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Russisch-Ukrainischer Gasstreit
Was der Kompromiss für Deutschland bedeutet

Das Gezerre um die Gaslieferungen Russlands in die Ukraine hat ein Ende. Die Gasversorgung Europas im kommenden Winter ist wieder ein Stück sicherer geworden. Politiker atmen auf. Aus der Wirtschaft wird hingegen schon die nächste Forderung laut.

Von Michael Braun | 31.10.2014
    Der polnische Premierminister Donald Tusk und EU-Energiekommissar Günter Oettinger bei Gasgesprächen in Warschau.
    Der polnische Premierminister Donald Tusk (r.) und EU-Energiekommissar Günter Oettinger (l.) bei Gesprächen in Warschau. (picture alliance / dpa / Radek Pietruszka)
    Gas wird billiger. Der Preistrend der letzten Tage, der vor allem mit dem sinkenden Ölpreis zu tun hatte, hat sich heute verstetigt. Diesmal, sagen Marktbeobachter, liege es vor allem am offenkundig gelösten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Heute sank der Preis für Gas, umgerechnet auf eine Megawattstunde Energie, erstmals seit September unter 22 Euro. Vor zwei Tagen waren es noch 24 Euro. Die Analysten sind froh, dass ihre Krisenszenarien nicht aufgegangen sind. Josef Auer von DB Research, dem Analysehaus der Deutschen Bank, hatte berechnet, was es preislich bedeutet hätte, wenn Russland seine Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt hätte:
    "Wir hatten bei einem Lieferausfall gegenüber der Ukraine erwartet, dass die Gaspreise in Deutschland auch um zehn bis 15 Prozent steigen könnten. Hätte es einen Totallieferausfall seitens Russlands gegenüber Westeuropa gegeben, dann hätten die Preise sogar noch zwei- oder dreifach stärker steigen können. Von daher ist es ein deutlich positives Signal, dass jetzt eine Einigung im Raum steht."
    Groß war auch die Sorge, nicht nur über den Preis, sondern auch physisch zumindest indirekt den Streit zwischen Russland und der Ukraine ausbaden zu müssen. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen Russland wie in den 1990er Jahren noch 93 Prozent seiner Gasausfuhr nach Westeuropa durch die Ukraine leitete. Aber 50 Prozent fließen immer noch an Kiew vorbei. Dort wurden schon mal Leitungen angezapft und Gas abgezweigt. Auch Reimporte russischen Gases aus Westeuropa zurück in die Ukraine hatten den russischen Lieferanten verärgert:
    "Dieses Risiko ist jetzt viel geringer, weil ja jetzt weder Gaslieferungen stattfinden und von daher kein Reexport Richtung Ukraine stattfinden muss."
    Unbezahlte Rechnungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro
    Die EU hatte zur Entspannung beigetragen, weil sie die Ukraine offenkundig gedrängt hatte, europäische Hilfsgelder einzusetzen, um die nicht bezahlten Gaslieferungen aus Russland endlich zu begleichen. Die offenen russischen Forderungen beliefen sich auf 2,5 Milliarden Euro.
    Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank hofft als Ergebnis der Krise auf den Lerneffekt,
    "... dass uns bewusster wird, wie abhängig wir hier in Europa sind von wenigen Anbietern. Und dass wir hier in der Zukunft sowohl, was jetzt Energieträger angeht, diversifizieren, also Förderung der grünen Energie, Effizienzsteigerungen auch bei der Verwendung der aktuellen Netze, aber auch eine weitere Diversifizierung, was jetzt die neuen Anbieter angeht."
    Und die Exportwirtschaft hofft schon leise, nachdem der Gasstreit gelöst scheint, sollten auch die Sanktionen bald fallen. Das wachstumsschwache Europa könne diesen Impuls gerade gut gebrauchen.