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Rugby in Südafrika
Ein Hort der Schwulenfeindlichkeit

Rugby ist Nationalsport in Südafrika – und traditionell ein Hort von Testosteron und Hyper-Männlichkeit. Schwule Männer werden hier oft als Schwuchtel und Weicheier verspottet. Das Team der "Jozi Cats" in Johannesburg kämpft mit Muskeln und Humor gegen solche Vorurteile – auf und neben dem Rugby-Feld.

Von Jan-Philippe Schlüter | 22.10.2016
    Südafrika und Neuseeland bei einem Spiel der International Rugby Championchip 2016 in Durban, Südafrika.
    Südafrika und Neuseeland bei einem Spiel der International Rugby Championchip 2016 in Durban, Südafrika. (imago sportfotodienst)
    Schwuchtel, Tucke, Tunte – diese und andere Beschimpfungen, die weit unter der Gürtellinie sind, prangen in Großbuchstaben auf den Hochglanzfotos. Darunter kräftige Männer mit grimmigem Blick im Rugby-Outfit. Schockierend?
    Nur wer genau hinsieht, erkennt die Details, die nicht so recht dazu passen. Einer der Spieler trägt eine goldene Prinzessinnen-Krone auf dem Kopf. Ein anderer eine lila Blume in der Hand. Die Jozi Cats machen sich die homophoben Schimpfwörter einfach zu Eigen – und werben damit in einer aufsehenerregenden, selbstironischen Kampagne um neue Mitspieler.
    "Hypermaskuliner Sport"
    Ein Platz, an dem sie sie selbst sein können. Das ist den Spielern rund um Clubpräsident Teveshan Kuni wichtig. Denn Rugby in Südafrika ist – ähnlich wie American Football in den USA oder Fußball in Deutschland – oft noch ein Hort der Schwulenfeindlichkeit.
    "Rugby ist hier dieser macho-brutale, hypermaskuline Sport. Als offen oder verkappt schwuler Mann ist es sehr schwer, in so einem Umfeld zu sein. Man wird mit Vorurteilen bis hin zu Hass konfrontiert. Für die meisten unserer Spieler kam es einfach nicht in Frage, in einen solchen Verein zu gehen."
    Der "Zoo Lake Sports Club” in Johannesburg. Einmal die Woche findet hier abends unter Flutlicht ein Touch-Rugby-Turnier statt. Touch-Rugby ist sozusagen die körperlose Einsteigervariante in den Rugby-Sport. Harter Körperkontakt ist verboten. Gefragt sind Schnelligkeit, Taktik und vor allem eine gute Kondition. Seit fünf Jahren spielen die Jozi Cats hier mit. Anders als in den Umkleidekabinen der klassischen Kontakt-Rugby-Clubs, sind die Spieler um Teveshan hier nie mit blöden Sprüchen konfrontiert worden.
    "Wir sind wirklich positiv überrascht worden und konnten kaum glauben, wie gut wir aufgenommen worden sind. Keine einzige Mannschaft war uns gegenüber unfreundlich. Wir bekommen mittlerweile sogar Einladungen zu Turnieren aus dem ganzen Land. Manche finden in ziemlich konservativen Gegenden statt. Das hätten wir vorher nicht gedacht."
    Anfeindungen im Netz
    Das heißt nicht, dass die Jozi Cats nicht auch blöd angemacht worden wären. Allerdings haben diese schwulenfeindlichen Anfeindungen nicht auf dem Platz stattgefunden.
    "Die meisten negativen Anfeindungen erleben wir online. Sowohl auf südafrikanischen als auch auf internationalen Portalen, die über uns berichten. In den Kommentarspalten unter den Artikeln geht es teilweise ziemlich brutal zu. Aber wir reagieren da gar nicht drauf. So können die Menschen selbst reflektieren, wie es in unserer Gesellschaft manchmal abgeht."
    Südafrika hat eine der liberalsten Verfassungen der Welt. Homosexuelle dürfen hier sogar heiraten. Im Alltag sieht es allerdings oft anders aus. Denn die südafrikanische Gesellschaft ist sehr konservativ. Besonders homosexuelle schwarze Frauen leiden darunter. Immer wieder kommt es zu grausamen Verbrechen gegen sie. "Correctional Rape" wird die barbarische Praxis genannt, bei der Männer lesbische Frauen vergewaltigen, um ihnen die Homosexualität auszutreiben.
    Die Jozi Cats möchten zumindest in ihrem Umfeld, in der Johannesburger Rugby-Welt, ein Umdenken fördern. Gerade bereiten sie sich auf ihre ersten Spiele im richtigen, rauen Kontakt-Rugby vor. Ihre Trainer sind übrigens hetero – und von den körperlich robusten Cats-Spielern ziemlich angetan.
    Wunsch nach mehr "Coming-Outs" im Profi-Sport
    Vereinspräsident Teveshan hat drei große Träume: Erstens möchte er mit seinem Team mal in einer der regionalen Rugby-Ligen antreten. Zweitens wünscht er sich, dass mal ein homosexueller südafrikanischer Rugby-Profi sein Coming-Out wagt. Internationale Vorbilder dafür gibt es: Der Waliser Gareth Thomas, der Engländer Keegan Hirst und der Australier Ian Roberts haben es vorgemacht.
    "Ich denke in unseren Profiligen gibt es einige schwule Spieler. Wir hoffen, dass wir ihnen ein wenig Mut machen können. Aber momentan würden sie mit einem Coming-Out vielleicht ihre Karriere riskieren, weil das Umfeld nicht so vorurteilsfrei ist. Jede Faser meines Körpers sagt: Ja, kommt schon, traut Euch! Und wir hoffen, dass wir an der Basis unseren Teil dazu beitragen können."
    Der dritte Traum von Teveshan ist fast schon ein wenig klischeehaft: Natürlich ziehen die maskulinen, muskelbepackten Rugby-Spieler schwule Single-Männer an. Und so dienen die Jozi Cats auch so ein bisschen als Kontaktbörse für sportliche schwule Johannesburger, die keine Lust mehr haben, über die klassischen Online-Portale oder Clubs für Schwule jemanden kennen zu lernen.
    "Eines unserer Ziele ist es, eine eigene Community zu bilden. Und wenn es dann in der Mannschaft zwischen zwei Jungs funkt – vielleicht haben wir dann mal eine Rugby-Hochzeit. Und dann tragen wir alle pinke Jozi-Cats-Fliegen."