Die Préludes von Frédéric Chopin

Warten, bis der Frühling kommt

Die Pianistin Martha Argerich
Man kann es anders, aber nicht besser spielen: Die Pianistin Martha Argerich in jungen Jahren, eine grandiose Chopin-Interpretin © picture-alliance / dpa
Moderation: Volker Hagedorn · 25.11.2018
Vorspiele, denen nichts folgt. Kurze Stücke, die leicht klingen mögen, aber schwer zu spielen und keineswegs einfach zu verstehen sind. Hauptwerke der Klaviermusik des 19. Jahrhunderts: die Préludes von Frédéric Chopin.
Mallorca, Winter 1838/39. Frédéric Chopin hat sich von Paris zurückgezogen. Seine Freude über "Meer, Berge, Palmen" sowie "eine Kreuzritterkirche, Ruinen von Moscheen, alte, tausendjährige Olivenbäume" hält nicht lange an, denn das Klima zeigt sich weniger freundlich als angenommen. Der 28 Jahre alte Komponist erkrankt an Tuberkulose und leidet in dem Zimmer eines aufgelassenen Klosters in Valldemosa; die Schriftstellerin George Sand sorgt derweil für ihn und arbeitet nebenbei an ihren Kunstwerken ebenso wie ihr Geliebter an den seinen.

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Musikalische Meteorologie

Endlich trifft das heißersehnte Pleyel-Klavier ein, Chopins wichtigstes Instrument. Dem Firmeninhaber, Camille Pleyel, hat er sein nächstes Werk versprochen. Im Januar 1839 vollendet Chopin dann tatsächlich unter diesen widrigen Umständen die 24 Préludes op. 28 und schafft damit eines seiner bedeutendsten Werke. Glaubt man den Erinnerungen von George Sand, so hat das verhängnisvolle Wetter Mallorcas unmittelbar und im wahrsten Sinne des Wortes in der Komposition seinen Niederschlag gefunden, und zwar im "Regentropfen-Prélude" in Des-Dur.

Tour durch die Tonarten

Die Idee, eine Reihe von 24 Präludien zu schreiben, muss Chopin schon lange vor seiner Mallorca-Reise gehabt haben. Bereits als Jugendlicher hatte er – damals keineswegs alltäglich – die Musik Johann Sebastian Bachs bewundert, dessen "Wohltemperiertes Klavier" er auswendig beherrscht haben soll. Wie Bach durchmisst Chopin in seinen Präludien alle Tonarten, jedoch nicht in chromatischer Abfolge, sondern durch den Quintenzirkel gehend, wobei jedem Dur-Stück eines in der parallelen Molltonart gegenübergestellt wird.

Missklang oder Meditation?

Dieser Zyklus, ein Hauptwerk der Klavierliteratur jener Epoche, hat viele und sehr unterschiedliche Deutungen provoziert. Am avancierten a-Moll-Prélude schieden sich sogar die Geister. Der amerikanische Kritiker James Huneker nannte es "entnervend, hässlich, entmutigend, grotesk und missklingend." Der Pianist Alfred Cortot dagegen hatte ein Bild vor sich: "Trauervolle Meditation, das wüste Meer, weit entfernt". Die markantesten Einspielungen, auf modernen wie historischen Klavieren, stellt Volker Hagedorn in den "Interpretationen" vor.
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