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Russische Medien
Im Grundton Kreml-kritisch: der Sender RTVD OstWest

Ein russischer Bezahlsender für Zuschauer in Deutschland: RTVD OstWest in Berlin will der russischstämmigen Community in Deutschland ein Zuhause bieten - jenseits staatlicher Propaganda.

Von Gesine Dornblüth | 03.04.2018
    Screenshot RTVD
    RTVD berichtet über deutsche, europäische und russische Themen (Deutschlandradio)
    Die Abendnachrichten bei RTVD OstWest machen an diesem Tag mit dem gleichen Thema auf wie die meisten anderen Sender in Deutschland: Mit Angela Merkels Regierungserklärung und ihrer Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland. Die Reporterin meldet sich direkt aus dem Reichstag.
    "Islam eto bezuslovno chast` Germanii."
    Maria Makejewa ist mit dem Auftritt zufrieden. Sie ist Chefredakteurin des Berliner Senders. Zuvor hat sie den kremlkritischen Fernsehsender Doschd in Moskau mit aufgebaut. Nun soll sie das journalistische Profil von RTVD OstWest schärfen.
    "Wir wollen den Russischsprachigen die Möglichkeit geben, sich sprachlich zuhause, unter ihresgleichen zu fühlen, wie in einem Club. Zugleich sollen sie spüren, dass sie in Europa leben. Wir wollen die Leute informieren, was um sie herum passiert. Damit sie nicht in einer Blase leben; damit sie sich glücklich fühlen."
    Von Berlin nach Paris
    RTVD berichtet über deutsche, europäische und russische Themen. An diesem Tag geht es von Berlin nach Paris, zu Manuel Macrons Reformplänen für die EU, es geht um eine Antiterrorübung in Frankfurt am Main und um die Reklame der staatlichen russischen Billigfluglinie "Pobeda", auf Deutsch "Sieg". Dort ist ein Flugzeug zu sehen, auf das die Worte "na Berlin" gemalt sind. Das bedeutet "gen Berlin" und stand 1945 auf den sowjetischen Panzern, die Richtung Berlin fuhren.
    "Was denken Sie darüber? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare auf unserer Facebook-Seite."
    Der Nachrichtensprecher fordert die Zuschauer auf, bei Facebook darüber zu diskutieren. Die Kommentare reichen von "unschön" und "peinlich" bis "erfolgreiches Marketing".
    Mit knappem Geld und einer Handvoll Journalisten
    RTVD ist im Grundton Kreml-kritisch. Das Programm setzt sich damit deutlich vom russischen Staatsfernsehen ab. Der Bezahlsender gehört einem Unternehmer, der bereits zum Ende der Sowjetunion aus Charkiw in der heutigen Ukraine nach Berlin übersiedelte. RTVD OstWest hat rund 100.000 Abonnenten. Das Geld ist knapp.
    Der Kanal sendet aus einer Büroetage in der Westberliner Innenstadt. Eine Handvoll Journalisten stemmen die tägliche 20minütige Nachrichtensendung, Kommentare und Diskussionssendungen. Ansonsten laufen russische Spiel- und Dokumentarfilme, Shows und Theateraufzeichnungen.
    Mit der Chefredakteurin ist noch eine zweite Moskauerin ins Team gekommen. Die Menschenrechtsaktivistin Olga Romanowa hat früher politische Magazine in dem russischen Fernsehsender Ren-TV moderiert. Jetzt lebt sie in Berlin und hat eine eigene Kolumne bei RTVD.
    "Anfangs hatte ich große Angst, zu sagen, was ich wirklich denke, besonders im Hinblick auf die Ukraine. Aber zum Glück haben wir da sehr ähnliche Positionen. Selbst die Maskenbildnerin, die Assistentin, der Kameramann, der Tonmann. Das sind vor allem Ukrainer oder russischsprachige Israelis. Und wir denken ähnlich."
    "Aus journalistischer Sicht ist das eine Goldgrube"
    Chefredakteurin Makejewa würde gern Exklusivgeschichten bringen und mehr aus den deutschen Provinzen berichten. Und sie möchte Diskussionen veranstalten, möchte versuchen, die Lager in Deutschland miteinander ins Gespräch zu bringen: Sowohl Russischsprachige untereinander, als auch Zuwanderer und Einheimische.
    "Es gibt hier so viele Schichten und so viel Unausgesprochenes."
    "Aus journalistischer Sicht ist das eine Goldgrube."
    Zweimal die Woche präsentiert Moritz Gathmann bei RTVD OstWest die Nachrichten. Ein Deutscher.
    "Wie einst über Berlin gesagt wurde, arm aber sexy, ich glaube, das gilt auch für unseren Sender."
    "Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, die Leute wirklich abzuwerben vom russischen Staatsfernsehen. Unser Ziel sollte es sein, vielleicht zu erreichen, dass die Leute das gucken und unseren Sender auch."