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Russen contra Krimtataren
Wem gehört die Krim?

Russland sieht sich eng mit der Krim verbunden. Nicht nur, dass die meisten Einwohner Russen sind, die Bedeutung der Halbinsel für den starken Nachbarn hat auch historische, wirtschaftliche und geopolitische Gründe. Die Krimtataren dagegen wollen unter allen Umständen, dass die Halbinsel bei der Ukraine bleibt.

Von Florian Kellermann | 02.03.2014
    Hotels und Urlaubsidylle an der Südküste der Krim - Aufnahme von 2007.
    Die Südküste der Krim: Beliebt bei Touristen - vor allem aus Russland. (picture-alliance/ dpa / Tass Pavlishak Alexei)
    "Sewastopol, Krim, Russland", skandieren die Menschen in der Hafenstadt am Schwarzen Meer - bei einer der vielen Demonstrationen, die in diesen Tagen auf der Krim stattfinden. Die Menschen seien stolz, hier in Sewastopol zu leben, sagt die Journalistin Jana Waskowskaja: "Die Stadt hat im Zweiten Weltkrieg über acht Monate den deutschen Angreifern standgehalten. In der Schlacht wurde sie fast vollständig zerstört. Als die Rote Armee sich dann im Sommer 1942 eigentlich schon zurückzog, blieben trotzdem 10.000 Soldaten zurück und hielten Sewastopol noch 20 Tage lang."
    Nach dem Zweiten Weltkrieg verlieh die Sowjetunion der Stadt den Heldenstatus, ebenso wie der Stadt Kertsch ganz im Osten der Halbinsel. Für die Krim floss viel russisches Blut - das haben sich die Russen einprägt, ob sie nun in Russland wohnen oder auf der Krim selbst. Dass in der Roten Armee auch viele Ukrainer und Mitglieder anderer Nationalitäten dienten, vergessen sie dabei gerne. Das gilt auch für die russische Armee, die im Krimkrieg 1853 bis 1856 gegen eine internationale Allianz kämpfte. Das Osmanische Reich, Frankreich und Großbritannien waren damals die Gegner.
    Die Kriegsgeschichte ist ein Grund, warum die Krim im russischen Bewusstsein eine große Bedeutung hat. Hinzu kommt, dass hier immer wieder wichtige russische Persönlichkeiten lebten, nicht zuletzt der Dichter Puschkin. Er schrieb hier romantische Gedichte, darunter "Der Brunnen Bachtschissaraj". Erst 1954 kam die Krim zur damaligen ukrainischen Sowjetrepublik; Staatschef Nikita Chruschtschow wollte es so.
    Noch heute gibt es Zigtausende Russen, die jeden Sommerurlaub an der Südküste der Halbinsel verbringen - an den malerischen Buchten, die von hohen, kahlen Bergen abgeschirmt werden. Die Krim ist einer der schönsten Flecken am Schwarzen Meer.
    Neben diesen eher sentimentalen gibt auch geopolitische Gründe, warum Russland die Krim für so wichtig hält. Die Halbinsel ragt weit in das Schwarze Meer hinein. Wer hier das Sagen hat, der kann im Konfliktfall auch die Häfen des ukrainischen Festlands kontrollieren. Außerdem sind es von der Südspitze nur gut 200 Kilometer zum NATO-Land Türkei auf der anderen Seite. Diese Kontrolle der Halbinsel hat auch wirtschaftliche Bedeutung. Russland baut gerade an einer Gas-Pipeline mit Namen "South Stream", die in unmittelbarer Nähe am Meeresboden entlang führt. Und auch im Schwarzen Meer selbst gibt es Gas-Vorkommen.
    Krimtataren für Verbleib bei der Ukraine
    Doch mindestens ebenso wichtig wie für Russland ist die Krim für die Krimtataren. Diese Minderheit, die auf der Halbinsel etwa 300.000 Menschen ausmacht, wurde einst von Stalin vertrieben. Der Diktator ließ sie noch während des Zweiten Weltkriegs deportieren, vor allem nach Usbekistan. Seit 1988 können sie in die Heimat ihrer Vorfahren zurückkehren.
    Die Krimtataren wollen unter allen Umständen, dass die Halbinsel bei der Ukraine bleibt, mit Russland hätten sie schlechte Erfahrungen, sagen sie. Auf einem Markt bei Simferopol verkauft der Bauer Aider Kartoffeln und Gebe Rüben. Er erzählt: "Wir sind gleich 1989 hier zurückgekommen, mit der ganzen Familie. Meine Mutter und meine Großmutter haben mir immer von unserer historischen Heimat erzählt. Ich bin zufrieden hier, die Ukraine ist keine Diktatur wie Russland. Ich habe nichts dagegen, dass die russische Schwarzmeerflotte hier ein Areal pachtet, solange sie sich wie Gäste benehmen."
    Viele Krimtataren, die zurückkamen, nahmen sich einfach ein Stück Land und bauten darauf ihre Haus. Viele der so entstandenen Siedlungen haben bis heute keine asphaltierten Straßen, manche nicht einmal einen Wasseranschluss. Die Landnahme führte zunächst zu Spannungen zwischen ihnen auf der einen Seite und den Russen, die auf der Krim in der Mehrheit sind.
    Fast alle Krimbewohner betonen heute jedoch, dass die vielen Nationalitäten der Halbinsel friedlich zusammenleben. So sieht es auch Larissa, eine Russin, die ihren Stand neben Aider hat: "Deshalb bin ich auch dagegen, dass wir zu Russland kommen. Es ist nicht so wichtig, zu welchem Staat die Halbinsel gehört, wichtig ist, dass wir uns hier alle zu Hause fühlen."
    So denken jedoch nicht alle Russen auf der Krim, viele wollen eine stärkere Autonomie oder sogar den Anschluss an Russland. Die jüngsten Ereignisse könnten deshalb die Russen und die Krimtataren auf der Insel wieder entzweien.