Zubaidi: Ich denke schon, dass man ihm glauben kann, dass er wirklich eine neue Zukunft einleiten möchte. Das Problem ist, er war ja in den vergangenen Jahren selbst Vizepräsident und sozusagen dabei, und das, was Zuma betrieben hat, geht über Korruption hinaus. Er hat wirklich systematisch ein Schatten… [O-Ton an dieser Stelle unverständlich, Anm. d. Red.]. Er hat die staatlichen Institutionen unterwandern lassen, die umbesetzt, er hat sich des Geheimdienstes bedient, um politische Gegner einzuschüchtern, er hat seine Geschäftspartner Einfluss auf die Politik nehmen lassen. Bei all dem hat Cyril Ramaphosa zugeschaut, wenn auch mit zugebissenen Zähnen, weil er natürlich selber irgendwann an die Macht wollte, aber da muss er sich auch in Zukunft rechtfertigen und wirklich zeigen, dass er das anders machen kann. Ich denke schon, dass er gute Absichten hat, aber es liegt natürlich an der Gesellschaft und an der Öffentlichkeit, das zu überwachen und ihn dann auch zur Rechenschaft zu ziehen.
    Heckmann: Und kann das die Gesellschaft?
    Al-Zubaidi: Ich denke, dass die Gesellschaft, dass die demokratischen Institutionen, auch die Mediengesellschaft gestärkt hervorgegangen sind aus den vergangenen Jahren, weil sie wirklich versucht haben, gegenzuhalten. Es gab eine sehr kritische Berichterstattung, es gab mutige Richter, die Justiz hat funktioniert, und wir haben alle auch dazu beigetragen, dass es jetzt zu diesem Ergebnis gekommen ist, und die müssen eben jetzt sich nicht zurücklehnen und sagen, mit Ramaphosa kommt jetzt der Retter Südafrikas, sondern eben hart weiterarbeiten und auch zusehen, dass die staatliche Untersuchungskommission zum State Capture, also zur Kaperung des Staates stattfindet und dass die Verantwortlichen, die sich auch jetzt noch im ANC befinden, zur Verantwortung gezogen werden.
    Heckmann: Aber wenn man jetzt feststellt, dass Jacob Zuma fast zehn Jahre im Amt gewesen ist, sie haben gerade eben gesagt, er hat dafür gesorgt, dass die staatlichen Systeme unterwandert worden sind, durch ihn und seine Leute, kann man denn eigentlich davon sprechen, dass es sich bei Südafrika um einen Rechtsstaat, eine Demokratie noch handelt?
    "Die Ministerien, die arbeiten eigentlich professionell"
    Al-Zubaidi: Es ist schon interessant, das kann man schon noch sagen. Also die Justiz hat immer sehr gut funktioniert, bis auf die Staatsanwaltschaft, an deren Spitze Herr Zuma einen Loyalisten gestellt hat –
    Heckmann: Und die ist ja auch wichtig.
    Al-Zubaidi: Die ist natürlich sehr wichtig, und er hat dafür gesorgt, dass diese Strafbestände gegen Zuma ausgesetzt wurden, aber es ist interessant, dass diese Blockaden sich in den vergangenen Wochen nach der Dezemberwahl, dass sich da einiges gelöst hat. Also plötzlich musste der sehr korrupte Vorstand des staatlichen Stromversorgers zurücktreten, in der Staatsanwaltschaft laufen plötzlich die Strafverfahren. Also da scheint einiges jetzt losgetreten worden zu sein, einfach nur, weil sich die politische Führerschaft geändert hat. Es gibt sehr fähige Funktionäre in Südafrika, die Ministerien, die arbeiten eigentlich professionell. Da war was blockiert, auch an den Spitzen, und da müssen natürlich jetzt Personalwechsel stattfinden, aber ansonsten habe ich keinen Zweifel, dass Südafrika sich auch reformieren kann, und …
    Heckmann: Das heißt, der 14. … Ja, pardon?
    Al-Zubaidi: Südafrika steht vor einer Mammutaufgabe. Im Grunde ist die größte Aufgabe, diese soziale Kluft wieder auszugleichen, die die Apartheid hinterlassen hat, und dafür braucht man eine funktionierende Regierung, funktionierende staatliche Institutionen. Das war alles in den vergangenen Jahren blockiert, und das sind natürlich verlorene Jahre für das Land, die jetzt aufgeholt werden müssen.
    Heckmann: Das heißt, ganz kurz noch, der 14. Februar, der gestrige Tag, war ein Tag der Befreiung?
    Al-Zubaidi: Kann man so sagen. Ja.
    Heckmann: Und Sie blicken mit Optimismus in die Zukunft des Landes?
    Al-Zubaidi: Mit einer gesunden Skepsis, ja, das auch.
    Heckmann: Gut, ganz herzlichen Dank für Ihre Einordnung, das war sehr interessant. Layla Al-Zubaidi war das, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Kapstadt. Schöne Grüße dorthin und schönen Tag!
    Al-Zubaidi: Dankeschön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.