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Rüstungsexporte
"Gabriel kann restriktiver werden"

Wirtschaftsminister Gabriel werde zumindest versuchen, die Rüstungsexporte in Staaten außerhalb der NATO zu verringern, sagte Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedens- und Konfliktforschung im DLF. Allerdings sei sein Spielraum begrenzt und der Druck der Befürworter solcher Verkäufe groß.

Michael Brzoska im Gespräch mit Petra Ensminger | 12.06.2014
    Aktivisten demonstrieren vor dem Reichstag in Berlin gegen deutsche Rüstungsexporte. Mit 100 bombenähnlichen, mit Helium gefüllten Ballons, soll bei der Kunstaktion die ausgehenden Rüstungsexporte symbolisiert werden.
    Aktivisten demonstrieren vor dem Reichstag in Berlin gegen deutsche Rüstungsexporte. (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
    Tobias Armbrüster: Es ist eine Entwicklung, die viele Menschen mit einem gewissen Unbehagen beobachten. Deutschland hat im vergangenen Jahr seine Rüstungsexporte noch einmal deutlich gesteigert: um etwa ein Viertel auf Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von knapp sechs Milliarden Euro. Besonders brisant daran ist, dass immer mehr Waffen in Staaten außerhalb der NATO gehen, auch in Länder mit einer eher zweifelhaften Menschenrechtslage. Die Zahlen und Angaben wurden gestern im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung veröffentlicht und meine Kollegin Petra Ensminger hat darüber mit Michael Brzoska gesprochen. Er ist wissenschaftlicher Direktor am Institut für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Hamburg, und es ging in dem Gespräch zunächst um die Haltung der Bundesregierung.
    Petra Ensminger: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat angekündigt, künftig die Öffentlichkeit häufiger zu informieren, so offen wie möglich über Rüstungsdeals zu sprechen. Er will den Export vor allem von Kleinwaffen und Panzern einschränken. Dennoch: Den Bericht über die Lieferung deutscher Waffen in aller Welt, den mochte er heute lieber nicht selber vorstellen. Weil er sich womöglich nicht traute? Wie ist Ihre Einschätzung?
    Michael Brzoska: Ich denke eher, dass er damit deutlich machen wollte, dass er ja nur für einen minikleinen Anteil der Genehmigungen im Jahre 2013 verantwortlich ist, denn die Regierung hat ja erst ganz gegen Ende des Jahres ihre Tätigkeit aufgenommen, und insofern sind die Genehmigungen, über die das Wirtschaftsministerium berichtet hat, ja Genehmigungen, die von der vorhergehenden Regierung ausgesprochen worden sind.
    Ensminger: Das heißt, Sie glauben ihm das, dass er es schafft, im kommenden Bericht dann weniger ausweisen zu müssen?
    Brzoska: Ich gehe mal davon aus, dass er zumindest das versuchen wird. Es ist immer schwierig, das in den Zahlen dann wirklich abzulesen, denn die werden natürlich nicht nur von den Entscheidungen der Bundesregierung beeinflusst, sondern auch vor allen Dingen von der Nachfrage, wer denn jetzt überhaupt deutsche Waffen kaufen will, und es könnte natürlich sein, dass Herr Gabriel das Pech hat, dass diese Nachfrage Anfang diesen Jahres besonders hoch war und er dann trotz einiger Ablehnungen dann am Ende hohe Zahlen hat. Insofern wird er wahrscheinlich vermutlich versuchen, auch über Ablehnungen stärker zu berichten, obwohl das eigentlich in dem Bericht bisher jedenfalls kaum vorkam.
    "Nicht alle Bundesregierungen haben immer gleich viel genehmigt"
    Ensminger: Das heißt, unterm Strich aber wird er womöglich gar nicht so viel restriktive Exportpolitik betreiben können, wie er sich es auf die Fahne schreiben möchte?
    Brzoska: Ja, ich denke schon, er kann restriktiver werden. Wir haben ja auch schon in der Vergangenheit Zeiten gehabt, etwa Anfang des Jahrtausends, als damals eine rot-grüne Regierung war, die durchaus restriktiver war. Also es ist nicht so, dass alle Bundesregierungen immer gleich viel genehmigt haben, in gleichem Umfang genehmigt haben.
    Ensminger: Ich höre ein "Aber" heraus.
