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Marokkos Balanceakt
König und Religionsführer in einem?

"Der beste König der Welt" - so steht es auf Werbeplakaten in Marokkos Hauptstadt Rabat. Gemeint ist der amtierende Monarch Mohammed VI. Er sitzt seit fast 20 Jahren auf dem Thron und ist die höchste Instanz im Land. Nicht nur politisch. Denn er ist auch Wortführer in Religionsfragen.

Von Jens Borchers | 04.09.2017
    König Mohammed VI. von Marokko neben seinem Bruder (recht) und seinem Sohn (links)
    König Mohammed VI. engagiert sich gegen den Terrorismus (dpa - Bildfunk / Marokkanischer Königspalast)
    Das Gebet zum islamischen Opferfest. Der König sitzt auf dem Boden der Moschee. Mohammed VI. ist hier als Oberhaupt der marokkanischen Muslime. Bei diesem islamischen Opferfest muss der König auch höchstpersönlich zum Messer greifen, um ein Schaf zu opfern: Ein kräftiger, entschlossen geführter Schnitt - live im Fernsehen übertragen. Erst dann beginnt wirklich das Opferfest im ganzen Land.
    "Muslime, Christen und Juden müssen eine gemeinsame Front bilden"
    Jedes Jahr geht das so. Und jedes Jahr wird mit diesem Ritual klar transportiert: Der König ist nicht nur einfach ein Staatsoberhaupt. Er ist auch der Chef in religiösen Fragen. Mohammed VI. gehört zur Dynastie der Alawiten. Die beruft sich darauf, unmittelbar vom Propheten Mohammed abzustammen. Der daraus begründete religiöse Führungsanspruch beschränkt sich keineswegs darauf, beim Opferfest den ersten Schnitt zu tun. Im vergangenen August machte Mohammed VI. von seiner Autorität in Sachen Religion ganz anders Gebrauch. Bei einer Thronrede erklärte er dem "lieben Volk", was von selbst ernannten Dschihadisten zu halten sei:
    "Erlaubt es die Vernunft, zu glauben, dass der Dschihad durch den Genuss einer bestimmten Zahl himmlischer Jungfrauen belohnt wird? Erlaubt es der gesunde Menschenverstand, anzunehmen, dass, wer Musik hört, von der Erde getilgt wird?"
    Der König beantwortete seine rhetorischen Fragen selbstverständlich mit einem klaren Nein. Und mit einer Aufforderung:
    "Angesichts der obskuren Thesen die da im Namen der Religion verbreitet werden, müssen alle - Muslime, Christen und Juden - eine gemeinsame Front bilden, um allen Formen von Fanatismus, Hass und Abschottung entgegenzutreten."
    "Geistige Terrorbekämpfung"
    Mohammed VI. nutzt alle Instrumente, die ihm als Staatschef und Oberhaupt der Gläubigen zur Verfügung stehen. Er gründete eine Schule für Imame. Sie steht neben den marokkanischen Imam-Anwärtern auch hunderten Studenten aus anderen Ländern offen. Kostenlos. Marokko zahlt für alle. Auf die Frage, warum das Königreich dieses Geld investiert, antwortet der Direktor der Imam-Schule:
    "Warum investiert die Welt Milliarden in Waffen zur Terrorismusbekämpfung? Marokko kämpft hier. Und die Welt sollte uns bei dieser geistigen Terrorbekämpfung, beim Unterricht des richtigen Islam unterstützen."
    Der "richtige Islam" - das sei der tolerante, offene Islam marokkanischer Prägung. Gleichzeitig aber kontrollieren Marokkos Sicherheitsdienste mithilfe eines weit gespannten Netzes von Informanten scharf, wo sich radikale oder gar terroristische Tendenzen entwickeln. Und greifen durch, sobald sie es für notwendig halten.
    Aber gleichzeitig nutzt Marokkos König seine Doppelrolle ebenso geschickt für eigene Interessen wie seine Vorgänger: Wenn allzu reformorientierte Kräfte in Marokkos Straßen demonstrieren, dann stärkt der Monarch gerne mal die religiösen und konservativeren Strömungen im Land. Und umgekehrt, wenn es die politische Lage erfordert.