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Russlands Einreiseverbot
"Primitive bürokratische Logik"

CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann kann sich die Auswahl bei den Einreiseverboten gegen EU-Politiker nicht erklären. Offensichtlich habe Moskau nach Verhängung der EU-Sanktionen und den dazugehörigen Einreiseverboten schlicht eine Gegenliste erstellt. Seinen Namen darauf zu finden, sei für ihn "eine Art Ritterschlag", sagte Wellmann im DLF.

Karl-Georg Wellmann im Gespräch mit Friedbert Meurer | 30.05.2015
    Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann
    Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann (imago stock&people)
    Friedbert Meurer: Vor einer Woche, über Pfingsten, wurde der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann nach seiner Landung in Moskau von den Passbehörden daran gehindert, ins Land einzureisen. Er musste am nächsten Tag unverrichteter Dinge wieder zurückfliegen. Jetzt weiß der Politiker, warum er nicht einreisen durfte: Er steht auf dieser ominösen Liste. Guten Tag, Herr Wellmann!
    Karl-Georg Wellmann: Guten Tag, grüße Sie!
    Meurer: War Ihnen das vor einer Woche klar, dass es eine solche Liste geben muss?
    Wellmann: Nein, überhaupt nicht, denn sonst wäre ich ja gar nicht gefahren. Aber noch in der Nacht, als telefoniert wurde, gerade mit dem russischen Außenministerium, klang schon durch, dass es da eine sogenannte Stoppliste gibt, die wir aber bisher nicht kannten. Und wenigstens ist das ein Ergebnis meines missglückten Ausfluges, dass diese Liste jetzt öffentlich ist.
    Die Liste mit den Namen der europäischen Politiker, für die Russland ein Einreiseverbot ausgesprochen hat, liegt dem DLF vor. "Sperrliste" des russischen Außenministeriums
    Meurer: Sie führen die Veröffentlichung auf Ihren Besuch und auf Ihre Nichteinreise zurück?
    Wellmann: Ja, ich glaube schon. Der Anlass liegt ja zeitlich unmittelbar zusammen, und die Reaktionen, die ich auch von meinen geplanten Gesprächspartnern hatte, die waren ja sehr enttäuscht, die waren deprimiert und sagten, sie könnten sich das nicht erklären. Ich glaube schon, dass im Inneren des Regierungsapparats eine Diskussion losgegangen ist aufgrund dessen, die sagt, wir wollen solche Ereignisse nicht mehr haben, dass Leute da die Nacht auf dem Flughafen verbringen und dann die Presse, jedenfalls in Deutschland, zum Teil in Europa, voll ist von dem Ereignis.
    Meurer: Wie kann man das jetzt interpretieren, Herr Wellmann, dass da Leute dafür gesorgt haben auf russischer Seite, dass die Liste jetzt öffentlich gemacht wird. Sind das Leute, die an einem Gesprächsdraht interessiert sind mit dem Westen, oder was glauben Sie?
    Wellmann: Es ist ganz schwer zu sagen. Ich glaube, dass es eine ganz einfache bürokratische Logik ist. Als der Westen im letzten Sommer die Sanktionsliste mit den Einreiseverboten erlassen hat für Leute, die an der Krim-Krise und an der Ostukraine-Krise beteiligt waren, haben die schlichtweg eine Gegenliste gemacht. Es ist keine innere Logik erkennbar, wer auf dieser Liste ist und wer nicht. Ich fühle mich als eine Art – ich meine, mit Leuten wir Karel Schwarzenberg oder Jerzy Buzek auf einer Liste zu stehen, ist ja so eine Art Ritterschlag. Insoweit ist das interessant für mich, aber es ist nicht erklärbar, diese Liste ist rational nicht erklärbar.
    "In der CDU-Fraktion gab es ja Kollegen, die Russland sehr viel schärfer kritisiert haben"
    Meurer: Der Kollege Hermann Krause hatte ja gerade doch sozusagen Parallelen gesehen, dass das alles Personen seien, die in der Vergangenheit doch ziemlich kritisch über Russland geäußert hätten und zum Beispiel die Sanktionen unterstützt hätten. Ist dem Ihrer Meinung nach nicht so?
    Wellmann: Doch, sie haben natürlich Leute ausgesucht, die Kritik geäußert haben. Ich hab nicht erwartet, dass Gerhard Schröder auf so eine Liste kommt. Das sind Leute, die Kritik geäußert haben, aber die sind relativ willkürlich raufgekommen. Bei uns in der CDU-Fraktion gab es ja Kollegen, die sich sehr viel schärfer und sehr viel kritischer über Russland eingelassen haben, als der Kollege Fuchs und ich das gemacht haben.
