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Rumänien nach dem Rücktritt seines Premiers

Mit Emil Boc trat gestern in Rumänien ein Premier zurück, der sich als Krisenmanager und ehrlicher Realpolitiker einen Namen gemacht hat. Der eher unbeliebte Präsident Basescu hat flugs einen Nachfolger vorgeschlagen - doch den lehnen viele im Volk und der Opposition ab.

Von Karla Engelhard | 07.02.2012
    Es ist kalt – zweistellig unter Null - und der Wind weht scharf auf dem Universitätsplatz von Bukarest – schon seit Tagen. Seit Wochen demonstriert eine kleine lautstarke Gruppe gegen den Sparkurs der Regierung und gegen den Präsidenten:

    "Basescu vor den Richter, weil er uns bestohlen hat. "Wir werden siegen, egal ob es regnet oder schneit!"

    Wer die Kälte scheut, kann im Internet sich die Proteste ansehen und anhören. Regelmäßig werden sie von Aktivisten eingestellt, auch die aus anderen Teilen des Landes, wie die in Sibiu oder Temeschwar.
    Der Druck der Straße und die sinkenden Umfragewerte drängten den Ministerpräsidenten Emil Boc aus dem Amt, selbst seine eigene liberaldemokratische Partei hielt nicht mehr zu ihm:

    "Die wirtschaftliche Stabilität des Landes muss mit allen Mitteln bewahrt werden. Und es gibt für einen Politiker keinen Preis, der zu hoch wäre, um für die Stabilität zu zahlen, die die Rumänen mit ihrer Arbeit und mit harten Entbehrungen in der letzten Zeit erreicht haben."

    Mit Emil Boc geht der Mann, der sich als Krisenmanager und ehrlicher Realpolitiker einen Namen gemacht hat. Der im Gegensatz zu Präsident Basescu immer wieder versucht hat, die Sparmaßnahmen der Regierung, als unabdingbare Notwendigkeit zu erklären, die ein Ende haben wird. Doch das kam bei den Rumänen nicht an. Vor allem Studenten, Sozialhilfeempfänger und Rentner gehen auf die Straße, weil sie am härtesten den Sparkurs der Regierung zu spüren bekommen. Sozialleistungen wurden gestrichen und die Renten um 25 Prozent gekürzt, sie liegen um Durchschnitt bei nicht mehr als 200 Euro.
    Dazu kommt, dass das Leben in Rumänien spürbar teurer geworden ist, denn die Regierung hat die Mehrwertsteuer von 19 auf 24 Prozent angehoben – bei gleich bleibenden Löhnen.

    Viele Rumänen haben das Gefühl, dass auf ihrem Rücken gespart wird, während die politische Elite des Landes es sich weiter gut gehen lässt. Hinzu kommt, dass Präsident Basecsu seine Politik eher befiehlt, als erklärt. Sein selbstherrlicher Führungsstil bringt vielen gegen ihn auf.
    Nach dem Rücktritt seines Premiers hat er noch am gleichen Tag seinen Wunschkandidaten präsentiert – Mihai Reswan Ungureanu. Der 43-Jährige ist auf der politischen Bühne im In- und Ausland kein Unbekannter – er spricht mehrere Sprachen, darunter auch Deutsch. Der Parteilose war Außenminister zur Zeit der Beitrittverhandlungen Rumäniens zur Europäischen Union, ist Chef des rumänischen Geheimdienstes und enger Vertrauter des Präsidenten.

    "Als Rumäne, als Politiker, als Professor und Historiker waren, und sind, meine politisch-ideologischen Überzeugungen immer schon auf der Seite gewesen, die diese Regierung auch vertritt. Mein erstes Ziel ist, möglichst schnell eine Regierung zu bilden, weil ich mir der negativen Auswirkungen jeglicher Verzögerung einer stabilen Verwaltung des Landes bewusst bin."
    Ob das Parlament dem smarten Karrierediplomaten zustimmen wird, ist unklar. Denn die Opposition hat angekündigt, gegen jeden Vorschlag des Präsidenten zu stimmen, sie will vorgezogene Neuwahlen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse, vor allem durch unberechenbare Überläufer, könnten sie den Wunschkandidaten Basescus blockieren.

    Vorgezogene Parlamentswahlen werden dann wahrscheinlich. In ihrem derzeitigen Stimmungstief wäre das das Ende der Mitte-Rechts-Regierung – mit Präsident Basescu.

    So unzufrieden seine Landsleute sind, so zufrieden ist der Internationale Währungsfonds mit dem rumänischen Sparkurs. Denn das Mitgliedsland der Europäischen Union hat damit alle Auflagen erfüllt, die für den Notkredit von 20 Milliarden Euro im Jahr 2009 gefordert waren. Die Pro-Kopf-Verschuldung in der Balkanrepublik liegt unter der von Griechenland und Italien. Die Inflation liegt auf dem niedrigsten Niveau der letzten 20 Jahre. Auch die wirtschaftliche Lage im Lande ist – nach den reinen Zahlen -, nicht schlecht. Doch bei den Rumänen auf der Straße kommen diese guten Nachrichten nicht an:

    Sie wollen weiter demonstrieren – gegen Präsident Basescu und gegen die Sparmaßnahmen, die für sie die Falschen treffen.