    Brzoska: Ja. Es ist aber schon so, dass es natürlich schwierig ist, jetzt Geschäfte, die in der Vergangenheit schon mal genehmigt worden sind, dann zu verbieten, weil natürlich dann auch die Staaten, um die es geht, beleidigt sind. Nehmen wir ein Beispiel: Saudi-Arabien. Sie haben jetzt in den letzten Jahren sehr viel bekommen, Panzer bisher noch nicht, soweit wir wissen, obwohl das ja auch unklar ist, und die sind natürlich nicht begeistert, wenn jetzt Gabriel sagt, gepanzerte Fahrzeuge auf gar keinen Fall nicht und auch Kleinwaffen, die sie in diesem Jahr noch in großem Umfang bekommen, die werden wir in Zukunft nicht mehr nach Saudi-Arabien liefern.
    Ensminger: Aber welchen Druck könnten denn solche Länder dann machen, dass doch geliefert wird?
    Brzoska: Sie können natürlich das verbinden mit anderen Geschäften und sagen, wenn ihr uns keine Waffen mehr liefert, dann werden wir auch deutsche Firmen etwa im Bereich des Bauwesens nicht mehr so gut bedienen, oder auch insgesamt uns überlegen, ob wir noch deutsche Waren in dem Umfang kaufen. Obwohl: Solche Bedrohungen, die sind in der Vergangenheit immer mal wieder bei Regierungen, die restriktiver waren, ausgesprochen worden. Viel in der Realität ist dann nicht passiert, weil letztlich wird dann doch gekauft, was Qualität hat.
    "Immerhin 10.000 Arbeitsplätze, um die es gehen könnte"
    Ensminger: Da ist der Druck vonseiten der Länder, die möglicherweise Interesse an den Exporten haben, auf der anderen Seite ja auch die heimische Rüstungsindustrie, die sich bereits zu Wort gemeldet hat. Sie droht mit Arbeitsplatzverlusten. Ein Argument, das möglicherweise auch ziehen kann, weil ja letztendlich auch der Wirtschaftsminister sich rechtfertigen muss auch vor den Abgeordneten?
    Brzoska: Natürlich. Auch das ist ein Argument, was eine große Rolle spielt, wobei man darf nicht übersehen, dass wir hier jetzt nicht über riesige Anzahlen von Arbeitsplätzen sprechen. Der gesamte Rüstungsexport, da sind vielleicht 30.000 Personen beschäftigt. Wenn man dann die Länder EU, NATO abzieht, in die eigentlich alle liefern wollen, dann bleiben vielleicht noch 10.000 über. Aber es sind immerhin 10.000 Arbeitsplätze, um die es gehen könnte. Das ist natürlich schon etwas, wo ein Wirtschaftsminister dann auch sich rechtfertigen muss, insbesondere weil es zum Teil auch strukturschwache Gebiete sind, wenn wir etwa an Kleinwaffen denken, wo Heckler & Koch im Schwarzwald die größte Firma ist, oder wenn es um Schiffe gehen sollte, die Werft in Norddeutschland. Sicherlich: Es wird auch auf den Wirtschaftsminister erheblicher Druck ausgeübt werden, in der Rüstungsexportpolitik nicht zu restriktiv zu werden.
    Ensminger: Und das wirft ja auch die Frage auf, warum soll man denn eigentlich restriktiv werden. Da gibt es ja auch noch das Argument, das auch in der Bundesregierung durchaus vertreten wird, dass bei schwelenden Konflikten womöglich mit Waffenlieferungen für mehr Stabilität gesorgt werden könnte. Ist das so?
    Brzoska: Es gibt wahrscheinlich solche Fälle, wobei es ist immer schwierig zu beurteilen, ob jetzt wirklich es daran gelegen hat, dass da mehr Waffen waren, dass da Stabilität gehalten wurde, oder ob es nicht doch eher umgekehrt war wie in einigen anderen Fällen. Es ist immer schwierig, zu entscheiden, denken wir an Saudi-Arabien etwa, ob es wirklich sinnvoll ist, Saudi-Arabien aufzurüsten gegen den Iran. Da kann man seine Zweifel haben, denke ich. Aber dieses Argument ist wie gesagt immer schwer zu widerlegen. Es ist aber wichtiger, glaube ich, für die Frage, ob man jetzt liefern soll oder nicht, dass die Bundesregierung natürlich vermeiden will, dass es dann letztendlich dazu kommt, dass Kriege mit deutschen Waffen ausgeführt werden, und das ist leider in der Vergangenheit öfter passiert und nie auszuschließen.
    Armbrüster: Michael Brzoska war das, der wissenschaftliche Direktor am Institut für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Hamburg, gestern Abend im Gespräch mit meiner Kollegin Petra Ensminger, und es ging um die noch einmal deutlich gesteigerte Zahl der Rüstungsexporte aus der Bundesrepublik in alle Welt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.