Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Russland
Springer-Verlag zieht sich zurück

Von Januar kommenden Jahres an dürfen Ausländer nur noch maximal zwanzig Prozent an russischen Verlagen besitzen. So will es das verschärfte Mediengesetz. Jetzt hat der Axel-Springer-Konzern sein Russland-Geschäft verkauft, darunter politisch anspruchsvolle Blätter wie "Forbes" und "Geo".

Von Gesine Dornblüth | 19.09.2015
    An einem Gebäude der Axel Springer AG hängen Banner, die für Bild, die Welt-Gruppe, die B.Z., und die Berliner Morgenpost werben.
    Die Zentrale des Axel-Springer-Konzerns in Berlin. Der Verlag hat das Russland-Geschäft verkauft. (dpa / Wolfram Steinberg)
    Qualitätsblätter mit politischem Anspruch sind in Russland an einer Hand abzuzählen, und die meisten davon gehörten bisher ausländischen Unternehmen. Das von Springer herausgegebene Magazin "Forbes" mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren gilt denn auch als Flaggschiff des investigativen Wirtschaftsjournalismus. Für Aleksandr Kopejka, Sekretär des Russischen Journalisten-Verbands, ist der Rückzug des Axel Springer Verlags aus Russland dementsprechend eine schlechte Nachricht.
    "Die Beschränkung ausländischen Eigentums an russischen Verlagen ist ein weiterer Baustein bei der Beschränkung von Demokratie und Pressefreiheit in Russland. Ausländisches Kapital hat es uns ermöglicht, Qualitätsmedien zu lesen. Nach gutem Käse, der nicht mehr importiert werden darf, sollen wir jetzt auch noch gute Zeitungen verlieren. Gott sei Dank hat Springer einen Käufer gefunden. Gut möglich, dass das anderen Häusern nicht gelingt."
    Bisherige Generaldirektorin wird Miteigentümerin
    Kopejka sorgt sich vor allem um die kremlkritische Tageszeitung "Vedomosti", die noch zu je einem Drittel den Herausgebern der Financial Times und des Wall Street Journal gehört. Die Zeiten für einen Verkauf sind angesichts der Wirtschaftskrise in Russland schlecht. Springer und andere betroffene Verlage hatten Präsident Putin deshalb um eine Fristverlängerung gebeten – ohne Erfolg. Zum Verkaufspreis machte der Verlag keine Angaben. Der Nachrichtenagentur Interfax zufolge hat Axel Springer Russland 2014 rund zwei Millionen Euro Verlust eingefahren.
    Über den neuen Eigentümer ist wenig bekannt. Er heißt Aleksandr Fedotov, ein Medienmagnat. Sein Unternehmen Artcom Media gibt bisher vor allem Lifestyle-Magazine wie die Monatszeitschrift "L’officiel" heraus. Die designierte neue Miteigentümerin Regina von Flemming, bisher Generaldirektorin von Axel Springer Russland, ist in Moskau für ihre guten Verbindungen in hohe Regierungskreise bekannt. Sie hat angekündigt, sie wolle vor allem die Redaktion von "Forbes" erhalten.
    Dass der Wechsel zu einem russischen Eigentümer nicht zwangsläufig Einschränkungen der redaktionellen Freiheit mit sich bringen muss, zeigt das Beispiel der englischsprachigen Tageszeitung "Moscow Times". Das Blatt hat mehrere Pulitzer Preisträger hervorgebracht und druckt täglich Gastbeiträge auch von Oppositionellen und von kremlkritischen Experten. Bis vor einem halben Jahr gehörte die "Moscow Times" dem finnischen Konzern Sanoma. Der hat sie an den russischen Medienmanager Demjan Kudrjavtsev verkauft. Chefredakteur Nabi Abdullaev: "Der neue Eigentümer mischt sich in keiner Weise in unsere Redaktionspolitik ein. Wir halten an unseren Prinzipien fest. Andernfalls wäre ich schon gegangen."
    Von Medienvielfalt keine Spur
    Allerdings will die Zeitung jetzt ihr Konzept ändern, die Inhalte von Print und Online anders gewichten. Diese Reformen seien überfällig, sagt der Chefredakteur. Die "Moscow Times" ist defizitär. Abdullaev glaubt, dass auch die Zeitschrift "Forbes" unter dem neuen russischen Mehrheitseigentümer ihre Qualität halten werde. "Forbes lebt von der Reputation des Blattes. Wenn man die zerstört, wird der Wert der Zeitschrift gleich null. Warum soll jemand etwas kaufen, um es dann kaputtzumachen?"
    Es gebe ganz andere, wirksamere Mittel, um in Russland Druck auf unliebsame Medien auszuüben. "Wer ein Medium zerstören will, kann es mit Gerichtsverfahren überziehen. Das Gesetz über Extremismus in den Medien ist so verschwommen formuliert, dass man praktisch in jedem Artikel, der Beamte kritisiert, extremistische Elemente finden könnte. Die Strafen dafür sind hoch. Und es ist auch leicht, Zeitungen wegen angeblicher Ehrverletzung zu verklagen. Das wirkt viel schneller und direkter als der Weg über den Eigentümer."
    Selbst wenn Russland seine wenigen Qualitätszeitungen auch mit neuen, russischen Eigentümern behält, kann von Medienvielfalt insgesamt nicht die Rede sein. Aleksandr Kopejka vom russischen Journalistenverband: "Man muss immer bedenken, dass Moskau nicht Russland ist. In den Provinzen gucken die Leute vor allem fern. Die Moskauer Zeitungen gelangen gar nicht dorthin."