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Rütteltisch für Brennstoffzelle

Technik. - Die Wasserstofftechnologie gilt als ein Weg aus der drohenden Klimakatastrophe: Würden die Autos von Brennstoffzellen angetrieben, so würden sie mit Wasserstoff fahren und als Abgas nur Wasser ausstoßen und kein Treibhausgas CO2. Doch die Technik dafür ist noch wenig erprobt. Deshalb hat die Europäische Kommission in ihrem "Institut für Energie" im niederländischen Petten gestern zwei Teststände eröffnet.

Von Frank Grotelüschen | 08.07.2005
    "In diesem Gebäude steckt unser neuer Teststand für Hochdruck-Gastanks. Die Betonmauern sind einen Meter dick, und sie sind von einer drei Meter dicken Sandschicht bedeckt. Im Sand stecken mehrere Lagen einer Textilplane. Und der einzige Eingang zum Gebäude ist eine 40-Tonnen-Schiebetür."

    Hugues Crutzen steht vor dem Bunker, wie er ihn nennt. Von der Seite sieht der sandbedeckte Bau fast aus wie eine der Dünen, zwischen denen das Institut für Energie liegt, nur ein paar hundert Meter von der Nordsee entfernt. Sollte im Bunker ein Hochdrucktank explodieren - außen würde man davon nur wenig merken. Crutzen und seine Kollegen testen hier die neueste Generation Wasserstofftanks. Ein kräftiger Kompressor drückt das Gas in die Tanks, bis es einen Druck von 350 Bar erreicht hat, den 350fachen Atmosphärendruck. So ein Hochdrucktank ist keine simple Metallbox wie ein Benzintank. Er besteht aus einer komplexen Sandwichstruktur. Crutzen zeigt auf eine schwarze Röhre, knapp so groß wie eine Mülltonne:

    "Es ist eine große Kunststoffflasche, sie fasst 126 Liter. Damit die Flasche den Druck aushält, ist sie mit einem Mantel aus Kohlefaser umgeben - sehr leicht, aber sehr stabil. Der Kohlefasermantel ist noch mit einer Hülle aus Glasfasern beschichtet. Das macht den Tank kratzfest und wetterbeständig."
    Die Sicherheitsstandards der Wasserstofftanks sind deutlich höher als bei gewöhnlichen Tanks für Benzin oder Diesel. Crutzen:

    "Die Tanks müssen unglaubliche Tests bestehen: Man lässt sie aus großer Höhe fallen. Sie müssen schusssicher sein: Das heißt, man feuert mit einem Gewehr drauf, und trotzdem dürfen sie nicht lecken. Und man legt die gefüllten Tanks minutenlang ins Feuer - und sie dürfen nicht explodieren."

    Um einen Tank zu testen, füllen und leeren ihn die Forscher - wie einen richtigen Autotank - Tausende Mal nacheinander. Im Laufe der Zeit altert das Material, und die Tankwand neigt dazu, immer mehr Wasserstoff passieren zu lassen - ein Sicherheitsrisiko. Denn wenn der Wagen in der Garage steht, könnte sich der Wasserstoff in der Luft anreichern und beim kleinsten Funken explodieren. Deshalb macht Hugues Crutzen einen Lecktest, und der Tank kommt in eine gut mannshohe Kammer aus massivem Stahl:

    "Wenn Wasserstoff aus dem Tank leckt, wird er zu einem Gasdetektor geleitet. Dieser Detektor misst die Konzentration des Gases - woraus wir ermitteln können, wie viel Wasserstoff aus dem Tank entweicht."

    Bislang gilt: Pro Liter Tankinhalt darf ein Tank in einer Stunde nicht mehr als einen Milliliter Wasserstoff verlieren. Doch das ist nur ein vorläufiger Grenzwert. Den endgültigen muss die Europäische Union noch festlegen. Crutzen:

    "Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Tank explodiert, ist sehr, sehr klein. Ich garantiere Ihnen, dass das Risiko kleiner ist als bei einem schweren Unfall mit einem Diesel- oder Benzintank."

    Wir gehen in eine andere Halle. Dort wartet Marc Steen, er zeigt uns eine kleine quadratische Kammer mit Metallwänden. Drinnen schaukelt ein wuchtiger Stahltisch im Sekundentakt hin und her. Stehen:

    "Das ist unser Teststand für Brennstoffzellen. Hier prüfen wir, wie leistungsfähig die Zellen sind. Manche Straßen in der Europäischen Union sind ziemlich holprig. Auf ihnen wird eine Brennstoffzelle ziemlich durchgerüttelt. Genau das können wir mit unserem Rütteltisch simulieren."

    Die Brennstoffzelle als Autoantrieb ist noch wenig erprobt. Vor allem bei starker Kälte macht der Betrieb noch Probleme. Mit ihrem neuen Teststand wollen die EU-Forscher unter anderem herausfinden, ob die Zellen auch bei den extremsten Bedingungen noch funktionieren. Stehen:

    "Wir können in der Kammer eine Temperatur von minus 40 Grad bis plus 60 Grad einstellen, sagt Steen, also den Winter in Lappland wie den Sommer in der Algarve."