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Russischer Antiamerikanismus gepaart mit Obama-Unterstützung

Mitt Romney hatte im Wahlkampf erklärt, Russland sei ohne Frage der Hauptfeind der USA. Obama wies ihn im Fernsehduell darauf hin, der Kalte Krieg sei vorbei. So haben die Russen eine klare Präferenz für den Ausgang der US-Wahl, mögen aber die Amerikaner ohnehin nicht sonderlich.

Von Gesine Dornblüth | 06.11.2012
    Wladimir Putin macht keinen Hehl daraus, wer ihm in den nächsten Jahren als Präsident der Vereinigten Staaten lieber wäre. In einem Interview mit dem Auslandssender Russia Today sagte er bereits vor einigen Wochen:

    "In den letzten vier Jahren haben die Präsidenten Obama und Medwedew große Fortschritte in der Festigung der russisch-US-amerikanischen Beziehungen erzielt."

    Putin nannte zum Beispiel die Unterzeichnung des START-Vertrages und den gemeinsamen Antiterrorkampf. Auf das Konfliktthema Nummer 1 zwischen den USA und Russland, den geplanten Raketenabwehrschirm der Amerikaner, angesprochen, versicherte der russische Präsident:

    "Ich glaube, dass Obama dieses Problem wirklich lösen möchte. Ich habe ihn beim G 20 Treffen in Mexiko gesprochen. Wir haben zwar mehr über Syrien geredet, aber ich konnte mir dennoch ein Bild machen. Ich glaube, er ist ein ehrlicher Mann und will wirklich viel verändern."

    Auch Igor Schuwalow, stellvertretender Premierminister Russlands, hat sich auffallend lobend über Obama geäußert.

    "Die derzeitige US-Administration hat uns, anders als die vorherige, geholfen, der WTO beizutreten. Sie schwingt keine großen Reden über Freundschaft oder Bündnispartnerschaft. Diese Administration arbeitet sehr gezielt und sachlich, ohne politische Hysterie in die eine oder andere Richtung."

    Natürlich werde er auch mit einem Präsidenten Mitt Romney zusammenarbeiten, ließ Putin wissen, aber die Zusammenarbeit werde nur so gut funktionieren, wie der andere das wolle. Auf Romneys Feindrhetorik ging Putin gern ein.

    "Wenn wir über die Raketenabwehr sprechen, sagen unsere amerikanischen Partner uns immer: Das ist nicht gegen euch gerichtet. Aber was passiert, wenn Herr Romney Präsident wird? Ein Mann, der uns für seinen Feind Nummer eins hält? Dann wird sich das Abwehrsystem ganz sicher gegen uns richten. Technisch ist es das ja schon."

    Vor dem eigenen Publikum brandmarkt Putin die USA selbst immer wieder als Feind. Er unterstellt den USA seit Monaten, sie stünden hinter den Protesten in Russland und wollten das Land von innen zersetzen. Mantrahaft wiederholen die staatlich gelenkten Medien, wer in Russland gegen Putin protestiere, sei vom US-State-Department bezahlt. Die US-Hilfsorganisation USAID musste sogar kürzlich ihre Arbeit in Russland einstellen, wegen angeblicher politischer Einmischung.

    Die USA hatten in den vergangenen Wochen wiederholt das scharfe Vorgehen der russischen Regierung gegen ihre Gegner kritisiert.
    In Moskau kommt das nicht gut an. Die Russen leiden noch immer unter dem Verlust ihres Großmachtstatus. Sie fühlen sich von den USA nicht ausreichend ernst genommen. Und jegliche Kritik aus den USA löst bei ihnen Trotzreaktionen aus.

    So ist wohl auch die Äußerung von Außenamtssprecher Aleksandr Lukaschewitsch über die US-Wahlen zu verstehen. Kürzlich sagte er russischen und ausländischen Journalisten bei einem seiner wöchentlichen Briefings:

    "Die Wahlen in den USA sind keineswegs einwandfrei im Hinblick auf internationale Standards. In den USA wird der Präsident nicht direkt gewählt, sondern von Wahlmännern. Die Wahl selbst ist verwirrend, archaisch und dezentral."

    Wladimir Tschurow, Vorsitzender der Russischen Wahlkommission, setzte vergangene Woche noch einen drauf: Er verwies auf Unregelmäßigkeiten in den Wählerlisten der USA, dort seien 1,8 Millionen Tote aufgeführt. Es sind dieselben Mängel, die nationale und internationale Beobachter viele Male in Russland beanstandet haben.
    Das alles fügt sich in den weitverbreiteten Antiamerikanismus in Russland. In einer Umfrage gaben knapp 40 Prozent der Russen an, sie empfänden die USA als negativ. Zugleich glaubt die Mehrheit der Russen, dass ein Präsident Obama besser für Russland sei als ein Präsident Mitt Romney.

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