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Russische Sportler bei den Olympischen Spielen
"Ein Komplettausschluss wäre Wasser auf Putins Mühlen"

In Russland rechne man damit, das die Leichtathleten von den Olympischen Spielen in Rio ausgeschlossen werden, sagte Moskau-Korrespondentin Gesine Dornblüth im DLF. Es sei mit einer Klagewelle zu rechnen. Ein Ausschluss der kompletten Olympiamannschaft werde in der Öffentlichkeit kaum diskutiert, würde aber eine neue Welle der Propaganda nach sich ziehen, so Dornblüth.

Gesine Dornblüth im Gespräch mit Astrid Rawohl | 12.06.2016
    Die russische Hochspringerin Yevgenia Fedotova bei einem russischen Leichtathletik-Wettkampf in Moskau im Februar 2016.
    Die russische Hochspringerin Yevgenia Fedotova bei einem russischen Leichtathletik-Wettkampf in Moskau im Februar 2016. (picture alliance/dpa - Mikhail Japaridze)
    Kommende Woche entscheidet der Leichtathletik-Weltverband, ob die russischen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Rio starten dürfen. Der russische Sport, insbesondere die Leichtathletik, ist nach den Enthüllungen der ARD und Berichten der Welt-Anti-Doping-Agentur mit gravierenden Doping-Vorwürfen belegt.
    Doping sei ein Riesenthema und fast täglich in Nachrichten, sagte Deutschlandradio-Korrespondentin Gesine Dornblüth. Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa habe angekündigt zu klagen, sollte sie nicht bei den Olympischen Spielen in Rio im August starten dürfen. In der Öffentlichkeit rechne man aber damit, dass es den Ausschluss der Leichtathletik geben wird und der Sportminister Mutko habe deutlich gemacht, dass dies eigentlich keine Katastrophe wäre.
    Boykott und Nichtteilnahme aus Solidarität unwahrscheinlich
    Dass die anderen Athleten aus Solidarität auch nicht nach Rio fahren oder Russland aus Prinzip einen Boykott erklärt, hätten Dornblüths Gesprächspartner für unwahrscheinlich gehalten. Bei den Sportlern sei sich vermutlich jeder selbst der nächste. Zudem wäre ein Boykott für Russland argumentativ schlecht: Man könnte sich dann nicht mehr als Opfer darstellen. Bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 habe Russland zudem selbst argumentiert, dass ein Boykott nichts bewirke.
    Zu erwarten sei aber eine Klagewelle von Sportlern, die nicht des Dopings überführt wurden und die trotzdem nicht starten dürfen, so Dornblüth. Eine Konsequenz könnte sein, dass Russland sich zurückziehen könnte. Das wäre schlecht für den Sport, da Russland Strukturen mittrage und Wettbewerbe ausrichte. Der Ausschluss der Leichtathletik werde aber wird nicht zu ernsthaften politischen Verwerfungen führen.
    Ausschluss des gesamten Teams Anlass für neue Propaganda
    Im Vergleich zu den Sanktionen gegen Russland sei der Aufschrei angesichts des drohenden Ausschlusses in der russischen Öffentlichkeit gering. Sollte es aber zu einem Ausschluss der kompletten Olympiamannschaft kommen, hätte das nach Einschätzung von Dornblüth eine größere Tragweite. Der Komplettausschluss würde eine "sehr große Empörung und eine neue Welle von Propaganda nach sich ziehen."
    Putins Macht beruhe darauf, dass er sagt, dass alle anderen Russland Schlechtes wollen. Daher wäre ein Komplettausschluss Wasser auf Putins Mühlen, und würde indirekt dessen Macht stärken, so Dornblüth.
    Zudem sei ein Charakteristikum russischer Außenpolitik deren Unberechenbarkeit. Sie könnte dazu führen, dass Russland erneut vorgeht gegen seine Nachbarn und eventuell soweit gehe, ein Land zu überfallen wie am Eröffnungstag der Olympischen Sommerspiele 2008 in China, als Russland Georgien angriff. Derzeit sei aber Russland diplomatisch auf dem Rückzug, versuche, die Krim zu wahren, aber suche keinen weiteren Streit, so Dornblüth.
    Das vollständige Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.