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Russisches Staatsfernsehen
RT in Großbritannien vor dem Aus?

Nach dem Attentat auf einen ehemaligen Doppelagenten in England kündigt Großbritannien Sanktionen gegen die russische Regierung an. Unter anderem könnte dem von Russland finanzierten Sender RT die Lizenz entzogen werden. Aber wie rechtmäßig und wie sinnvoll wäre so ein Lizenzentzug?

von Sandra Pfister | 15.03.2018
    Eine Moderatorin des englischsprachigen Ablegers von Russia Today bereitet sich auf die Sendung vor.
    Eine Moderatorin des englischsprachigen Ablegers von Russia Today bereitet sich auf die Sendung vor. (picture alliance / dpa / Dzhavakhadze Zurab)
    RT ist im Verteidigungsmodus:
    "Das ist RT International, wir berichten live aus dem britischen Unterhaus."
    "Zuerst wirkte aller nur wie ein lokales Ereignis. Aber wenig später steigern sich die Medien weltweit in einen Rausch."
    "Die Schlagzeilen fördern die Einbildung, dass Russland herabgesetzt wird, noch bevor überhaupt irgendwas feststeht."
    Der Sender verteidigt den Kreml gegen den Vorwurf der britischen Premierministerin Theresa May, Russland stecke hinter der Chemiewaffen-Attacke gegen einen britischen Doppelagenten und seine Tochter. Britische Abgeordnete haben im Parlament diese Woche mehrfach gefordert, den Sender zurückzupfeifen. Zum Beispiel der Labour-Vize John McDonnell:
    "Was wir zur Zeit bei Russia Today sehen, hat mit objektivem Journalismus nichts zu tun. Wenn ich mir ansehe, wie sehr sich die Berichterstattung zur Zeit verändert, muss ich sagen: Wir sollten RT keine Interviews mehr geben."
    Medienregulierer Ofcom prüft Status des Senders
    So sehr Abgeordnete jetzt danach rufen, Russia Today mit Sanktionen zu belegen, und so deutlich Theresa May gestern im Parlament kurz damit liebäugelte: Sie machte klar - der Ball liegt jetzt erst mal im Feld des britischen Medienregulierers Ofcom.
    "Die Frage, welchen Status Russia Today genießt, ist keine Angelegenheit für die Regierung, es ist eine Sache der unabhängigen Ofcom, das abzuwägen."
    Im Programm bezeichnen die RT-Moderatoren Ofcom nur noch abfällig als "Zensurbehörde". Ofcom weist das von sich und schrieb jetzt am Dienstag einen Brief an den Lizenzhalter RT ANO TV Novosti - eine Gesellschaft, die direkt vom russischen Kommunikationsministerium betrieben wird. Daraus geht hervor: Es ist die Finanzierung durch die russische Regierung, die RT jetzt die Lizenz kosten könnte, weniger die Berichterstattung. Der Finanzier von RT sei dann der gleiche, der den Einsatz einer Chemiewaffe auf britischem Boden angeordnet habe. Die Prüfung durch Ofcom läuft jetzt.
    Dabei hatte Nicolay Bogachihin, der Chef von RT Großbritannien, noch im Juli in einem Interview Ofcom als "strengste Medienwächter der Welt" gelobt und das eigene Selbstverständnis so umrissen:

    "Wir berichten aus einer russischen Perspektive. Die russische Sicht der Dinge ist so anders als die westliche Sichtweise. Wir werden von der russischen Regierung finanziert, erhalten aber keine Anweisungen. Wir operieren wie ein ganz normaler Nachrichtenkanal."
    "Kreml schaltet RT als Propagandakanal an und aus"
    Das sieht Anne Applebaum, Professorin an der London School of Economics und Spezialistin für das Fachgebiet Desinformation, anders:
    "RT sieht wie ein normaler News-Kanal aus. Das ganze Setting, man kennt etliche Leute und die Journalisten leisten durchaus auch seriöse Arbeit. Aber immer dann, wenn der Kreml sie braucht, dann werden sie extrem einseitig und propagandistisch. Der Kreml schaltet sie als russischer Propagandakanal an und aus."
    Ofcom hatte in der Vergangenheit vor allem die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine und in Syrien moniert. RT hatte zum Beispiel fälschlich behauptet, die BBC habe einen Chemiewaffenangriff in Syrien nur erfunden.
    Dennoch hält Anne Applebaum nichts davon, RT die Lizenz zu entziehen.
    "Das würde nicht viel bewirken, deswegen bin ich gegen eine Schließung. Sie werden nicht von einer halben Million Briten pro Woche gesehen, wie sie behaupten. Sie sind nicht so einflussreich. Wenn wir sie aus dem Äther nehmen, wertet sie das nur auf. Und sie können sagen: sie reden von Demokratie und unterdrücken unsere Meinungsfreiheit."