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Russische Nationalisten
Der Kampf der Putin-Verehrer

Protestaktionen gegen die russische Regierung werden immer häufiger von Provokateuren gestört, die Kreml-Kritiker einschüchtern - die "Nationale Befreiungsbewegung" ist eine dieser Gruppierungen. Ihr Slogan lautet "Heimat, Freiheit, Putin", sie sieht sich im Kampf gegen ausländische Aggressoren.

Von Gesine Dornblüth | 21.01.2015
    Vermummte prorussische Separatisten
    Separatisten in der Ukraine: Die "Nationale Befreiungsbewegung" tritt mit Symbolen der Kämpfer auf. (Maksim Blinov, dpa)
    "Den Menschen zur Freude, den Feinden zum Tod."
    Im weißen Pelzmantel steht eine blonde junge Frau vor einer Kulisse verschneiter Birken. In den Händen hält sie eine Kalaschnikow in schwarz-weißem Flecktarn. Am Mantel steckt das orange-braun gestreifte Georgsband, das auch die Separatisten in der Ostukraine tragen.
    "Der Feind wird zerschlagen. Wir werden siegen. Und wenn wir verlieren, vernichten wir die ganze Welt."
    Ihr Arm beschreibt einen großen Kreis. Ein Atompilz steigt auf.
    Die Frau im Video heißt Maria Katasonova, 19 Jahre alt. Sie ist die Assistentin eines Duma-Abgeordneten der Kremlpartei "Einiges Russland". Sie habe den Spot für den "Landsturm" gedreht. Sie meint die Separatisten in der Ostukraine.
    "Wir wollten zeigen, wozu die weitere Eskalation des Konflikts führen kann. Russland ist eine Atommacht."
    Maria Katasonova gehört zur "Nationalen Befreiungsbewegung", kurz NOD. Nach eigenen Angaben hat sie russlandweit 170.000 Anhänger. Ihr Slogan lautet "Heimat, Freiheit, Putin". Ihre Mitglieder glauben, dass der Westen einen Krieg gegen Russland führe, dass er Russland vernichten wolle, und dass der Krieg in der Ukraine nur der Auftakt sei.
    Katasonovas Arbeitgeber, der Duma-Abgeordnete Jewgenij Fjodorow, hat die Bewegung gegründet. Er ist 51 Jahre alt, seit 2011 im Parlament und behauptet, Russland sei eine Kolonie der USA.
    "Russland muss den Angriff von außen zurückschlagen: die aggressive Intervention Deutschlands und vor allem der USA, ihren militärischen Staatsumsturz in der Ukraine. Das passiert schon zum dritten Mal in hundert Jahren. Der Konkurrenzkampf zwischen den Mächten geht immer weiter."
    Protestler werden als "Fünfte Kolonne" bezeichnet
    Die Aktivisten der Nationalen Befreiungsbewegung kämpfen mit, nicht nur im Internet, sondern vor allem auf der Straße.
    Ende Dezember vor einem Moskauer Bezirksgericht. An diesem Tag soll das Urteil gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny verkündet werden. Ihm wird Unterschlagung vorgeworfen, das Verfahren ist politisch motiviert, einen Geschädigten gibt es nicht. Der Zugang zum Gericht ist abgesperrt. Alles ist ruhig. Dann auf einmal Rufe.
    "Ein Dieb muss sitzen" - eine Losung Nawalnys, die eigentlich auf Präsident Putin zielt. Die Rufer sind von der Nationalen Befreiungsbewegung, und sie meinen Nawalny. Natürlich ist auch Maria Katasonova da.
    "Ein Dieb muss sitzen. Das hat er selbst immer gesagt. Aber unabhängig davon, ob er etwas geklaut hat - Leute, die zu einem Staatsumsturz aufrufen, die zu einem Maidan aufrufen, gehören ins Gefängnis."
