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Russland
In Moskau hofft man nun auf sanftere Töne aus der EU

Russlands härtester Gegner in der EU hat entschieden. Die Briten haben für den Brexit gestimmt. In Moskau hofft man nun auf sanftere Töne aus Brüssel und auf ein baldiges Ende der Sanktionen. Einige Politiker, wie der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie sagen bereits das Ende der EU voraus.

Von Florian Kellermann | 25.06.2016
    Der russische Präsident Wladimir Putin sitzt am 25.09.2015 in seinem Amtssitz in Nowo-Ogarjowo bei einem Treffen des Sicherheitsrats der Russischen Föderation an einem Tisch, auf dem sich ein Mikrofon und Schreitutensilien befinden; im Hintergrund ein rotes Stück Fahne.
    Russland hofft auf künftig sanftere Töne aus Brüssel. Mit Großbritannien verlässt der schärfste Kreml-Kritiker die EU. (picture alliance / dpa / Aleksey Nikolskyi)
    Schon in den Wochen vor dem Referendum hatten die meisten russischen Experten auf ein Nein der Briten zur Europäischen Union gehofft. Denn Großbritannien gilt als einer der schärfsten Kritiker Moskaus in der EU. Ohne London werde die Gemeinschaft künftig einen sanfteren Kurs gegen Russland einschlagen, so die Kommentatoren.
    Besonders erfreut zeigte sich nach der Abstimmung der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski. Im Parlament erklärte er:
    "Wir sollten unsere Solidarität mit dem britischen Volk ausdrücken. Es hat richtig entschieden. Wir sind auch dafür, dass sich die Länder als Nationalstaaten entwickeln, wir brauchen keine Länder-Kolchosen. Nach Großbritannien werden noch andere austreten, die Schengen-Zone wird zerfallen, und der Euro wird abgeschafft. Der russische Rubel wird eine führende Rolle übernehmen. Russland wird Beziehungen zu allen demokratischen Ländern Europas einzeln aufnehmen."
    Spaltungsvorwürfe gegen Moskau
    Russland versucht seit Jahren, seine Interessen in der Außen- und in der Wirtschaftspolitik durch bilaterale Absprachen umzusetzen und dabei die EU möglichst zu umgehen. Kritiker werfen dem Kreml vor, er wolle die Gemeinschaft sogar spalten. Beispiele dafür sind ein umstrittenes Energieabkommen mit Ungarn oder die sogenannte Ostsee-Pipeline, die russisches Gas direkt nach Deutschland transportiert.
    Präsident Wladimir Putin jedoch wies die Behauptung des britischen Premierministers David Cameron zurück, er, Putin, wäre glücklich über einen Brexit:
    "Das ist nichts anderes als der Versuch, die Meinung im eigenen Land zu beeinflussen. Aber das Referendum hat gezeigt, dass das nicht gelungen. Niemand hat das Recht, die Position Russlands zu erklären. Das zeigt nur ein niedriges Niveau an politischer Kultur."
    Auch Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew nannte das Referendum eine "innere Angelegenheit" Großbritanniens, die er nicht kommentieren wolle:
    "Aber das Referendum hat nicht nur Auswirkungen auf die Engländer und die EU, sondern auch auf die Weltwirtschaft. Der Ölpreis ist schon gesunken. Die Rohstoffmärkte und die Aktienmärkte sind deutlich beweglicher geworden. Das freut uns keineswegs."
    Auch Nachteile für Russland erwartet
    Tatsächlich birgt der Brexit auch für Russland erhebliche Risiken. Der Ölexport ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Falls die Wirtschaft in Europa dauerhaft unter der EU-Krise leidet und damit auf den Ölpreis drückt, würde dies auch den russischen Staatshaushalt schmälern.
    Dennoch dürften die Mächtigen in Moskau in diesen Tagen mit Genugtuung nach London und Brüssel blicken, meint Alexander Baunow vom Carnegie-Centre in Moskau:
    "Großbritannien gilt als das Land in der EU, das den USA am nächsten steht - den USA, die nach Ansicht des Kreml einen zu großen Einfluss auf Europa haben. Außerdem ist Großbritannien sensibler als andere für die Ängste, die es in den östlichen EU-Ländern vor Russland gibt, vor allem in den baltischen Ländern. Mit einem Austritt Großbritanniens wird die EU also aus Moskauer Sicht zu einem angenehmeren Verhandlungspartner."
    So ist die Hoffnung russischer Politiker, dass die EU-Sanktionen gegen ihr Land zum Jahresende zurückgenommen werden, mit dem britischen Referendum deutlich gewachsen.