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Rumänien
Rodung der letzten Urwälder Europas

Ein Teil der letzten europäischen Urwälder in Rumänien ist als Nationalpark geschützt. Doch der scheint nicht besonders effektiv: Illegale Waldrodungen, so prangern Umweltschutzorganisationen an, sind in Rumänien an der Tagesordnung. Das führende Holzverarbeitungsunternehmen Europas, die österreichische Scheighofer Gruppe, soll den illegalen Holzeinschlag sogar fördern.

Von Thomas Wagner | 07.01.2016
    Illegal gerodeter Wald in Rumänien.
    Illegal gerodeter Wald in Rumänien. (AFP / Daniel Mihailescu)
    "Dieses Video zeigt ganz klar: Es kommt ein Kunde zu einem Holzwerk und sagt: Sind Sie mir bereit, diese Tausend zusätzlichen, ungesetzlichen Kubikmeter abzunehmen? Und offenbar aus diesem Video geht dann hervor, dass man gesagt hat: Ja, wir werden bereit, dass zu machen."
    Peter Bayard, Vorstandsmitglied im Deutschsprachigen Wirtschaftsclub Banat in Westrumänien, beschreibt ein Video, das die Nicht-Regierungsorganisation "Environmental Investigation Agency" verdeckt gedreht hat. Darin will die Organisation einen Mitarbeiter des österreichischen Holzverarbeitungs-Konzerns "Schweighofer Industrie" überführt haben, wie er bewusst in ein Geschäft einwilligt, bei dem es um Holz aus illegalem Einschlag geht. Bayard hält das nicht für ausgeschlossen. Denn: Pro Jahr werden in Rumänien etwa 3,5 Millionen Festmeter verarbeitungsfähiges Holz geschlagen, für mehr als 5.000 Sägereibetriebe im Land. Rein rechnerisch reicht der Einschlag aber nicht einmal aus, um alleine den Bedarf der Schweighofer-Gruppe zu decken.
    "Er verarbeitet nach unseren Darlegungen etwa Sägekapazität von 3,6 Millionen. Das kann meiner Ansicht nach nur durch illegale Machenschaften erfolgen."
    Beschwerde eingereicht
    Deshalb hat der "Worldwide Fund for Nature" Beschwerde beim österreichischen Bundesamt für Wald eingereicht. Begründung: Schweighofer habe mit seinen Geschäften in Rumänien gegen die Europäische Holzhandelsverordnung verstoßen. Sollte dabei wirklich illegaler Holzeinschlag gefördert worden sein, wäre dies nach Ansicht von Naturschützern eine ernst zu nehmende Bedrohung für die letzten europäischen Urwaldbestände. Sie berufen sich auf eine Studie der rumänischen Regierung. Demnach seien in den vergangenen zwei Jahrzehnten 80 Millionen Kubikmeter Holz im Wert von etwa fünf Milliarden Euro in den rumänischen Wäldern illegal gefällt worden, unter anderem auch in Schutzgebieten. Die entsprechenden Kahlschlag-Schneisen seien für jedermann sichtbar, nur eben für die rumänischen Behörden nicht.
    "Schuld sind auch die Rumänen, die es erlauben. Sie bekommen Geld. Man schneidet. Die Wälder haben zu leiden. Es gibt Gesetze, aber... naja", beschreibt Florin Arhire, Umweltaktivist im rumänischen Temeswar, die gängige Praxis. Nach seiner Beobachtung drücke vor allem die rumänische Forstverwaltung "Rom Silva" gerne beide Augen zu. Dass Korruption im Spiel ist, will Florin Arhire nicht ausschließen. Auf Anfrage weist die österreichische Schweighofer Gruppe die gegen sie erhobenen Vorwürfe zurück. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es:
    "Wir haben betont, dass wir über die illegale Abholzung in Rumänien genauso besorgt sind wie die Öffentlichkeit, und wir haben mehrfach darauf hingewiesen, das Holzindustrie Schweighofer nicht Teil des Problems ist."
    Schweighofer weist Kritik zurück
    Grundsätzlich kaufe Schweighofer nur aus legalen Quellen Holz an, aus Nationalparks grundsätzlich gar nicht. Und: Alle Holzanlieferungen würden an den Werktoren anhand der Herkunftsdokumente kontrolliert; es erfolge zudem ein Abgleich mit der staatlichen Datenbank. Zum verdeckt gedrehten Video schreibt das Unternehmen:
    "Die im zusammengeschnittenen Video intendierte Zustimmung zum Ankauf von geschlägertem Holz könnte daher nie zu einer Anlieferung oder Verarbeitung eines solchen Holzes führen, weil dieses die strengen Kontrollen an den Werkstoren nicht passieren würde."
    Dass auf dem Video tatsächlich, wie behauptet, leitende Schweighofer-Mitarbeiter zu sehen sind, bestreitet das Unternehmen in der Stellungnahme aber nicht.
    Die Umweltschutzorganisationen bauen indes auf bessere Gesetze gegen den illegalen Holzeinschlag - und geben sich dabei verhalten optimistisch: Denn nach dem Rücktritt der post-sozialistischen Regierung steht nun mit dem parteilosen Ministerpräsidenten Dacian Ciolos ein Mann an der Spitze, der einst EU-Agrarkommissar war - und somit auch für Wälder zuständig. Während seiner Amtszeit in Brüssel hat sich Ciolos durch eine ökologisch orientierte Politik einen Namen gemacht. Umweltaktivist Florin Arhire: "Ein bisschen Hoffnung gibt es. Man muss optimistisch sein."