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Quassel-Parcours mit Hindernissen

Schon in den 1920er Jahren erhielten in Deutschland die Großstädte eigene Vorwahlnummern für das damals noch junge Telefonnetz. International einheitliche Vorwahlen dagegen setzten sich nach langen Querelen in den 60er Jahren durch. Eine ähnliche Entwicklung findet jetzt im boomenden Markt der Internettelefonie statt. Nur langsam reagieren jetzt die Regulierungsbehörden und versuchen, Ordnung in das digitale Nummernchaos zu bringen.

04.12.2004
    Schnell entdeckten PC-Enthusiasten im Zuge von preiswerten und vor allem ständig an das weltweite Datennetz angekoppelten Breitbandanschlüssen ein neues Betätigungsfeld: das Telefonieren über das Internet. Selbst mit simplen Werkzeugen wie etwa dem schon in Windows 95 vorhandenen Programm "Netmeeting" ließ sich nicht nur in erträglicher Qualität über Kontinente hinweg miteinander sprechen, sondern sogar "videofonieren" - wenn die Bilder dabei auch eher an Daumenkino als an eine Live-Übertragung erinnerten. Neben der technischen Faszination lockten dabei vor allem die geringen Kosten der Verbindungen im Vergleich zu den hohen Gebühren bei klassischen Telefonanbietern. Vor allem dieser Punkt ist es bis heute, der das Telefonieren über das Internet zum lukrativen Geschäft für jene macht, die sich frühzeitig in diesem Markt engagierten und heute den Branchenriesen ernste Konkurrenz bereiten. "Die Verfügbarkeit von Breitband, von spezialisierten Übertragungsprotokollen und Endgeräten sowie von Kompressionsstandards und nicht zuletzt auch die Liberalisierung in der Telekommunikation verschaffen der Internettelefonie eine wachsende Akzeptanz", meint auch Michael Haberler, Vorstand der Internet Privatstiftung Austria.

    Doch das globale Quasseln in Paketen hat auch seine Tücken und Probleme. Zwar ist die Software heute ausgereift und die Tonqualität längst auf ISDN-Niveau, doch der Übergang von Internet auf lokale Festnetze und vice versa klappt nicht immer reibungslos. Größtes Hindernis ist dabei - ähnlich wie in den frühen Jahren des klassischen Telefons - die Unordnung bei der Vergabe von Rufnummern. Während jede Vermittlung weltweit die Vorwahl 0049 nach Deutschland und anschließend etwa 221 nach Köln durchstellt, sind die Rufnummern von Teilnehmern im Internet keineswegs so ordentlich zugeordnet. Ändern sollen das jetzt die Zuteilungsregeln für Nationalen Teilnehmerrufnummern, die die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) jüngst veröffentlichten. Bislang lag die Verwaltungshoheit über diese Rufnummern allein bei der RegTP und konnten nur Netzbetreiber solche Nummernblöcke anfordern. Künftig aber sollen auch Anbieter von Voice-over-IP-Diensten für die Webtelefonie, die über kein eigenes Netz verfügen, dazu Zugang erhalten. Überdies soll die Zuteilungsgröße von bislang 1000 auf 100 Nummern pro Rufnummerblock schrumpfen, um so auch kleineren Anbietern den Einstieg zu erleichtern. Wer solche Rufnummern aus einzelnen Ortsnetzen erhalten möchte, muss dann auch im entsprechenden Ortsbereich wohnen. Daneben werden Rufnummern bereit gestellt, die ähnlich den Mobilfunknummern keinen geografischen Bezug tragen. Durch die neue Vergaberegelung, so erwarten Experten, sei mit einer weiteren Expansion der Anbieter zu rechnen.

    Für den Verbraucher birgt dies indes nicht nur Vorteile wie etwa sinkende Kosten, sondern dürfte auch zu einer Zunahme bei den ohnehin kaum noch überschaubaren Angeboten führen. Während einerseits geringe Kosten zum Webtelefonieren laden, schrecken verschiedene Standards wie etwa Skype oder SIP, die untereinander nicht kompatibel sind, eher ab. Hier zeichnen sich erneut typische Entwicklungen hin zu einer Diversifizierung ab. Doch solange ein Webtelefon nicht auch jedes andere erreichen kann, dürfte der endgültige Durchbruch der Webtelefonie auf sich warten lassen. Überdies sollte jeder Interessent angesichts des dynamischen Marktes darauf achten, dass er eine einmal erhaltene Rufnummer auch bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter behalten darf, denn sonst droht eine Rufnummer-Inflation wie bei den Emailadressen. Andererseits, so meint Michael Haberler, sei die reine Nachbildung der herkömmlichen Telefonie auf dem Internet allein nicht erstrebenswert: "Viel interessanter sind verschiedene neue Kommunikationsdienste, die alle in einem einzigen Endpunkt zusammenlaufen." Dazu könnte ENUM - das tElephone NUmber Mapping - gehören. Dieses Verzeichnis soll dereinst Telefonnummern und Internetadressen zueinander in Beziehung setzen. Aber dem müssen nicht nur deutsche, sondern auch internationale Regulierungsbehörden zustimmen, was aber vermutlich noch in weiter Ferne liegt.

    [Quelle: Pia Grund-Ludwig]