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Leise aufs Rollfeld
Easyjet testet Elektromotor für Flugzeuge

Beim Rollen nutzen Passagierflugzeuge heute ihre Triebwerke. Das ist laut und verbraucht viel Sprit. Ingenieure der Fluggesellschaft Easyjet wollen das ändern. Sie planen, Flugzeuge per Brennstoffzelle anzutreiben.

Von Piotr Heller | 05.04.2016
    Easyjet-Maschinen auf der Rollbahn
    Teuer, laut und umweltschädlich: Bisher bewegen sich Flugzeuge auf dem Rollfeld mithilfe der Haupttriebwerke (picture alliance / dpa)
    Jeder, der schon Mal geflogen ist, kennt das: Nach der Landung braucht das Flugzeug einige Minuten, um zu seiner Parkposition zu rollen. Für den Passagier ist das vielleicht nervig. Für die Fluggesellschaft ist es richtig teuer: Denn die Maschinen rollen mit Hilfe ihrer Haupttriebwerke. Die verbrauchen dabei Kerosin und sorgen nebenbei noch für jede Menge Lärm und Abgase. Ein Konzept der Fluggesellschaft Easyjet könnte dieses Verfahren, wenn schon nicht kürzer, dann doch zumindest sauberer machen. Die Airline plant, Flugzeuge per Elektromotor und Wasserstoff-Brennstoffzelle rollen zu lassen. Unser Autor Piotr Heller hat den Chefingenieur des Unternehmens gefragt, wie das umgesetzt werden soll:
    "Wenn es nach mir ginge, würden die Flughäfen ganz anders aussehen. Maschinen mit lärmenden Triebwerken: In 20 Jahren könnte das der Vergangenheit angehören. Ohne Lärm und Abgase wären Flughäfen dann ein besserer Ort für ihre Nachbarschaft und die Passagiere."
    So stellt sich Ian Davies, Chefingenieur der Airline Easyjet, den Flughafen der Zukunft vor: Leise und sauber. Ein Konzept, das er jüngst präsentiert hat, könnte diese Vision teilweise Realität werden lassen: Das Wasserstoff-betriebene Rollsystem. Wenn Flugzeuge heute auf einem Flughafen umherrollen, nutzen sie ihre Haupttriebwerke als Antrieb. Die machen Krach und verschmutzen die Luft. Ian Davies plant, die Flugzeuge mit Elektromotoren fahren zu lassen. Den nötigen Strom sollen Wasserstoff-Brennstoffzellen liefern. 50 000 Tonnen Kerosin könnte die Technik pro Jahr sparen, heißt es von der Fluggesellschaft. Das wären etwa vier Prozent des jährlichen Gesamtverbrauchs der Flotte. Doch bis dahin ist es ein langer Weg.
    "Wir machen das in drei Schritten. In zwölf Monaten könnten wir alle Teile haben, um eine passende Wasserstoff-Brennstoffzelle zu entwickeln. So wollen wir zeigen, dass wir das Flugzeug zwischen zwei Flügen mit ausreichend Energie versorgen können – etwa 70 Kilowattstunden sind für den gesamten Betrieb und die zusätzlichen Elektromotoren nötig, was nicht wenig ist. Der nächste Schritt wird sein, ein altes Testflugzeug zu reaktivieren, das wir bereits für ein anderes elektrisches Roll-System genutzt haben. Damit würden wir die Brennstoffzelle testen. Der letzte Schritt wäre, das System in ein modernes Flugzeug zu integrieren und in ein paar Jahren mit dem Zertifizierungsprozess zu beginnen."
    Die Zertifizierung ist ein wichtiger Schritt. Man darf Flugzeuge nämlich nicht einfach so umbauen. Das Konzept bräuchte ein so genanntes Supplemental Type Certificate, kurz STC. Das ist in Europa eine Zulassung für ein verändertes, aber bereits zugelassenes Flugzeugmuster. Ian Davies ist zuversichtlich, es zu bekommen, doch das alleine ist noch kein Garant dafür, dass das System sich durchsetzen wird. Schließlich müsste sich eine ganze Industrie an das neue Konzept anpassen: Piloten müssten lernen, es zu bedienen. Techniker müssten für die Wartung ausgebildet werden.
    "Die Luftfahrtindustrie ist Veränderungen gewohnt. Das war zum Beispiel bei der Einführung von fly-by-wire so, also der indirekten Steuerung des Flugzeuges über ein elektronisches System. Neue Technologien kommen und werden zur Norm. Und unser System könnte in fünf bis zehn Jahren zu einem Standard werden."
    Doch was ist mit den spezifischen Problemen, die die Wasserstofftechnologie so mit sich bringt? Etwa die fehlende Infrastruktur: Woher soll der nötige Wasserstoff kommen?
    "Dieses Problem könnten wir schon morgen lösen. Es gibt Elektrolyse-Geräte, die so groß sind wie Schiffscontainer. Damit könnten wir Wasserstoff direkt in der Nähe des Flughafens aus erneuerbaren Energiequellen produzieren."
    Prinzipielle Hürden sieht Ian Davies also nicht. Doch Easyjet sind nicht die ersten, die sich an so etwas versuchen. 2011 präsentierte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt bereits ein ähnliches Konzept: Ein brennstoffzellen-betriebenes Bugrad, mit dem Passagiermaschinen rollen konnten, entwickelt in einem vom Wirtschaftsministerium geförderten Projekt. Doch trotz erfolgreicher Demonstration an einem Airbus A320: Keine Firma hat die Idee damals aufgegriffen. Easyjet geht mit seinem System etwas weiter: Die Elektromotoren sollen das Hauptfahrwerk antreiben. Und bei der Landung sollen Generatoren die Bremsenergie in Strom umwandeln und in Akkus speichern.