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Russland
Lkw-Fahrer protestieren gegen Mauterhöhung

Während in Russland darüber diskutiert wird, weshalb am Sonntag so viele junge Menschen gegen Korruption und die Regierung demonstriert haben, erhält eine andere Protestbewegung weniger Aufmerksamkeit: Seit Montag streiken auch Lkw-Fahrer. Sie wehren sich gegen eine Erhöhung der Maut - doch es fehlt an Geschlossenheit.

Von Thielko Grieß | 29.03.2017
    Streik der Lkw-Fahrer in Russland
    Streik der Lkw-Fahrer in Russland (Deutschlandradio / Julia Larina)
    Nein, am Telefon will er nicht sagen, wo wir uns treffen. Er will nur über WhatsApp kommunizieren, um dem Geheimdienst das Mitlesen schwerer zu machen. Der Mann ist Lkw-Fahrer und organisiert die Proteste im Gebiet um Moskau herum. Der Tag wird zeigen, wie berechtigt seine Befürchtungen sind. Er schickt eine Nachricht mit den Koordinaten des Treffpunkts.
    Ein windiger Parkplatz neben einer Tankstelle am Rand einer viel befahrenen Straße, die von Moskau nach Osten führt, keine 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Viele Lkws stehen hier nicht, vielleicht zehn. Andrej steht davor: "Ich habe keine Wahl. Ich bleibe bis zum Ende hier, weil ich muss. Was soll ich machen?"
    Die Lkw-Fahrer beklagen, dass ihre Arbeit nicht mehr rentabel ist.
    Streik der Lkw-Fahrer in Russland (Deutschlandradio / Julia Larina)
    Die russische Wirtschaft ist jahrelang geschrumpft. Und die Transportbranche leidet als erste darunter. Hinzu kommt der schwache Rubel.
    "Der Preis der Ersatzteile hängt vom Kurs des Dollars ab. Alles wird im Ausland mit Dollar gekauft und dementsprechend hoch sind die Preise. Bei diesen Heidenpreisen ist es überhaupt nicht rentabel, einen Lkw zu haben. Ich habe große Lust, ihn zu verkaufen, aber niemand will ihn kaufen."
    Andrej ist selbstständig und muss den Kredit für den Lkw bedienen. Wie er lassen in diesen Tagen Hunderte Fahrer ihre Fahrzeuge in etlichen Regionen Russlands zu Hause, an Straßenrändern oder auf Parkplätzen stehen. Es kursieren Videos, die lange Schlangen zeigen, zum Beispiel in Dagestan im Kaukasus. Die Stimmung ist: Es reicht.
    Die Branche tritt nicht geschlossen auf
    Der auch im Russischen sprichwörtliche Tropfen, der etwas zum Überlaufen bringt, trägt einen Namen: Platon, die Maut auf russischen Fernstraßen. Sie wird seit knapp anderthalb Jahren erhoben. Zurzeit werden rund zweieinhalb Cent pro Kilometer fällig; das Geld soll in die Infrastruktur fließen – vielerorts ist das am Zustand der Straßen nicht abzulesen. Das ist das eine. Das andere: Die Regierung verweigert den Dialog, klagt der Chef einer Transportvereinigung, Andrej Baschutin.
    "Uns hat noch niemand erklärt, wofür wir zahlen sollen, wie sehr unsere schweren Fahrzeuge die Straßen schädigen. Zahlen wurden nie vorgelegt, bewiesen ist nichts."
    Proteste der Lkw-Fahrer in Russland
    Proteste der Lkw-Fahrer in Russland (Deutschlandradio / Julia Larina)
    Die Fahrer fordern, die Maut abzuschaffen. Danach allerdings sieht es nicht aus, weil die Branche zersplittert ist und sich die Regierung ihre Gesprächspartner aussucht, etwa andere Organisationen, die gefälliger, weniger kritisch sind. Sie haben beim Premierminister verhandelt, dass die Maut weniger stark erhöht wird als geplant. Dmitri Medwedew kurz vor Beginn des Streiks:
    "Wir sind im Dialog, vor allem mit Ihnen, weil es ja Sie sind, die das System benutzen und Geld zahlen und seine starken und schwachen Seiten sehen."
    Mit den Streikenden spricht er nicht. Aber es gibt Festnahmen: In Sankt Petersburg, zum Beispiel, wird der Chef der Transport-Vereinigung zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Und vor den Toren Moskaus weiß schon bald die Polizei, wo die Lkw-Fahrer stehen. Sie rückt an und löst die Versammlung auf. Die Fahrer sind einfach zu wenige.