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Rumänisches Fernsehen
Nicht nur Ausschluss vom Eurovision Song Contest

Er hatte sich schon so auf Mitte Mai und Stockholm gefreut: Ovidiu Anton, Star der rumänischen Schlagerszene, schaffte im nationalen Wettbewerb seines Landes den Sprung zur Endausscheidung des Eurovision Song Contests. Doch er darf nicht teilnehmen, denn sein Sender wurde von der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ausgeschlossen.

Von Thomas Wagner | 30.04.2016
    Die Sängerin Jamie-Lee Kriewitz jubelt am 25.02.2016 über ihren Sieg beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) in Köln
    Jamie-Lee Kriewitz wird Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten - ihr rumänischer Kollege darf nicht teilnehmen. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Zum Auftakt die Eurovisions-Fanfare, ein letztes Mal: Ende März schien die Welt noch in Ordnung im rumänischen Fernsehkanal TVR 1: Beim nationalen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest steht nach drei Stunden der Siegertitel fest.
    Ausgerechnet für seinen Song "The moment of silence” bekommt der rumänische Star Ovidiu Anton die meisten Stimmen. Doch in Stockholm wird Anton "silent", will heißen stumm bleiben. Denn seit Kurzem ist "Televizunea Romana", so der Name des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, von allen Gemeinschaftsleistungen der Eurovision ausgeschlossen – und damit eben auch vom Song-Contest. Der Grund:
    "Die müssen der EBU, der European Broadcasting Union, derzeit um die 16 Millionen Schweizer Franken, macht ungefähr 16 Millionen Euro, zurückzahlen. Und wir konnten in jüngster Zeit nicht einmal den Hauch einer Anstrengung erkennen, dass die Rumänen diese Schulden begleichen."
    So Dave Goodman, Sprecher der European Broadcasting Union mit Sitz in Genf. In diesem Dachverband sind 73 Rundfunk- und Fernsehanstalten aus Europa, Russland, Asien und Nordafrika zusammengeschlossen. Der Ausschluss eines Senders ist dann auch ein einzigartiger Vorgang.
    "Dies ist tatsächlich das erste Mal, dass wir zu so einer drastischen Maßnahme greifen mussten. Aber zum Schluss haben die immensen Schulden des rumänischen Senders die Integrität der EBU an sich infrage gestellt. Und dann mussten wir handeln. Wir sind sehr enttäuscht über das rumänische Fernsehen."
    Übertragungsrechte stehen nicht mehr zur Verfügung
    Und das bedeutet: Keine Teilhabe mehr am internationalen Programmaustausch, der die Fernsehzuschauer über das Geschehen im Ausland informiert; keine Teilhabe mehr an gemeinsamen Sportübertragungsrechten – und eben Ausschluss vom Eurovision Song Contest. Genau das empfinden viele Rumäninnen und Rumänen als besonders schmerzhaft.
    - "Seit ich klein bin, habe ich immer den Songcontest angeschaut und für die rumänischen Teilnehmer die Daumen gedrückt. Und ausgerechnet in diesem Jahr haben wir einen wirklich schönen Titel. Mir tut das wirklich sehr leid."
    - "Für uns Rumänen ist das höchst bedauerlich: Erst mal dürfen wir nicht beim Songcontest mitmachen. Und dann müssen wir befürchten, dass auch die Spiele der Fußball-Europameisterschaft nicht übertragen werden. Das alles ist eine Schande."
    Das rumänische Fernsehen selbst hält sich mit offiziellen Stellungnahmen zurück. Wer sollte sich auch dazu äußern? Seit Monaten ist "Televizunea Romana" führungslos; die politischen Parteien streiten verbittert darüber, wer neuer Intendant werden soll. Es geht um politischen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender. Die zahlreichen privaten Fernsehanbieter, meint der rumäniendeutsche Journalist Werner Kremm, befänden sich ohnehin längst in der Hand der politischen Parteien,
    "Während das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer wieder bemüht hat, über den Dingen zu stehen und nach Möglichkeit objektiv zu berichten. Daher also der Kampf auch, dieses Fernsehen auf eine Seite zu ziehen, egal auf welche."
    Rumänische Parteien zanken um Intendanz
    Möglicherweise soll durch das Zudrehen des Geldhahns der öffentlich-rechtliche Sender gefügig gemacht werden für die Begehrlichkeiten der Parteien. Dies habe nun, durch die Suspendierung der EBU-Mitgliedschaft und die Zwangsabkopplung vom internationalen Programmaustausch, eine neue Dimension erreicht.
    "Über das Ausland wird mit Sicherheit weniger objektiv berichtet werden, wenn diese Maßnahme nicht konterkariert wird."
    Das sollte aber auch bei der EBU in Genf aufhorchen lassen. Die hat sich nämlich auf ihre Fahnen geschrieben, gegen staatliche und parteipolitische Gängelungen ihrer Mitglieder anzugehen. Dies geschah zuletzt in Polen, als Ende vergangenen Jahres die neue rechtskonservative Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle bringen wollte. EBU-Sprecher Dave Goodman:
    "Wir reden Tacheles mit der polnischen Regierung und mit den Kollegen vom Rundfunk dort. Das ist schließlich die Aufgabe der EBU: Den öffentlichen Auftrag von Radio und Fernsehen in allen unseren Mitgliedsländern zu stärken."
    Allerdings nur dann, wenn die Mitgliedsbeiträge bezahlt werden. In Rumänien sieht es derzeit nicht danach aus, dass die ausstehenden Millionen alsbald nach Genf überwiesen werden können.