Samstag, 20. April 2024

Archiv

Rundfunk in Italien
Renzi will die Sendergruppe RAI reformieren

Der italienische Regierungschef Matteo Renzi will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk seines Landes reformieren. Dabei geht es vor allem um eines: Sparen. Denn die Sendergruppe RAI hat einen Jahreshaushalt von drei Milliarden Euro.

Von Thomas Migge | 06.12.2014
    Matteo Renzi hält eine Rede und gestikuliert dabei.
    Will den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren: Matteo Renzi. (picture alliance / dpa / Fabio Frustaci)
    Italiens Regierungschef Matteo Renzi lässt sich von protestierenden RAI-Journalisten nicht beeindrucken: Er will seine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens durchziehen. Seine gesamte Partei, die Sozialdemokraten PD, steht hinter ihm; auch Salvatore Margiotta, Abgeordneter und Medienexperte der PD: "Diese Reform muss sofort realisiert werden, denn gefordert wird sie ja seit mehr als 30 Jahren. Wir sind davon überzeugt, dass man Italien nicht reformieren kann, wenn nicht auch die RAI reformiert wird."
    1954 gegründet bietet die RAI heute 19 TV- und zehn Rundfunkkanäle und beschäftigt etwa 12.000 Personen. 1.900 davon sind Journalisten. Das Staatsunternehmen mit einem Budget von knapp drei Milliarden Euro schreibt Verluste: mehr als 245 Millionen. Die jährlichen Fernsehgebühren belaufen sich auf 114 Euro pro Jahr. Die Gebühren machen 64 Prozent der Einnahmen aus. 25 Prozent kommen aus der Werbung.
    Gründe für eine umfassende RAI-Reform gibt es viele. Matteo Renzi will sparen und die RAI von ihrer Jahrzehnte langen politischen Unterwanderung befreien. Bis zu den Regierungen von Medienzar Silvio Berlusconi teilten sich die großen Parteien die drei wichtigsten RAI-Fernsehkanäle auf. RAI 1 unterstand den Christdemokraten, RAI 2 den Sozialisten und die Kommunisten kontrollierten RAI 3. Berlusconi versuchte, nicht ohne Erfolg, alle drei Kanäle unter seine Fittiche zu bringen. Als Regierungschef hatte er die Macht dazu, denn in Italien ist die RAI der Regierung unterstellt. Diese Macht nutzt jetzt Renzi, um aus allen RAI-Kanälen jene Leute zu entfernen, die von Berlusconi und seinen Vorgängern in entscheidende Posten gehievt wurden.
    Michele Santoro, einer der bekanntesten italienischen Talkmaster: "Es ist doch eigentlich klar, dass diese politische Unterwanderung abgeschafft gehört, aber Renzi hat ja auch noch etwas anderes im Sinn: eine schrittweise Privatisierung der RAI, damit der Staat Geld sparen kann. Eine Idee, die ich entschieden ablehne." Und auch deshalb wird seitens der Mitarbeiter der RAI protestiert. Sie fürchten bei einer möglichen Teilprivatisierung um ihre Posten.
    Viele der RAI-Journalisten protestieren auch gegen anstehende Gehaltskürzungen. Während für RAI-Zeitverträge nur recht niedrige Gehälter gezahlt werden, verdienen Festangestellte sehr gut. Vor allem leitende Redakteure. Und von denen gibt es einige hundert. Wer einmal leitender Redakteur einer Redaktion war oder Korrespondent und dann wieder als Nur-Journalist arbeitet, wird auch weiterhin mit einem Chefredakteursgehalt in Höhe von bis zu 240.000 Euro entlohnt. Das heißt: Die RAI hat horrende Gehaltsaufwendungen, die Renzi streichen will.
    Einverständnis auf allen Seiten in Sachen RAI-Reform besteht bei einem ganz anderen Punkt. Dazu Gianni Minà, einer der bekanntesten RAI-Journalisten: "Wir brauchen mindestens einen Kanal zur Themenvertiefung, denn wir sind davon überzeugt, dass die RAI einen Bildungsauftrag hat, und heute nur noch bedingt erfüllt. Die RAI hat die Aufgabe, im positiven Sinn der Aufklärung, die Zuschauer zu erziehen."

    Sicherlich: Es gibt einen historischen TV-Kanal, RAI-Storia, und es gibt RAI 5, ein Kanal, der Konzerte, Opern und Theaterstücke ausstrahlt. Aber im Vergleich zu den ersten Jahrzehnten der RAI, erfüllt das Staatsfernsehen heute seinen Bildungsauftrag nicht mehr. In den ersten Jahrzehnten des Bestehens der RAI wurden zur besten Sendezeit Kultursendungen ausgestrahlt, Theaterinszenierungen und Opern. Heute unterscheidet sich das Hauptabendprogramm der RAI nur noch wenig von privaten Fernsehanbietern wie der MEDIAET von Silvio Berlusconi. Der Kampf um Werbeeinnahmen hat RAI und MEDIASET immer ähnlicher gemacht. Die Forderung, die RAI wieder verstärkt zu einem Kulturfernsehen zu machen, läuft ins Leere und: Sie findet keine Unterstützung bei den politisch Verantwortlichen. Eine Reform in diese Richtung hat Matteo Renzi nicht im Sinn. Ihm geht es vor allem darum, Geld zu sparen.