Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Russland
Beide Pussy-Riot-Aktivistinnen sind frei

Die freigelassenen Pussy-Riot-Aktivistinnen kritisieren die Regierung. Die Sängerin Tolokonnikowa vergleicht Russland mit einem Straflager, ihre Kollegin Aljochina nennt die Freilassung einen "PR-Schritt". Unterdessen fordert Amnesty die vollständige Rehabilitierung der Frauen.

23.12.2013
    Die 25-jährige Maria Aljochina und ihre ein Jahr jüngere Bandkollegin Nadeschda Tolokonnikowa hatten im Februar 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin demonstriert. Im August vergangenen Jahres wurden sie wegen "Rowdytums" zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Beide kamen nun vorzeitig aus der Haft frei.
    Aljochina: Freilassung ist eine PR-Aktion
    In einer ersten Reaktion kritisierte Aljochina die Amnestie: "Das ist kein humanitärer Akt, das ist ein PR-Schritt", sagte sie dem Sender Doschd. Wenn sie eine Wahl gehabt hätte, die Amnestie abzulehnen, hätte sie das getan. Hans-Henning Schröder, Leiter des Bereichs Russland und GUS bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht die Freilassung der Pussy-Riot-Mitglieder ebenfalls als PR-Aktion, nicht aber das Freikommen Chodorkowskis: "Chodorkowski ist offensichtlich am Ende eines Deals entlassen worden, bei dem er die Rechtsansprüche auf die Yukos-Anteile aufgegeben hat", sagte Schröder im Deutschlandfunk.
    Kurz nach ihrer Bandkollegin kam auch Tolokonnikowa frei. Sie saß die zwei Jahre Haft im 4400 Kilometer von Moskau entfernten Krasnojarsk in Ostsibirien ab. Ihr Mann, Pjotr Wersilow, teilte am Vormittag über Twitter mit, dass Tolokonnikowa das Gefängnis verlassen habe. Tolokonnikowa sagte, es handele sich dabei um eine Show des Kremls, um den Westen vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Februar zu besänftigen. Sie kritisierte, Russland sei nach dem Modell einer Strafkolonie aufgebaut, Straflager und Gefängnisse prägten das Land. Um dies zu verändern, müsse das Strafvollzugssystem reformiert werden.
    Das Mitglied der Punk-Band Pussy Riot Nadeschda Tolokonnikowa sitzt auf der Anklagebank.
    Nadeschda Tolokonnikowa fordert eine Reform des Strafvollzugs in Russland. (dpa / picture alliance)
    Beck: "Verhaftung war ein Skandal"
    Die Osteuropa-Expertin der Grünen, Marieluise Beck, reagierte erfreut auf die Freilassung. "Diese Verhaftung war ein Skandal", sagte Beck im Deutschlandfunk. Man könne über die Pussy-Riot-Aktion in einer Kirche durchaus geteilter Meinung sein. "Aber dafür zwei Mütter für Jahre ins Lager zu stecken, das ist jenseits der Wertegemeinschaft der europäischen Länder, zu denen Russland gehört - auch als Mitglied des Europarats." Russland sei kein Rechtsstaat, kritisierte Beck ähnlich wie die Aktivistinnen: "Das ist ein Staat, wo ein Präsident mal den guten, mal den bösen Zar spielt."
    Nadeschda und Maria von #PussyRiot sind wieder frei! Vielen Dank an alle, die sich für die beiden eingesetzt haben! http://t.co/9IjH6m3Py8— Amnesty Deutschland (@amnesty_de) 23. Dezember 2013
    Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich erfreut über die Freilassung. "Amnesty International dankt den vielen Unterstützern, die sich über lange Zeit mit uns beharrlich dafür eingesetzt haben. Dieses Engagement hat sicher zur vorzeitigen Freilassung beigetragen", erklärte Amnesty-Russlandexperte Peter Franck. Amnestien seien aber kein Ersatz für rechtsstaatliche Verhältnisse. Die Menschenrechtsorganisation forderte die vollständige Rehabilitierung der Pussy-Riot-Aktivistinnen und die sofortige und bedingungslose Freilassung auch anderer gewaltloser politischer Gefangener.
    Die beiden Pussy-Riot-Mitglieder sollten planmäßig im März 2014 aus der Haft freikommen. Im Rahmen des am vergangenen Donnerstag vom Parlament verabschiedeten Amnestiegesetzes wurde dann bekannt, dass auch die Aktivistinnen mit einer Begnadigung rechnen können.
    Amnestie vor allem für Frauen mit Kindern
    Das neue Gesetz sieht eine Amnestie unter anderem für wegen "Rowdytum" Inhaftierte vor, die zu weniger als fünf Jahren Haft verurteilt wurden. Erwähnt werden insbesondere Frauen mit minderjährigen Kindern. Aljochina und Tolokonnikowa haben beide kleine Kinder. Das dritte Bandmitglied, Jekaterina Samuzewitsch, war bereits im Oktober auf Bewährung freigekommen.
    Im Zuge der Massenamnestie wurden auch die Verfahren gegen die vor drei Monaten festgenommen Greenpeace-Aktivisten eingestellt. Als Sensation gilt die Begnadigung des Kremlkritikers Michail Chodorkowski nach zehnjähriger Haft. Der frühere Öl-Milliardär war am Freitag nach seiner Freilassung nach Berlin geflogen, wo er mit seiner Familie zusammentraf.