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Ryanair
Ärger über gestrichene Flüge

Mehr als 2.000 Flüge hat die irische Billigflug-Linie Ryanair gestrichen, täglich, bis in den Oktober hinein. Der Ärger bei Hunderttausenden Passagieren in ganz Europa ist entsprechend riesig. Doch es gibt Ansprüche auf Entschädigung – und neue Wege, diese einzufordern.

Von Thomas Weinert | 19.09.2017
    Ein Passagierflugzeug der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair landet am 12.09.2017 auf der Südbahn am Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER) nahe Schönefeld (Brandenburg).
    Viele Flugzeuge von Ryanair bleiben zur Zeit am Boden. (dpa / Patrick Pleul)
    Der Schwerpunkt der Streckenstreichungen von Ryanair liegt an den Flughäfen Dublin und London-Stansted, hier starten und landen die meisten Verbindungen des irischen Billigfliegers, der ja angekündigt hat, vor allem dort den Rotstift anzusetzen, wo die Frequenzen der Verbindungen hoch sind und sich Passagiere auf andere Zeiten, aber die gleiche Strecke umbuchen lassen können. Geschieht dies maximal eine Stunde früher als Abflug und zwei Stunden später als die ursprünglich vorgesehene Landung, dann ist aus Sicht der Europäischen Fluggastrechteverordnung zunächst einmal alles in Ordnung und mit dieser Regelung rechnet Ryanair wohl zunächst, um die finanziellen Schäden im Rahmen zu halten.
    In Deutschland betroffen sind die Flughäfen Frankfurt Hahn, Köln-Bonn, Berlin Schönefeld, Weeze bei Düsseldorf und Bremen.
    Eva Klaar, Reiserechtsexpertin bei der Verbraucherzentrale Berlin: "Wird ein Flug annulliert und keine zeitnahe anderweitige Beförderung von der Fluggesellschaft erbracht, dann hat der Flugreisende einen Anspruch auf Ausgleichszahlung je nach Kilometerentfernung zwischen 250 und 600 Euro, die er gegenüber der Fluggesellschaft geltend machen kann."
    Das ist natürlich ein Szenario, das Ryanair tunlichst vermeiden will. Aber wenn tatsächlich bis Ende Oktober jeden Tag 40 bis 50 Flüge gestrichen werden, dann hat die Airline ein riesiges Problem - ein finanzielles und auch eines, das am Image nagt.
    Startups, die Kundenrechte einfordern
    Jetzt könnten auch die Kunden zurückschlagen, denn es gibt inzwischen nicht nur die Fluggastrechte, sondern auch Startups, die sie für die Passagiere einfordern. Phillipp Kadelbach ist der Gründer des Portals Flightright aus Potsdam, derzeit Marktführer.
    "Wir haben ein Onlineportal, auf dem man ganz leicht innerhalb von wenigen Minuten überhaupt mal rausfinden kann, ob ich theoretisch einen Anspruch habe, das ist gar nicht so trivial, weil diese Fluggastrechteverordnung ein recht komplexes Gesetzeswerk ist. Und dann habe ich die Möglichkeit, dass wir uns darum kümmern, diese Rechte gegenüber der Fluggesellschaft einzufordern und durchzusetzen."
    Nach der Geschwindigkeit, mit der die Entschädigung auf dem Konto des Kunden sein soll, richtet sich dann auch der Preis, das Portal holt sich dann das Geld von Ryanair direkt und man muss sich weder mit Hotlines rumschlagen noch mit überlasteten Apps.
    Laufen Ryanair die Piloten weg?
    Für die nach Unternehmensangaben eigentliche Ursache der Flugstreichungen, nämlich verschlafene neue Urlaubsregelungen der irischen Luftfahrtbehörde, hatte sich Ryanair Chef O’Leary unterdessen entschuldigt, dass ihm aber reihenweise Piloten weglaufen zu anderen Airlines, davon wollte er nichts hören. Unter anderem hatte der Konkurrent Norwegian bestätigt, Ryanair Cockpitpersonal abgejagt zu haben und auch Eurowings schaltete eine Bewerberplattform, um die eigenen Expansionspläne mit neuem Personal zu unterlegen.
    "Ja, wir verlieren einige Piloten, typischerweise aber weniger als fünf Prozent im Jahr. Und die gehen meist zu Fluggesellschaften wie Norwegian, die auch Langstrecke anbieten. Einige Piloten meinen, dass Gras sei grüner, wenn sie Langstrecke für Airlines fliegen, die kein Geld verdienen. Damit haben die Piloten von Air Berlin gerade zu tun."
    Dieser Zusammenhang mit der Insolvenz von Air Berlin wird in diesen Tagen auch immer wieder bemüht. Stefan Schöppner heute im Deutschlandfunk dazu, Luftfahrtanalyst der Commerzbank:
    "Ich würde sagen, im Moment gibt es noch keinen Pilotenmangel. Allerdings gehen wir davon aus, dass der Markt jedes Jahr um fünf Prozent weiter wächst und das heißt, wir brauchen jedes Jahr fünf Prozent mehr Piloten und dann wird man sehen, wo die entsprechend herkommen."
    Absurde Gerüchte über die Gründe
    Ebenso absurd erscheint die Begründung, Ryanair halte sich jetzt schon Flugzeuge bereit, um auf Landerechte zu setzen, die nach einer Einstellung des Flugbetriebs von Air Berlin frei würden.
    "Also ich glaube, dass die Begründung nicht sonderlich stichhaltig ist. Ryanair wäre in der Lage, für den Fall der Fälle dann auch spontan Flugzeuge irgendwie bereit zu stellen und dann Verbindungen zu stornieren, aber nicht schon pro-aktiv im Voraus."
    So schnell würden diese Slots dann auch nicht vergeben, bestätigte uns heute auch ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums.