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Russisch-österreichische Beziehungen
Österreich regt Aufhebung der Sanktionen an

Österreich betreibt eine geschmeidige Russlandpolitik. Während andere westeuropäische Staaten auf Distanz gingen, lässt Österreich den Gesprächsfaden Russland nicht abreißen. Der österreichische Bundespräsident sprach bei seinem jüngsten Besuch in Moskau sogar von einer Lockerung der EU-Sanktionen.

Von Karla Engelhard | 15.04.2016
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    Putin und Fischer bei einem Treffen in Östereich im Juni 2014 (dpa/picture-alliance/ Mikhail Metzel)
    Ein letzter, heikler Staatsbesuch des noch amtierenden österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Anfang April besuchte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Westeuropäische Staatsmänner sind derzeit in Moskau seltene Gäste, seitdem die Europäische Union Sanktionen gegen Russland verhängt hat. Bundespräsident Heinz Fischer zur seiner diplomatischen Mission:
    "Russland hat das Gefühl Österreich hält uns einen Spiegel vor, aber nicht, um uns schlecht zu machen oder nicht um uns anzuschwärzen, sondern es ist bemüht an der Besserung der Verhältnisse zu arbeiten und darauf, glaube ich, könne wir schon stolz sein."
    Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Staatsvertrag danach leben Wien und Moskau eine ganz besondere Beziehung. Für den Historiker Wolfgang Müller hat sich zwischen Wien und Moskau eine über die Jahrzehnte gewachsen geopolitische Zweckgemeinschaft entwickelt und zwar
    " …dass Österreich als eine Art Eisbrecher oder Türöffner fungiert hat für kommunistische Spitzenpolitiker immer dann, wenn es außenpolitisch schwierig für sie gewesen ist, wenn sie nicht empfangen wurden, von westlichen Regierungen, dass die Österreicher vorangegangen sind…"
    Vor zwei Jahren war Putin zu Gast in Wien
    In Zeiten des kalten Krieges bot sich Wien als Verhandlungsort zwischen der Sowjetunion und den USA an. Als die Altkommunisten 1991 gegen den Reformer Michail Gorbatschow putschten, zeigte sich Österreich gegenüber Moskau geschmeidig. Während fast der gesamte Westen auf Distanz ging, hielt sich Wien alle Türen offen. Eine Reaktion, die eine lange Entwicklung widerspiegele, so der Historiker Wolfgang Müller:
    "Sie ist das Produkt dessen woran die Sowjetunion selber mitgearbeitet hat, nämlich etwas was man als eine schrittweise, auch außenpolitische Neutralisierung Österreichs bezeichnen kann, in Bezug auf seine Stellungnahmen, in Bezug auf seine Kommentare."
    Dabei geht es nicht nur um Diplomatie, jeder österreichische Staats- und Regierungschef hatte bisher eine große Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Vor zwei Jahren war der russische Präsident Wladimir Putin zu Gast bei Christoph Leitl. Nicht das erste Mal, rechnet der österreichische Wirtschaftskammerpräsident in seinem 14. Amtsjahr vor:
    "Und heute im Jahr 2014, das 3. Mal!"
    "Diktatur!" meint Putin spontan und ergänzt verschmitzt: "Aber, gute Diktatur!"
    Energieabhängigkeit von und Wachstumsmöglichkeiten in Russland
    Russland ist für Österreichs Exportwirtschaft, rein am Umsatz gemessen, nicht wichtiger als Rumänien oder Belgien. Doch die große Energieabhängigkeit einerseits und die angenommenen riesigen Wachstumsmöglichkeiten in Russland nähren Ängste und Hoffnungen.
    Der jüngste Deal zwischen dem österreichischen halbstaatlichen Energiekonzern OMV und dem Kreml-nahen russischen Energieriesen Gazprom ist ein Beispiel dafür: OMV bietet Gazprom eine Beteiligung an seiner Nordsee-Ölförderung an. Im Gegenzug erhalten die Österreicher von den Russen einen Anteil am sibirischen Gasfeld Urengoy in Sibirien. Die Erwartungen sind hoch und OMV Chef Rainer Seele nahezu beseelt davon:
    "Auf Grundlage erster Ergebnisse erwarten wir Reserven von rund 600 Millionen Barrels, dies entspricht mehr als der fünffachen Produktion der OMV im Jahr 2015."
    Der Vertrag soll noch in diesem Jahr unterzeichnet werden. Auch an Nord-Stream II, der erweiterten Gasleitung durch die Ostsee, wollen die ungleichen Partner gemeinsam bauen und profitieren. Als EU-Mitglied zeigt sich Österreich solidarisch mit der Europäischen Union und steht zu den Sanktionen gegen Russland, aber die kleine Alpenrepublik will auch große Geschäfte machen. Bundespräsident Heinz Fischer ist sich der diplomatischen Doppelrolle bewusst und will vermitteln:
    "Ich habe im Gespräch mit dem Präsidenten Putin auch von der Möglichkeit einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen gesprochen. Dass man, je nachdem wie es Fortschritte im Minsker Prozess gibt, auch nicht nach der Divise Alles oder Nichts handelt, sondern schrittweise sich einer Abschaffung der Sanktionen nähert. Ich würde das für einen sehr überlegenswerten Weg halten. Ich glaube, dass man auch in Deutschland über eine solche Strategie nachdenkt."
    Im diesem Sommer will die Europäische Union über ihre EU-Sanktionen gegen Russland neu entscheiden.