Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Rundweg um Loch Ness
Auf ungeheuerlichen Pfaden

Es ist der wohl berühmteste See der Welt: Schließlich beheimatet das schottische Loch Ness bekanntlich ein Ungeheuer. Die von der Legende angelockten Touristenmassen konnten den See bislang nie umrunden. Nun ist ein lang ersehnter Rundweg fertig. Die Wanderung lohnt sich - mit oder ohne Ungeheuer.

Von Franz Michael Rohm | 12.08.2018
    Loch Ness
    Ausgangspunkt des neuen Rundwanderwegs Loch Ness 360 ist das 50.000 Einwohner Städtchen Inverness im schottischen Nordosten. Inverness wird jährlich von Touristenmassen besucht. Und das wegen einer Attraktion, die es eigentlich gar nicht gibt: Nessie, das sagenumwobene Seemonster.
    Die meisten Besucher sind bei ihrer Suche nach Nessie ziemlich faul. Sie fahren entweder mit dem Auto entlang der Nordseite des Sees, oder sie schippern mit Ausflugsschiffen wie der Jacobite über die unheimlichen Fluten.
    Seit Anfang August nun kann man Loch Ness auf einer recht anspruchsvollen 130 Kilometer langen Strecke zu Fuß oder per Rad umrunden.
    Jahrzehntelanges Projekt
    "Die Idee des Rundwegs geht auf das Jahr 2009 zurück. Damals entwickelte unser Team das Projekt, bestehende Wege wie den Great Glen Way an der Nordseite, den South Trail und auch den Sieben Seen Weg miteinander zu verbinden. Was fehlte, war ein etwa neun Kilometer langes Verbindungsstück hier im Süden. Ein erstes Teilstück vom Aussichtspunkt Suie nach Loch Tarff wurde fertiggestellt. Dann gingen die Gelder aus. Mithilfe einer Windparkfirma ist nun das letzte Teilstück fertiggestellt, ein topografisch sehr anspruchsvolles Stück."
    Greame Ambrose leitet das Fremdenverkehrsamt Inverness-Loch Ness. Fast zehn Jahre lang hat der Langstreckenläufer hartnäckig mit seinem Team an dem Projekt gearbeitet.
    Man kann von Inverness aus entweder zuerst die Nord- oder die Südseite um den lang gezogenen Loch Ness gehen. Da die Südroute abwechslungsreicher ist, empfiehlt sie sich für den zweiten Teil. Rund 20 Kilometer beträgt das Tagespensum. Am ersten Tag geht es gleich zu Anfang auf über 400 Meter hoch, wieder hinab zum See und wieder hoch. Mit Gepäck durchaus eine sportliche Aufgabe. Nachdem man die Straße A 82 hinter sich gelassen hat, geht es teilweise über kleine, einspurige Landsträßchen, dann entlang schmaler Feldwege und schließlich breiter Forstwege Richtung Drumnadrochit. Dort versorgen das Loch Ness Visitors Centre mit wissenschaftlichen Ausstellungen und ein gigantischer Nessie Shop die touristische Nachfrage.
    Ein Strand ist voller Kiesel vor einem See: Dores Beach, der einzige Strand am schottischen See Loch Ness 
    Dores Beach: der einzige Strand am Loch Ness (Franz Michael Rohm/ Deutschlandradio )
    Auf dem Weg nach Drumnadrochit müssen immer wieder Weidegatter geöffnet und geschlossen werden, Schaf- und Rinderherden beobachten die Wanderer und Biker sehr genau. Die Landschaft ist wunderbar abwechslungsreich, dunkelgrüne Fichtenwälder wechseln mit lichten Birkenbeständen. Eschen und Eichen rauschen im Wind, wilde Buschrosen verbreiten ihren Duft und frisch geschlagenes Holz harzige Noten.
    Über 600 Flaschen Single Malt
    Nach 20 Kilometern auf und ab und einer gefundenen Übernachtungsstätte ist man froh über Lokale wie das Fiddlers, in dem es klassische schottische Küche, guten Fisch, aber auch Burger gibt. Wirtin Caren Beach freut sich über die vielen Wanderer: "Die meisten kommen im April und Mai und September oder Oktober. Juni bis August kann es hier sehr nass werden. Und jetzt kommen bestimmt viele Rundwanderer. Die Familie meines Mannes hat das Fiddlers vor 25 Jahren eröffnet", sagt Caren Beach, nicht, ohne zu ergänzen: "Bekannt sind wir für unser Whisky-Sortiment. Es ist sehr ausgesucht, und groß. Wir haben über 600 verschiedene Flaschen, fast ausschließlich Single Malt Whisky."
    An der übernächsten Etappe in Fort Augustus mündet Loch Ness in den Caledonian Canal, der bis nach Fort William am Atlantik führt. Auch dies übrigens eine Wanderstrecke.

    Nessijäger Steve Feltham, Loch Ness, Schottland, 2016 © FM Rohm
    "Nessijäger" Steve Feltham, am Loch Ness neben einem selbst gebauten "Modellungeheuer" (Franz Michael Rohm /Deutschlandfunk )
    Wir jedoch nehmen den neuen High-Tech Wanderweg durch sumpfig-feuchtes Gebiet zum mehr als 450 Meter hohen Aussichtspunkt Point Suidhe. Von dort geht es durch große abgeholzte Fichtenwälder und durch Schonungen hinunter in offenes Weideland. Dohlen fliegen auf, Finken, Krähen und Raben. Hoch oben in der Luft ist ein Adler auszumachen. Am späten Nachmittag durchwandern wir eine Ebene entlang eines klaren Flusses, der hinunter nach Foyers fließt. Von dem Ort hat man einen grandiosen Blick auf Loch Ness. Am nächsten Tag folgen wir dem Weg am Ufer von Loch Ness, dann geht es hoch in sattgrüne Mischwälder etwas mehr als 20 Kilometer nach Dores Beach, dem einzigen Strand am See.
    Wobei: Der Strand ist voller Kiesel. Trotzdem liegen bei guten Wetter am Wochenende Hunderte auf den Steinen. Ins Wasser gehen jedoch nur ganz wenige, und wenn, dann mit Neoprenanzug. Kein Wunder, denn selbst im Hochsommer wird Loch Ness nicht wärmer als zehn Grad, wenn man da von warm sprechen kann.
    Mit dem Nessie-Jäger auf der Pirsch
    Seit vielen Jahren lebt Steve Feltham in einem alten Lieferwagen am Strand. Er ist der Nessie-Hunter. Mit einem Zeiss-Fernglas sucht er jeden Tag den See ab, den Touristen verkauft er selbst gemachte Nessie-Figuren. Ja, sagt er augenzwinkernd, er habe Nessie schon gesehen. Aber er hatte keinen Fotoapparat dabei.
    "Mein Abenteuer hier ist das wunderbarste, was mir passieren konnte. Nachts aufstehen und auf den See im Mondlicht zu sehen, es gibt nichts Schöneres. Dieser See besitzt eine unglaubliche Energie. Und das hat nichts mit Nessie zu tun. Die meisten Menschen die hier leben fühlen auch diese Energie, aber sie glauben nicht, das Nessie existiert."
    Nach zwei Bettruhe-Bieren geht es in Dores ins Bed and Breakfast und anderntags durch Felder und Wälder zurück nach Inverness. Fazit: Die Wanderung ist ein Erlebnis, auch ganz ohne Nessie.