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Russland
Sexvideos als Mittel gegen politische Gegner

Über Kritiker oder potenzielle Gegner belastendes Material sowie Sexvideos zu erstellen und bei Bedarf zu veröffentlichen, hat in Russland Methode. Häufig dringen diese Ereignisse gar nicht an die Öffentlichkeit. Der Versuch, mit Donald Trump einen gewählten US-Präsidenten erpressbar zu machen, wäre eine neue Dimension.

Von Gesine Dornblüth | 12.01.2017
    Buchstabensteine mit dem Wort "Sex"
    In Russland sind Politiker und herausgehobene Persönlichkeiten schon öfter mit Sexvideos unter Druck gesetzt worden. (picture alliance / Romain Fellens)
    Der prominenteste Fall spielt im Jahr 1999. Es traf den damalige Generalstaatsanwalt Jurij Skuratow. Ein Mann, der ihm mindestens sehr ähnlich sah, wurde mit versteckter Kamera im Bett mit zwei jungen Frauen gefilmt. Die Schwarz-Weiß-Szenen liefen damals im russischen Fernsehen. Ein Stellvertreter Skuratows erklärte:
    "Die Stimme und auch die Sprechweise, Intonation und Aussprache, gehören Skuratow."
    Der Moderator eines Staatssenders ergänzte: "Das Problem ist doch: Darf der Generalstaatsanwalt Russlands seinen Hintern entblößen? Ich meine, selbst wenn er unschuldig mit Dreck überschüttet wurde, darf er den Posten des Generalstaatsanwalts nicht kompromittieren."
    Beteiligung des Geheimdienstes
    Skuratow war unbequem geworden. Er hatte Material zu Korruption im Umfeld des damaligen Präsidenten, Boris Jelzin, gesammelt. In einem Buch beschrieb er später, wie er 1999 zum Leiter der Präsidialadministration gerufen wurde, der ihm die Kassette vorspielte und ihm dann den Rücktritt nahelegte. Das sei reine Erpressung gewesen, so Skuratow. Er selbst bezeichnete das Video als sehr professionelle Fälschung. Der FSB, der russische Geheimdienst, sei beteiligt gewesen. An dessen Spitze stand zu dem Zeitpunkt Wladimir Putin.
    Seitdem hat es in Russland immer wieder Enthüllungen über tatsächliche oder angebliche sexuelle Ausschweifungen öffentlicher Personen gegeben, vorzugsweise von Oppositionellen, aufgenommen meist in einem Hotel, stets mit versteckter Kamera.
    Im vergangenen Frühjahr, zu Beginn des Duma-Wahlkampfes, traf es den Spitzenkandidaten der außerparlamentarischen "Demokratischen Koalition", Michail Kasjanow. Der landesweite kremlnahe Fernsehsender NTW zeigte ihn bei Intimitäten mit einer Parteifreundin. Kasjanow ließ sich von dem Mitschnitt nicht beirren und blieb bei seiner Kandidatur. In dem Film war aber auch zu hören, wie über andere Oppositionelle hergezogen wird. Ob die Dialoge echt oder nachgestellt waren, ist schwer zu beurteilen. Mehrere Politiker wandten sich daraufhin von Kasjanow ab, die Koalition zerlegte sich selbst.
    Jurij Skuratow, der ehemalige Generalstaatsanwalt, sagte vor vier Jahren: "Kompromittierendes Material spielt nach wie vor eine große Rolle bei der Lösung politischer Fragen."
    Und daran sei auch der Geheimdienst maßgeblich beteiligt. "Viele Dinge gelangen ja gar nicht in die Öffentlichkeit. Es gibt nur Gespräche, in denen werden Bedingungen gestellt – und der Betreffende tritt zurück."
    Eine neue Dimension
    Die versteckt gefilmten Aufnahmen beschränken sich nicht auf russische Staatsbürger. Im Jahr 2009 wurden mindestens zwei westliche Diplomaten in Russland mit Prostituierten gefilmt und die Bilder im Internet veröffentlicht. Der eine war stellvertretender Generalkonsul der Briten in Jekaterinburg, der andere ein Botschaftsangehöriger der USA. Russische Medien machten den FSB für die Filme verantwortlich. Die kremlkritische Nowaja Gaseta schrieb, der FSB habe die Diplomaten unter Druck setzen und zur Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst bewegen wollen.
    Der Versuch, mit Donald Trump einen gewählten US-Präsidenten mit heiklen Videos erpressbar zu machen, wäre eine neue Dimension. Russland hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow:
    "Es gibt Leute, die weiter Hysterie verbreiten und eine Hexenjagd betreiben, damit die bilateralen Beziehungen weiter degradieren."