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Rumäniens Kampf gegen die Korruption

Die rumänische Antikorruptionsbehörde soll einen neuen Chef bekommen. Über die Kür der Kandidaten wacht die Brüsseler EU-Kommission mit Argusaugen - denn die Besetzung entscheidet über die Zukunft der Antikorruptionskampfs im Land.

Von Annett Müller | 26.10.2012
    Rumäniens Präsident Traian Basescu hat das letzte Wort bei der Entscheidung zum Chef der Antikorruptions- behörde
    Rumäniens Präsident Traian Basescu hat das letzte Wort bei der Entscheidung zum Chef der Antikorruptions- behörde (picture alliance / dpa / Mihai Barbu)
    Dan Ilie Morega gilt als zwielichtiger Abgeordneter in Rumänien: Er hat im Parlament mehrmals die Partei gewechselt und er ist vorbestraft. Im vorigen Jahr wurde der 66-Jährige wegen illegaler Wahlkampffinanzierung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Ermittler der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA waren ihm auf die Schliche gekommen. Nie habe er an Rücktritt gedacht, sagt er, denn er fühle sich zu unrecht verurteilt:

    "Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft ist absolut unnütz. Sie kümmert sich nicht um die wirklich großen Korruptionsvorfälle - um die Leute und Politiker, die Millionen Euro stehlen. Ich habe selbst einen solchen großen Korruptionsfall angeprangert. Doch mit dem ist nichts passiert. Im Gegenteil: Ich bin schuldig gesprochen worden."

    Doch von Wirkungslosigkeit kann keine Rede sein: Rund 1500 Personen sind in den vergangenen sieben Jahren in Rumänien wegen Korruption rechtskräftig verurteilt worden. Alles Fälle, die die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA geleitet hat. Dass sie gegen die Falschen vorgehen würden, wie es Parlamentarier Dan Morega behauptet, bekommen die Ermittler häufig zu hören. Der Bukarester Politikjournalist Cristian Grosu muss über solche Vorwürfe schmunzeln:

    "Selbst wenn es eindeutige Beweise gibt, würde der Politiker nie zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Er wird immer sagen, dass man ihn politisch fertigmachen will. Auch wissen die Politiker voneinander, welche dunklen Machenschaften sie betreiben und dann sind sie empört, dass nur sie ertappt werden und nicht auch die anderen."

    Prominentester Fall der DNA: Adrian Nastase, einer der mächtigsten Politiker der regierenden sozialdemokratischen PSD. Der Ex-Premier war im Juni zu zwei Jahren Haft verurteilt worden - wegen illegaler Parteienfinanzierung. Regelmäßig meldet sich Nastase per Internetblog aus dem Gefängnis und wirft den Antikorruptionsermittlern vor, Handlanger seiner politischen Gegner zu sein. Richter Cristi Danilet nimmt solche Vorwürfe gelassen. Er gehört zum Obersten Magistraturrat, der über die Unabhängigkeit der Justiz wachen soll:

    "Die Politiker versuchen öffentlich Druck auf Staatsanwälte und Juristen zu machen, und beschuldigen sie, sie würden die Fälle nach politischem Gutdünken entscheiden. Sie wollen, dass die Justiz in Verruf gerät. Doch warum? Weil sie merken, wie gefährlich eine Justiz für sie ist, die sie nicht mehr kontrollieren können."

    Brüssel drängt seit Jahren auf eine harte Gangart im Antikorruptionskampf. Eine Forderung, die Richter und Staatsanwälte unter Druck setze, sagte Georgiana Iorgulescu von der Nichtregierungsorganisation "Zentrum für juristische Ressourcen". Denn was tun, wenn die Beweise der Ermittler in wichtigen Korruptionsfällen nicht ausreichen?

    "''In vielen Fällen, wo gegen ranghohe Politiker ermittelt wird, spielt man den Medien Abhörprotokolle der Beschuldigten zu. Es gibt dann Talkshows, in denen der Betroffene bereits als schuldig dargestellt wird. Was meinen Sie, wie dann der Richter reagiert, der diesen Prozess behandeln muss? Ich finde das hochgefährlich.""

    Gegen welche Politiker wann und wie schnell ermittelt wird, entscheiden der Generalstaatsanwalt und der Chef der Antikorruptionsbehörde DNA selbst. Ihre Ermittlungen können - wie im Fall Nastase - politische Karrieren beenden. Jetzt sollen beide Posten neu besetzt werden. Die bisherigen Amtsinhaber waren vor Jahren ohne Ausschreibung und im Eilverfahren ernannt worden. Fragwürdig fand Brüssel das damals nicht. Doch wegen der politischen Machtkämpfe vom Sommer verlangt die EU-Kommission erstmals ein transparentes Auswahlverfahren. Georgiana Iorgulescu:

    "Die EU-Kommission heuchelt uns hier etwas vor. Erst moniert sie jahrelang nichts am Verfahren und plötzlich verlangt sie, dass es anders vonstattengehen muss. Was sagt uns das? Das Brüssel, je nachdem, wer in Rumänien gerade an der Macht ist, die Spielregeln für das Auswahlverfahren ändert."

    Justizministerin Mona Pivniceriu führt die Interviews mit den Bewerbern derzeit hinter verschlossenen Türen. Mit Sicherheit werden ihre Kandidaten der links-liberalen Regierung genehm sein. Das letzte Wort bei dieser Entscheidung hat aber Staatschef Traian Basescu - der größte politische Gegner der Regierung. Solch eine Konstellation gab es noch nie, doch etwas Besseres kann Rumänien nicht passieren. Erstmals würden der Generalstaatsanwalt und der DNA-Chef parteiübergreifend ernannt.