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Saarbrücken
Das Geschäft mit den Altkleidern

Vor einem Jahr ist Saarbrücken in den Markt für Altkleider eingestiegen. Die Stadt bietet ein haushaltsnahes Konzept: Alle acht Wochen können die Bürger abgetragene Kleider, Schuhe, Bett- und Tischwäsche oder andere Textilien in der Papiertonne entsorgen. Und das scheint zu funktionieren.

Von Tonia Koch | 21.02.2014
    Müllwerker Ralf Schütz hebt erst den Deckel und schaut kurz rein in die Tonne.
    "Ordnungsgemäß, alles in Säcke verpackt, so soll es sein. Das Einzige, was einzeln drin ist, sind Schuhe. Die Tonnen sind normal für Papier, da ist kein Dreck drin."
    Ende des vergangenen Jahres ist auch der letzte Stadtbezirk an die Duo-Tonne angeschlossen werden. Vielerorts müssen sich die Bürger jedoch erst daran gewöhnen, dass sie die Papiertonne alle acht Wochen auch mit nicht mehr benötigten Textilien befüllen können, sagt der Leiter der Saarbrücker Abfallentsorgung Bernd Selzner.
    "Wir gehen davon aus, dass wir, wenn das mal eingefahren ist, zwischen 200 und 250 Tonnen einsammeln."
    Im Moment liegt das jährliche Altkleideraufkommen etwa bei der Hälfte. Das reicht noch nicht, um damit Geld zu verdienen, obwohl die Preise für Altkleider in den vergangenen Jahren beständig gestiegen sind. Sie liegen je nach Güte bei 400 bis 500 Euro pro Tonne. Aber die eingesammelten Alt-Textilien helfen der Stadt zumindest, an anderer Stelle Kosten zu sparen, so Selzner.
    "Wir müssen ja auch sehen, von dieser Tonnage, die eingesammelt wird, ist früher sicherlich ein Teil in den Restmülltonnen verschwunden. Und diese Menge mussten wir bei den Verbrennungsanlagen teuer bezahlen. Wenn man das rechnet, sind wir heute schon im dicken Plus."
    Restmüll wird in Saarbrücken gewogen. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger bezahlen keine pauschalen Gebühren für die Müllabfuhr, sondern sie kommen lediglich für die Abfallmengen auf, die sie in die Restmülltonne hineinstopfen. Das erhöht die Sortierfreude. Abgetragene Pullover, die für die Kleiderkammer nicht mehr taugen, landen deshalb nicht länger im Restmüll, sondern in der Altkleidertonne.
    Bedenken wegen der neu erwachten Sammelleidenschaft Saarbrückens hatten vor allem die karitativen Organisationen wie etwa das Rote Kreuz. Das DRK hat nicht nur in der Stadt, sondern verteilt übers ganze Land etwa 1000 Altkleidercontainer aufgestellt. Beim DRK ist das Aufkommen an Alttextilen im vergangenen Jahr um 14 bis 18 Prozent zurückgegangen. Die sozialen Projekte, die aus den Erlösen finanziert werden, seien dadurch jedoch nicht gefährdet, sagt Martin Erbelding, Sprecher des DRK im Saarland.
    "Insgesamt ist die Finanzierbarkeit sichergestellt durch den hohen Preis."
    Die Preisentwicklung hat jedoch auch andere Marktteilnehmer auf den Plan gerufen. Die städtische Abfallentsorgung hat im vergangenen Jahr insgesamt 120 illegal aufgestellte Sammelcontainer abtransportiert und eingelagert, sie warten darauf, von ihren Besitzern abgeholt zu werden. Dass die Stadt rigoros durchgreift, wenn private Unternehmen ohne Genehmigung Sammelboxen aufstellen, hilft auch dem Roten Kreuz. Dadurch wird die unliebsame Konkurrenz in Schach gehalten. Gegen den Einfallsreichtum großer Textilunternehmen wie der schwedischen Modekette H&M, die Altkleider gegen Gutscheine eintauscht, kann auch das Rote Kreuz wenig ausrichten, ärgert sich Martin Erbelding.
    "Man kann natürlich die Frage stellen, warum geben diese Unternehmen die gebrauchten Textilien, die sie eingesammelt haben, nicht an karitative Organisationen weiter, die sie dann an hilfsbedürftige Bürger verteilen können kostenlos oder an Verwertungsunternehmen verkaufen können, um mithilfe dieses Erlöses dann weitere soziale Projekte zu finanzieren."
    H&M macht keine detaillierten Angaben darüber, was mit den Altkleidern geschieht.