Freitag, 29. März 2024

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Russischer Botschafter zu US-Luftangriff in Syrien
"Ein völkerrechtswidriger Aggressionsakt gegen einen souveränen Staat"

Russlands Botschafter in Deutschland, Wladimir Grinin, hat den Raketenagriff der USA auf einen Stützpunkt der syrischen Armee als "absolut inakzeptabel" bezeichnet. Damit würden die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um Frieden in Syrien unterminiert, sagte Grinin im DLF. Der Angriff spiele der Terrormiliz IS in die Hände.

Wladimir Grinin im Gespräch mit Sarah Zerback | 12.04.2017
    Wladimir Michailowitsch Grinin (Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland) in der ARD-Talkshow GÜNTHER JAUCH am 15.02.2015 in Berlin Thema der Sendung: Merkels Mission - Wie groß ist die Hoffnung auf Frieden?
    Wladimir Michailowitsch Grinin, Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland (imago/Müller-Stauffenberg)
    Sarah Zerback: Rückendeckung für seinen Besuch in Moskau hat sich Rex Tillerson gestern im italienischen Lucca geholt und bekommen. Dort waren sich die Außenminister der G7-Staaten einig: Frieden in Syrien kann es nur ohne Baschar al-Assad geben und dafür muss Russland endlich die Seiten wechseln. Das ist die Kernforderung Richtung Moskau. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Wladimir Grinin. Er ist Russlands Botschafter in Deutschland. Guten Morgen, Herr Botschafter.
    Wladimir Grinin: Guten Morgen, Frau Zerback.
    Zerback: Heute trifft Sergei Lawrow auf seinen US-amerikanischen Kollegen, Außenminister Rex Tillerson. Die beiden hatten ja am Sonntag schon am Telefon über den US-Angriff auf Syrien gesprochen. Was erwarten Sie heute vom amerikanischen Außenminister?
    Grinin: Das ist nicht leicht zu sagen. Aber ich kann unsere Position wiedergeben, und zwar besteht die nach wie vor darin, dass es ein völkerrechtswidriger Aggressionsakt gegen einen souveränen Staat war. Washington hat unter einem vorgetäuschten Vorwand einen Luftangriff gegen einen unabhängigen Staat geflogen und infolge dessen sind die Militärs der regulären syrischen Streitkräfte ums Leben gekommen. Das ist aus unserer Sicht ein absolut unakzeptabler Schritt. Der ist anscheinend durch die innenpolitische Lage in den USA verursacht worden, unterminiert die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die eine friedliche Lösung für den Syrien-Konflikt sucht, und dieser Konflikt dauert schon sechs Jahre. Andererseits spielt er eindeutig in die Hände der IS-Milizen in der Provinz Idlib.
    "Weder USA noch Verbündete haben einen einzigen Beweis vorgelegt"
    Zerback: Was Sie nun völkerrechtswidrig nennen, dafür gibt es allerdings breite Unterstützung, auch von der Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch von unserer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die haben ihn als nachvollziehbar bezeichnet. Wenn nun mehr als 80 Menschen elendig sterben, mutmaßlich durch Giftgas, muss die Weltgemeinschaft dann nicht eingreifen?
    Grinin: Wissen Sie, was den Vorwand für Raketenangriffe anbelangt, so wurde schon nicht wenig darüber gesagt. Weder die USA, noch deren Verbündete, die diese Luftangriffe unterstützt haben, haben einen einzigen Beweis dafür vorgelegt, dass die Regierungstruppen an dem Giftgas-Angriff mit beteiligt waren. Die Amerikaner zeigen sich unangemessen, wenn sie sich hinter gewissen Informationen verstecken, um Entscheidungen über militärische Aktionen zu treffen. Wir plädieren dafür, dass dieser Zwischenfall möglichst sorgfältig ermittelt wird.
    Zerback: Das ist natürlich ein ganz wichtiges Stichwort, Herr Grinin. Indem Russland aber das syrische Regime in Schutz nimmt und wiederholt in der Vergangenheit UN-Resolutionen mit seinem Veto blockiert hat, verhindert Russland doch eine Untersuchung der Vorfälle. Wie passt das zusammen?
