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Russland
Opposition kämpft um Zulassung zu Wahlen

Um ihre Chancen bei den kommenden Regionalwahlen im September zu erhöhen, haben sich einige demokratische Kräfte in Russland zu einem Bündnis zusammengeschlossen. In vier Städten wollen sie antreten. Doch das steht nun infrage: Die Behörden verweigern ihnen die Zulassung. Nun wurde sogar ein Wahlkampfleiter verhaftet.

Von Gesine Dornblüth | 31.07.2015
    Russicher Oppositioneller Alexej Nawalny bei einer Pressekonferenz im Juni 2015, sprechend, mit den Händen gestikulierend
    Oppositionsführer Aleksej Nawalnyj macht den Kreml für die Schwierigkeiten verantwortlich. (dpa/picture alliance/Yevgeny Kurskov)
    Wieder einmal nimmt das russische Staatsfernsehen die außerparlamentarische Opposition ins Visier. Ausführlich berichtet der Kanal "Rossija 24" über das Wahlbündnis "Demokratische Koalition" des Bloggers Aleksej Nawalny und der Partei RPR-Parnas des ermordeten Politikers Boris Nemzow. Der Kreml-nahe Politologe Sergej Markow ätzt in die Kameras:
    "Wenn eine Partei begreift, dass sie nicht die geringste Chance hat, gewählt zu werden, dann setzt sie eben auf Provokation. Diese Leute gestehen sich nicht ein, dass sie deshalb nicht gewählt werden, weil die Wähler sie hassen; sondern sie behaupten, sie bekämen deshalb keine Unterstützung der Wähler, weil die Macht sie hasse."
    Aktivisten im Hungerstreik
    Was war passiert? Die Koalition hatte versucht, sich für die Regionalwahlen im September anzumelden. Das Bündnis, das kurz unter dem Namen Parnas firmiert, hatte sich dabei bewusst auf vier Städte konzentriert, und dort in sogenannten Primaries aufwendig Spitzenkandidaten gekürt. In den vergangenen Wochen hatte es Unterschriften gesammelt. Die sind in Russland nötig, um zu Wahlen zugelassen zu werden. In Nowosibirsk nun verdächtigte der Wahlkampfstab von Parnas einige Helfer, Unterschriftenlisten gefälscht zu haben. Er teilte das der Polizei mit. Die Behörden aber drehten den Spieß um und warfen kurzerhand dem Wahlkampfstab Unregelmäßigkeiten vor. Behördensprecher Wladimir Markin:
    "Die Ermittlungsbehörde in Nowosibirsk überprüft die Klage eines Bürgers Nikiforov, er habe kein Honorar für das Sammeln von Unterschriften erhalten. Wir ermitteln wegen Betrugs. Und wir werden prüfen, ob die Partei Parnas der Wahlkommission in Nowosibirsk absichtlich gefälschte Unterschriftenlisten vorgelegt hat."
    Aus Protesten sind mehrere Aktivisten von Parnas in Nowosibirsk in einen Hungerstreik getreten. Auch in anderen Städten bekam das Bündnis Probleme. In Kostroma in Zentralrussland wurde der Leiter des Wahlstabes, Andrej Pivovarov, verhaftet. Er war selbst zur Polizei gegangen, hatte dort um Hilfe gebeten, weil auch er den Verdacht hatte, der Partei seien gefälschte Unterschriften untergejubelt worden. Am Mittwoch wurde er zu zwei Monaten Haft verurteilt: Er habe sich illegal Zugang zu persönlichen Daten verschafft, hieß es. Und auch in Magadan im Fernen Osten wurde die Staatsanwaltschaft tätig. Ilja Jaschin, Spitzenkandidat des Bündnisses in Kostroma, sagte dem Internetsender Doschd'-TV:
    "Wir werden provoziert: Die Entscheidungen der Wahlkommission, alle Unterschriften gründlich zu überprüfen, und alle möglichen anderen Kontrollen sind politisch motiviert."
    "Man kann die Regierung nicht allein mit Wahlen ablösen"
    Oppositionsführer Aleksej Nawalnyj macht den Kreml für die Schwierigkeiten von Parnas verantwortlich: Der Macht gehe es darum, die Eliten in den Regionen zu demotivieren. So ein Kalkül könnte aufgehen. In liberalen russischen Medien wird bereits diskutiert, welchen Sinn es überhaupt ergibt, bei Wahlen kandidieren zu wollen. Der prominente Blogger Oleg Kaschin zum Beispiel sagte im Radiosender Echo Moskwy:
    "Es wird noch sehr viele staatsanwaltschaftliche Überprüfungen geben, und viele Leute werden ins Gefängnis kommen. Alle werden leiden, allen wird es schlecht gehen, und nichts wird sich ändern. Man kann seine Zeit sinnvoller verwenden als auf etwas, was die Situation nicht grundlegend verändert."
    Aleksej Nawalny widerspricht dem vehement:
    "Es gibt nicht die eine Methode, um Putin zu bekämpfen. Wir gehen verschiedene Wege: Wir decken Korruption auf, wir nehmen an Wahlen teil. Ich habe schon mal gesagt, dass man die Regierung in Russland nicht mit Wahlen allein ablösen kann. Aber das heißt nicht, dass wir auf diese Taktik verzichten sollten. Wir sehen ja, dass sie bei der Macht großen Stress auslöst. Und außerdem musst du tun, woran du glaubst."