    Für den Abend haben Nawalnys Anhänger Proteste angekündigt. Ein Maidan wie in Kiew ist in Russland aber nicht in Sicht. Die Protestbewegung, die vor drei Jahren noch hunderttausend Menschen mit weißen Schleifen auf die Straße brachte, ist eingeschlafen, zu Solidaritätskundgebungen etwa für Nawalny kamen zuletzt wenige hundert Aufrechte. Trotzdem gründete sich letzte Woche sogar eine neue Bewegung mit dem Namen "Antimaidan".
    Der Abgeordnete Jewgenij Fjodorow erzählt, seine Leute machten allein in Moskau 3.000 Aktionen im Jahr. Oft stören sie friedliche Veranstaltungen von Kreml-Kritikern, schaffen Vorwände für die Polizei, einzugreifen.
    "Jeder Kampf und jeder Sieg bestehen aus tausenden, vielleicht Millionen Kampfepisoden. Nawalny ist von außen gelenkt, er gehört zur Fünften Kolonne, zu ausländischen Kräften auf russischem Gebiet."
    Die "Fünfte Kolonne" - auch Präsident Putin verwendet diesen Begriff. Er stammt aus dem spanischen Bürgerkrieg, meint subversive Gruppen, die einen Staat im Interesse eines äußeren Aggressors schädigen wollen. Die Nationale Befreiungsbewegung hat ganze Listen mit Mitgliedern der Fünften Kolonne erstellt. Auch der russische Wirtschaftsminister steht darauf. Er erlaubt sich mitunter Kritik am Kreml-Kurs, gilt als vergleichsweise liberal.
    "Das ist eine gezielte, durchdachte Tätigkeit"
    Wie es scheint, ist den kremltreuen Aktivisten kein Anlass zu gering, das Vaterland zu verteidigen. Frühjahr 2014. Ein Restaurant im Moskau. Ein russisches Internetportal zeigt, gemeinsam mit der deutschen Böll-Stiftung, einen Film über homosexuelle Jugendliche in Russland. Es ist ein geschlossener Saal, eine private Veranstaltung. Die Vorführung hat gerade begonnen, da betreten junge Leute den Raum. Vorneweg: natürlich Maria Katasonova, und natürlich mit dem Georgsband an der Bluse.
    "Wir wissen, dass hier gegen das Gesetz verstoßen wird. Dass hier Schwulenpropaganda läuft. Wir haben Informationen, dass hier Minderjährige sind. Zeigen Sie Ihre Pässe!"
    Die Vorführung wird unterbrochen. Die Polizei kommt. Es sind keine Minderjährigen im Saal. Es findet kein Gesetzesverstoß statt. Nach einer Stunde läuft der Film weiter. Der Abgeordnete Fjodorow:
    "Diese Filmvorführung war von der Fünften Kolonne organisiert, es ging um die Ausbildung von Propagandisten, die den USA helfen sollen, Russland zu vernichten."
    Die Menschen glaubten wirklich, dass Russland bedroht sei, meint der Soziologe Lew Gudkow vom Lewada-Institut:
    "Mindestens zwei Drittel der Bevölkerung sind tief überzeugt, dass der Westen Russland kolonisieren, schwächen, erniedrigen will."
    Gudkow meint, dass Gruppen wie die Nationale Befreiungsbewegung vom Kreml gesteuert werden.
    "Das wird von der Präsidialverwaltung geplant und organisiert und mit der Polizei und dem FSB koordiniert. Da ist nichts spontan. Das ist eine gezielte, durchdachte Tätigkeit, die im Übrigen auch sehr viel Geld kostet."
    Die Tätigkeit wirkt. Maria Katasonova ist stolz darauf.
    "Vor anderthalb Jahren kannten die mit den weißen Schleifen uns gar nicht. Jetzt haben sie Angst vor uns. Wenn sie wissen, dass wir kommen, ändern sie ihre Aktionen, halten sie geheim. Wir wiederholen immer wieder: Wir werden in Russland keinen gewaltsamen Umsturz zulassen. Hier wird das nicht gelingen."