    Grinin: Wir machen das nicht. Ganz umgekehrt! Wir haben mehrmals vorgeschlagen, dass diese Untersuchung durchgeführt wird, aber man reagiert darauf nicht.
    Zerback: Nun haben Sie ja vielleicht heute wieder Gelegenheit dazu. USA, Frankreich und Großbritannien haben ja gerade einen neuen Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingebracht. Wird Moskau dieses Mal zustimmen?
    Grinin: Wissen Sie, wir haben unseren eigenen Entwurf vorgeschlagen, vorgelegt und wir warten darauf, dass es zu einer gewissen Reaktion kommt.
    "Wir unterstützen nicht das Assad-Regime"
    Zerback: Wenn sich denn nach Untersuchungen nun die Vermutung bestätigen sollte, dass das Assad-Regime hinter dem Angriff mit C-Waffen der vergangenen Woche in Idlib steckt, und es wäre nicht das erste Mal, ist die Unterstützung Assads dann noch vertretbar?
    Grinin: Lassen Sie uns die Ergebnisse dieser Untersuchungen abwarten. Jedenfalls ich möchte nochmals das wiederholen, was unsererseits mehrmals gesagt worden ist, und zwar: Wir unterstützen nicht das Assad-Regime. Wir unterstützen den einheitlichen Staat Syrien. Wir wollen, dass dieser Staat weiter existiert, dass die Bevölkerung selbst entscheidet, wer dort regieren wird. All diese Punkte des künftigen Prozesses haben wir auch mit den Amerikanern abgestimmt, aber die wollen das nicht erfüllen. Das ist das Problem.
    Zerback: Aktuell scheint die Situation da ja eher zu eskalieren. US-Außenminister Rex Tillerson – wir haben ihn im Vorfeld des Besuchs heute gehört – hat Präsident Putin scharf angegangen, hat gesagt, erst seine Passivität habe den Angriff mit Giftgas ermöglicht. Russland sei unfähig, weil es versäumt habe, auf die Einhaltung der Vereinbarung von 2013 zu bestehen, also auf die Vernichtung aller Giftgas-Reserven. Syrien ist passiv und unfähig. Dabei hatte Trump doch eigentlich angedeutet, die Beziehungen zu Russland verbessern zu wollen. Spricht Washington da noch mit einer Stimme?
    Grinin: Das ist eine interessante Frage und ich habe schon am Anfang gesagt, dass dort wahrscheinlich innenpolitische Spiele durchgeführt werden. Was unsere Position angeht und die Position des Präsidenten, so würde ich Ihnen empfehlen, russisches Fernsehen einzuschalten. Er hat dort ein Interview gegeben.
    "Das größte Problem für uns alle ist der globale Terrorismus"
    Zerback: Dann müssten Sie mir bei der Übersetzung helfen, Herr Grinin, fürchte ich.
    Grinin: Jedenfalls das, was ich gesagt habe, das ist mit anderen Worten ausgedrückt in seinem Interview. Aber die Position bleibt nach wie vor, dass wir eine gemeinsame Lösung suchen, und das größte Problem für uns alle, nicht nur für Russland und die Amerikaner, auch für Deutschland, für die amerikanischen Verbündeten, ist der globale Terrorismus. Und wir müssen vor allen Dingen in dem syrischen Konflikt eine gemeinsame Lösung finden, die wir schon ausgearbeitet haben, und dann uns einschalten in die Problematik der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Das ist das Wichtigste für heute.
    Zerback: Im Licht dieser schwierigen Situation heute, was könnte denn von russischer Seite eine Möglichkeit sein, den Forderungen aus den USA zuzustimmen? Gibt es da etwas, das die USA Ihnen bieten können, damit Sie im Gegenzug auf diese Forderungen eingehen?
    Grinin: Wissen Sie, ich kann Ihnen nicht jetzt sagen, was und wie besprochen wird und welches Ergebnis dann zustande kommt. Ich will darauf hoffen, dass die Vernunft siegt. Die Vernunft ist das Wichtigste für die Existenz der Menschheit und ich glaube, in diesem Fall wird es das sein, was wir erwarten.
    Zerback: Und diese Hoffnung, die teile ich. Das ist sicherlich das, was wir alle hoffen. Besten Dank Wladimir Grinin, der russische Botschafter in Berlin. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen.
    Grinin: Ja, auf Wiederhören. Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.