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Russlands Geld und Macht

Der Mauerfall war für Autoren von Agententhrillern ein tragisches Ereignis: Ein perfekter Schauplatz für ihre handelnden Personen fiel einfach weg. Ohne Ost-West-Konflikt mussten neue Brandherde her. Im neuen Buch von Peter Zeindler ist es die Bedrohung durch Putins Russland. In "Der Mauersegler" lässt Zeindler aber auch den alten Schauplatz Berliner Mauer wieder aufleben.

Von Patrick van Odijk | 11.02.2008
    "Es ist so, dass ich schon immer wieder keine Agentenromane schreiben will, aber es ist schwer aus dem Genre herauszukommen. Und ich glaub ich komme auch gar nicht mehr raus. Ich lieb dieses Genre des Agentenromans, das ist mein altes Thema: Fiktion und Realität, die Verstellung, die Maske."

    Dabei braucht sich Peter Zeindlers neuer Agent Felix Mangold zunächst nicht zu verstellen. Denn er ist ein verhinderter Spion. Als junger Schweizer Botschaftsangestellter in Ostberlin sehnte er sich nach einer Karriere im Geheimdienst. Doch dann wird seine DDR-Freundin bei einem Fluchtversuch geschnappt und Mangold kehrt feige zurück in die Schweiz. Er macht dort Karriere als Mediencoach und bekommt eines Tages einen Anruf:

    Kilchenmann ist dead, der erste Satz in dem Buch.

    Dieser Satz katapultiert Mangold in sein früheres Leben zurück. Kilchenmann war ein Kollege in der Schweizer Botschaft, ein Fluchthelfer. Mangold will wissen, was passiert ist mit Kilchenmann. War es Mord oder Unfall. Dabei trifft er auf alte Freunde, noch immer existierende Stasiseilschaften, junge Kommunisten und eine Frau, die seine Tochter sein könnte. Mangold spielt jetzt den Agenten und spürt erst spät, dass er von außen gelenkt wird. Vom BND, vom CIA - vielleicht sogar von alten Stasiseilschaften. Peter Zeindler ist in den kalten Krieg zurückgekehrt.

    "Wir Kollegen und ich haben es bedauert, das sag ich jetzt zynisch, dass die Mauer gefallen ist, da gehört auch le Carré dazu, es war ein unglaublich gutes Spannungsfeld wo man Plots ansiedeln konnte, und dadurch dass die Mauer gefallen ist, ist uns Agentenromanautoren ein ganz exemplarischer Schauplatz abhanden gekommen. "

    Zeindler lässt den Schauplatz wieder aufleben, sagt selbst, es sei ein nostalgisches zurückgehen. Aber nicht mehr mit seinem legendären Agenten Sembritzki der Hauptfigur seiner erfolgreichen Spionagethriller wie "Feuerprobe" im Jahr 1992. Sembritzki hatte ein real existierendes Vorbild. Sein neuer Agent wider Willen - Felix Mangold - ist zwar frei erfunden, agiert aber inmitten real existierender Tatsachen.

    "Es gibt in diesem Buch Stasiberichte, die sind authentisch. Es kommt ein Koch vor in der Residenz in Berlin, dieser Peter Groß. Den hab ich in Wirklichkeit getroffen. Er hat mir diese ganzen Stasiunterlagen gegeben und von Bautzen erzählt, wo er eingesessen hat."

    Der Schweizer Botschaftskoch wollte mit seiner Ostfreundin in den Westen und wurde von Stasileuten verraten.

    "Und der hat gesagt, der, der ihn verraten hat, der führt eine Autowerkstatt in Schleswig-Holstein, dem ist nie etwas geschehen, der war ein IM. Ganz viele, die dort wirklich Stasimitarbeiter waren und Informanten und so, die sind einfach untergetaucht und normale BRD-Bürger geworden. "

    Aber Peter Zeindler benützt die Rückkehr in den kalten Krieg nicht zur Abrechnung mit dem alten Stasi-Regime sondern er zeigt als einer der ersten Thrillerautoren das Gefahrenpotential des modernen, kapitalistischen Russlands.

    "Hier ist die Andeutung, dass in Putins Russland, dass von dort her eine ganz neue Form von Bedrohung kommt und bin immer erstaunt wie viel Geld, diese Ölmilliardäre haben. Es ist unglaublich, was da für Geld ist, und irgendwo ist da in diesem Russland der Kern zu einer ganz neuen Bedrohung Europas."

    Wenn zum Beispiel die neureiche russische Oligarchie gemeinsam mit der russischen Staatsführung ihre Interessen durchsetzt. So kontrolliert der Energiekonzern Gasprom über eine Tochterfirma die einflussreichsten Fernsehsender, Radiostationen und Zeitungen und Putin besorgt den Rest durch Einschränkung der Pressefreiheit und demokratischer Grundrechte. Wer dagegen aufbegehrt, lebt gefährlich, wie der Fall der ermordeten Journalistin Anna Politkovskaja zeigt. Fast genau ein Jahr nach der Tat haben die Ermittlungen kaum Aufklärung gebracht. Und spektakulär ist auch die Liquidierung des russischen Ex-Agenten und Kreml-Kritiker Litwinenko im vergangenen Herbst in London. Auch hier führen viele Spuren in den Kreml. Die Lage ist vielleicht ernster als wir denken meint Peter Zeindler.

    "Wenn man an den Tod der russischen Journalistin denkt, oder an den Tod dieses Russen in London. Und das sind so eigenartige Morde, vertuschte Morde, mit gift und allem, das sind die Praktiken des alten KGB. Es ist ganz handwerklich handfest wie es zur Zeit des Kalten Krieges war. Ich will da jetzt nichts sagen aber Herr Putin ist auch ein alter KGB-Mann. Ich denke , dass bei solchen alten Praktiken das da etwas wieder auflebt, neue ziele sucht."

    So könnte sich die neue russischen Elite doch alter Stasiseilschaften und verblendeter junger Neokommunisten im Westen für Terroranschläge bedienen. Diese Fiktion ist aber nur der spannende Hintergrund von Peter Zeindlers neuem Roman. Vordergründig ist sein Agent wider Willen, dieser Mediencoach Felix Mangold auf der Suche nach seiner verlorenen Vergangenheit und der Chance auf ein neues Leben. Im gewohnten ruhigen Stil erzählt Peter Zeindler diese Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen. Er beobachtet genau und seine Figuren bewegen sich glaubhaft in ihren Milieus und Doppelrollen. Und ebenfalls, wie gewohnt bei Peter Zeindler, ist es ein Politthriller, der ohne reißerische Action und triefende Blutspuren auskommt.

    "Ich bin nicht bereit, alle Zugeständnisse an ein Genre zu machen, nur damit es mehr Thrill hat. Ich weiß, dass ich manchmal zwischen Stuhl und Bank sitze mit meinen Büchern, weil ich nicht das spezifische Publikum so bediene, wie es das erwartet. Einer, der sagt, ich lese keine Krimis oder so, der würde ein paar Elemente hier finden, die ihm gefallen würden, aber er liest es nicht, weil er das Genre grundsätzlich ablehnt und andere die bediene ich dann nicht so ausgeprägt mit dem, was sie erwarten: Ich bin zwischen Stuhl und Bank. "

    Peter Zeindler: "Der Mauersegler", Arche Verlag