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Rumänien
Zahlungskräftige Medizinstudenten willkommen

In Rumänien haben einige Unis aus der deutschen Zulassungsbeschränkung für Medizinstudierende ein einträgliches Geschäftsmodell entwickelt: Dort sind deutsche Studierende sehr willkommen. Der Abi-Durchschnitt spielt dabei keine Rolle mehr, wohl aber der Geldbeutel der Studierenden oder deren Eltern. Aber auch andere osteuropäische Staaten bitten ausländische Studenten kräftig zur Kasse.

Von Thomas Wagner | 10.11.2014
    Ein Doktor mit einem Patienten auf dem Weg zur Intensive-Care Unit (ICU) im russischen Regional Vascular Center zur Behandlung von Gefäßkrankheiten.
    "Die praktische Ausbildung ist bekannt dafür, dass sie im Ausland, gerade in Rumänien, viel besser ist als in Deutschland." (picture alliance / dpa / Matytsin Valery)
    "Hast Du Deinen Kittel dabei? - Oh, ich glaube, ich habe ihn vergessen. Kein Kittel, keine Vorlesung."
    Drei Erstsemester beim Mittagskaffee im Gespräch. Ungewöhnlich allerdings die Uni, die die drei ausgewählt haben. Einer von ihnen ist Cliff Bubner aus Ulm:
    "Ich komme aus der Nähe von Ulm und studiere hier in Timisoara in der English-Section Zahnmedizin."
    ...wie all die anderen auch, die mit am Tisch sitzen. Sie alle sind in Deutschland zuhause. Dass sie ausgerechnet im Westen Rumäniens Zahnmedizin-studieren, hat einen einleuchtenden Grund:
    "Ja, der Numerus Clausus. Da war für deutsche Verhältnisse mein Notendurchschnitt einfach zu schlecht. Und da hab' ich mir überlegt: Wo könnte ich denn noch studieren? Und Optionen waren dann eben entweder nach Österreich, oder dann ganz weit weg ins Ausland, nach Rumänien jetzt.")
    Einträgliches Geschäftsmodell
    Denn gerade in Rumänien haben einige Unis aus der deutschen Zulassungsbeschränkung für Medizinstudierende ein einträgliches Geschäftsmodell entwickelt: Dort nämlich sind deutsche Studierende hoch will kommen. Der Abi-Durchschnitt spielt dabei keine Rolle mehr, wohl aber der Geldbeutel der Studierenden oder deren Eltern.
    "Hier zahlt man in einem Jahr 4500 Euro."
    Dabei ist Rumänien im osteuropäischen Vergleich sogar noch ein Schnäppchen, so Cliff Bubner aus Ulm:
    "In der Slowakei sind es pro Semester so um die 5.500. Also hier ist es noch wesentlich günstiger."
    Mit Erasmus zurück nach Deutschland
    Auch in Ungarn und in den baltischen Staaten verlangen etliche Unis ungefähr doppelt so viel wie im westrumänischen Timisoara. Während sich Cliff Bubner vorstellen könnte, sein gesamtes Studium in Rumänien durchzuziehen, hegt Studienanfängerin Iris Lang aus Nürnberg andere Pläne:
    "Ich habe schon Lust, nach Deutschland zu wechseln: So nach zwei, drei Semestern würde ich gerne zurück wechseln, ja."
    Mit ein paar Semestern Zahnmedizin-Studium an ihrer rumänischen Uni müsste der geplante Wechsel nach Deutschland deutlich leichter fallen, hofft Iris Lang:.
    "Definitiv, wenn man schon irgendwie drin ist, ist es deutlich einfacher, in Deutschland wieder Anschluss zu finden beziehungsweise weiter zu studieren als überhaupt weiter zu kommen."
    Tatsächlich müssen sich Studierende, die Medizin oder Zahnmedizin im Ausland begonnen haben, nicht mehr bei der zentralen Stiftung für Hochschulzulassung in Dortmund bewerben, wenn sie an eine deutsche Uni zurückwollen. Sie können sich direkt an ihre "Wunsch-Uni" wenden. In diesem Fall spielt die möglicherweise schlechte Abiturnote auch nicht mehr die entscheidende Rolle, bestätigt Hagen Feucht von der Zulassungsstelle er Uni Ulm:
    "Das erste Auswahlkritierium ist aber nie die Abiturnote, wenn wir von höheren Fachsemestern sprechen. Es geht immer nur um Leistungsnachweise, die im Studium erbracht werden."
    Abschluss wird in Deutschland anerkannt
    Wer in den ersten Semestern in Osteuropa hervorragende Prüfungsleistungen erbringt, kann damit seine schlechtere Abiturnote ausgleichen - zumindest theoretisch. Denn in der Praxis werden an den deutschen Unis bei Medizin und Zahnmedizin in den höheren Fachsemestern nur sehr wenige Plätze frei. Johannes Glembek, Leiter der Zulassungsabteilung an der Uni Ulm:
    "Die große Hoffnungen da reinzusetzen. Geht nach Rumänien, nach Ungarn, studiert da - und Ihr habt die Garantie, nach zwei, drei oder fünf Semestern wieder an eine deutsche Universität zu kommen, die kann man auf keinen Fall schüren und wecken. Denn die Chancen sind gering."
    Praktische Ausbildung in Rumänien ist besser
    Das heißt: Wer als Deutscher an einer osteuropäischen Uni mit Medizin oder Zahnmedizin beginnt, wird in der Regel das Studium dort bis zum Ende durchziehen. Das allerdings muss kein Nachteil sein: Da Rumänien, Ungarn, die Slowakei und die baltischen Staaten Mitglieder der EU sind, werden die Abschlüsse auch in Deutschland anerkannt. Und in einigen Punkten kann es sogar von Vorteil sein, in Osteuropa zu studieren, findet Cliff Bubner aus Ulm:
    "Ich weiß halt, das man hier in Rumänien viel früher an die Patienten rangelassen werden. Das heißt: Der Übungsfaktor am Patienten ist viel besser. Die praktische Ausbildung ist bekannt dafür, dass sie im Ausland, gerade in Rumänien, viel besser ist als in Deutschland."
    Eine These, die allerdings die Studierenden an den deutschen Unis infrage stellen. Möglicherweise fördert das Studium in Osteuropa aber mehr als hierzulande Fantasie und Einfallsreichtum. So hat Haran Al Ghawi aus Dortmund, die ebenfalls in Timisoara Zahnmedizin studiert, eine originelle Idee:
    "Um doch noch ein bisschen deutsche Studienluft zu schnuppern, gibt es natürlich noch die Möglichkeit, über einen Erasmus-Platz ein oder zwei Semester Zahnmedizin in Deutschland zu studieren. Man geht dann quasi als Deutscher mit dem Erasmus-Programm zurück nach Deutschland."