    Meurer: Der Kollege Fuchs ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, für Wirtschaft zuständig.
    Wellmann: Ja, genau. Der hat sich in der Fraktion ja eher skeptisch zu Wirtschaftssanktionen geäußert und gesagt, das schadet auch unserer Wirtschaft. Also das ist rational nicht wirklich erklärbar, es sei denn, es gibt Sicherheitskreise in Russland, die verhindern wollen, dass politische Prozesse in Gang kommen. Aber das glaube ich offen gestanden nicht, ich glaube, das ist eine ganz primitive bürokratische Logik gewesen. Sie haben im letzten Jahr Namen gesucht, dann fielen ihnen ein paar ein, die haben sie auf die Liste gesetzt. Ich bin ja nicht persönlich gemeint, ich bin repräsentativ für das deutsche Parlament und die Bundesregierung gemeint, die sollte getroffen werden.
    Meurer: Eines fällt mir auf, wenn ich mir die Liste anschaue, Herr Wellmann: Politiker sind drauf, Militärs sind drauf, der Inspekteur der Luftwaffe, eine Staatssekretärin aus dem Verteidigungsministerium, aber keine Unternehmer, keine deutschen Wirtschaftsvertreter. Ist das nicht doch ein Signal, dass Moskau an Wirtschaftskontakten natürlich weiter interessiert ist?
    Wellmann: Natürlich. Moskau hat sich sehr – also in internen Gesprächen wurde auch mir das immer vermittelt – sehr enttäuscht gezeigt, dass die deutsche Wirtschaft es nicht geschafft hat, die Sanktionen zu verhindern. Worauf ich dann immer gesagt habe, bei uns gilt das Primat der Politik und dann kommt die Wirtschaft. Aber natürlich sind sie sehr interessiert und werden diejenigen, mit denen sie zusammenarbeiten wollen und deren Modernisierungsleistungen sie für das eigene Land brauchen, nicht auch noch ausschließen, das wäre völlig widersinnig.
    "Ich glaube, das ist nicht besonders klug"
    Meurer: Dass die Staatssekretärin im Verteidigungsministerium und der Inspekteur der Luftwaffe draufstehen, ist das eine Botschaft in Berlin, tut nichts Militärisches gegen uns?
    Wellmann: Nein, ich glaube, das ist nur die schlichte Revanche dafür, dass wir ähnliche Personen auf der russischen Seite auf die Sanktionsliste gesetzt haben. Sie wollten gleiche Augenhöhe gewinnen, das haben sie auch in der Presse jetzt gesagt. Es gibt Stimmen, die genau das sagen. Und da sie nicht eine Verteidigungsministerin auf die Sanktionsliste setzen, haben sie eben ihre Stellvertreterin, die Staatssekretärin genommen. Das ist die Logik, die dahintersteht.
    Meurer: Hat Moskau das Recht dazu, eine solche Liste aufzusetzen, nach dem Motto, wie du mir, so ich dir?
    Wellmann: Ja, Russland ist ein selbstständiger souveräner Staat und entscheidet selbst, wen sie reinlassen. Es ist streng genommen rechtswidrig, weil es auch nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann – anders als unsere Liste –, aber es ist nun mal so, sie müssen selbst entscheiden, was richtig ist und was klug ist. Das ist, glaube ich, nicht besonders klug.
    Meurer: Erwarten Sie eine diplomatische Initiative der Bundesregierung, des Außenministers dagegen?
    Wellmann: Das Außenministerium hat ja, das Auswärtige Amt hat gesagt, sie hoffen, diesen Visa-Bann wegzukriegen, dieses Einreiseverbot. Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass es besonders schnell ist, weil es ja auch ein gewisser Gesichtsverlust wäre, wenn das gegen mich gerichtete Einreiseverbot jetzt gleich wieder aufgehoben wird. Aber ich denke schon, das wird nicht bis 2019 halten, das wird nicht so heiß gegessen, wie's gekocht ist, und wir werden irgendwann schon zu einer Lösung kommen. Das müssen wir im Interesse der Menschen und auch im Interesse der Sicherheit unserer Länder.
    Meurer: Der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann. Vor einer Woche wurde er an der Anreise nach Russland gehindert, jetzt sagt er, diese Liste scheint ein bisschen durch den Zufallsgenerator entstanden zu sein. Herr Wellmann, danke schön für das Interview, schönes Wochenende Ihnen noch! Wiederhören!
    Wellmann: Danke Ihnen, Ihnen auch, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.