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Saarland
Denkmalschutz stoppt Autobahnverkehr über die Fechinger Brücke

Die Autobahnbrücke über das Fechinger Tal wurde 1963 erstellt. Wegen ihrer filigranen Bauweise steht sie unter Denkmalschutz. Nach einer statisch Untersuchung wurde der Verkehr gestoppt - zu groß die Angst, dass die Brücke einstürzen könnte. Jetzt soll die Brücke in den kommenden Wochen an Eigengewicht verlieren - und dadurch wieder befahrbar werden.

Von Tonia Koch | 07.04.2016
    Spaziergänger laufen am 25.03.2016 unterhalb der Fechinger Talbrücke in Saarbrücken (Saarland). Die Brücke der Autobahn A6 ist wegen statischer Mängel bis mindestens Ende des Jahres gesperrt.
    Die Fechinger Talbrücke in Saarbrücken steht unter Denkmalschutz - und ist ein dringender Sanierungsfall. (picture alliance / dpa / Oliver Dietze)
    Schmal, fast anmutig, auf schlanken Stützen aus Stahl, überspannt die bis zu 40 Meter hohe Autobahnbrücke das Fechinger Tal. Wegen ihrer filigranen Bauweise steht die 1963 fertiggestellt Brücke unter Denkmalschutz, äußerlich fehlt ihr nichts.
    "Es ist ein absoluter Einzelfall. Für uns ist es ein sehr interessantes Ingenieurbauwerk, was nun einmal einen, mittlerweile bekannten Schwachpunkt hat."
    Erläutert der Gutachter Martin Hofmann die Situation. Der Schwachpunkt sind die schmalen Beine. Sie können die Last nicht mehr tragen, die täglich über die Brücke der Autobahn A6 hinweg rollt. Jeder Zeit könne der Effekt eintreten, dass sich die Pfeiler verformen. Beulen bilden, nennen das die Ingenieure, wie eine unter Belastung stehende Cola-Dose. Dadurch könne das Bauwerk jederzeit einstürzen.
    "Wir rechnen ja in Deutschland und in Europa mit einem gewissen Sicherheitsabstand zwischen der Beanspruchung, die wir für ein Bauwerk erwarten, und der Tragfähigkeit. Und diesen Sicherheitsabstand, den wählt man so, dass im normalen Leben nichts passieren kann. Von diesem Sicherheitsabstand ist aber, nachdem wir den Nachweis für das Beulen geführt haben, nicht mehr viel übrig geblieben."
    1963 wurde noch nach anderen Maßstäben gebaut
    Den Baumeistern von damals sei aber kein Vorwurf zu machen, weil das Wissen über die Zusammenhänge inzwischen einfach gewachsen sei. Bereits 1978 hat der Bund neue Vorschriften für den Brückenbau erlassen. Warum damals jedoch niemand nach den bereits erbauten Brücken geschaut hat, weiß heute keiner mehr zu sagen. Auch die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger von der SPD nicht.
    "In der Tat die Frage bleibt, warum hat niemand eine grundsätzliche Notwendigkeit gesehen, das zu machen und anzugehen?"
    Erst 2010, Jahrzehnte nach der Verschärfung der Bauvorschriften, hat der Bund als Besitzer der Autobahnbrücken verfügt, dass 43 Bauwerke in ganz Deutschland erstmals statisch untersucht werden. Die Fechinger Talbrücke stand dabei auf Rang 40 der Liste. Anke Rehlinger:
    "Selbst bei Erstellung der Liste wurde kein dringender Handlungsbedarf gesehen."
    Ohne die Überprüfung abzuwarten, war bei den zuständigen Stellen bereits die Erkenntnis gereift, dass der wachsende internationale Verkehr auf der A6, auf der Ost-West-Verbindung zwischen Mannheim und Paris, einen Neubau erfordert. Dann rief sich der Denkmalschutz in Erinnerung und verlangte, dass zunächst geprüft wird, ob die Brücke nicht denkmalgerecht saniert werden kann, bevor sie einem neuen Bauwerk weichen muss. Ein Gutachten wurde in Auftrag geben. Das alarmierende Ergebnis hat dann an Gründonnerstag zur Vollsperrung der Fechinger Talbrücke geführt. Und die Opposition - gleich welcher Couleur - sieht ein Versagen der Landesregierung. Heinz Bierbaum von der Linken:
    "Das ist geradezu grotesk, dass es ausgerechnet der Denkmalschutz ist, der das ins Rollen gebracht hat."
    Vollsperrung sorgt für starken Verkehr auf den Ausweichstrecken
    Seitdem zwängt sich der Verkehr über schmale Ausweichrouten und durch Wohngebiete. Noch sind Osterferien und die täglichen Staumeldungen müssen niemanden erschrecken. Aber ab dem kommenden Montag wird sich das ändern, dann werden die Nerven von Pendlern und Anwohnern wohl auf eine harte Probe gestellt. Im Zeitungsladen an der Ausweichstrecke im Saarbrücker Stadtteil Schafbrücke macht ein Kunde seinem Ärger Luft.
    "Na klar ist es schlimm, hier ist ein LKW am anderen. Wenn man zu doof ist, richtige Brücken zu bauen, braucht man sich nicht wundern."
    Auch Stella Parla, die Besitzerin des Eiscafés in Sichtweite der Brücke, macht sich große Sorgen.
    "Ich bin ein kleiner Betrieb, ein Familienbetrieb, wenn es so bleibt, ist mein Leben zerstört."
    Ihre Umsätze sind eingebrochen.
    "Das ist fast die Hälfte, das macht uns Angst. Nicht nur das, wir wohnen auch hier im Haus, wir schlafen nicht mehr nachts, weil es so laut ist, so viele LKW habe ich noch nie gesehen in meinem Leben."
    Um das Krisenmanagement der Landesregierung war es zu Beginn nicht zum Besten bestellt, die Beschilderung für die Umleitungen waren unzureichend und auch die Abstimmung mit den französischen Nachbarn, über deren Straßen ein Teil des LKW-Verkehrs laufen soll, hat Tage gedauert.
    Öffentlicher Nahverkehr soll mehr genutzt werden
    Inzwischen sind Pläne gediehen, die Pendler davon zu überzeugen, auf Busse, Bahnen und Züge umzusteigen. Von Schnuppertickets ist die Rede, die jeder Zeit kündbar sind und von zusätzlichen Parkflächen an den Bahnhöfen. Am besten kostenfrei, sagt Adalbert Ott, Geschäftsführer des saarländischen Verkehrsverbundes.
    "Nur in Verbindung mit Park-and-Ride kriegen wir zusätzliche Reisende von der Straße weg zu unserem Nahverkehr."
    Bei den autoaffinen saarländischen Pendlern Begeisterung für den öffentlichen Personennahverkehr zu wecken, dürfte jedoch schwer werden.
    - "Ich fahr normalerweise über die Autobahn."
    - "Den Zug können Sie nicht nehmen?"
    - "Nein, ist absoluter Käse, danke ..."
    Damit der Verkehr schon bald wieder über die Autobahnbrücke rollen kann, hat der Landesbetrieb für Straßenwesen eine Lösung in Aussicht gestellt. In den nächsten Wochen soll die Fechinger Talbrücke an Eigengewicht verlieren, etwa 1600 Tonnen Asphalt werden abgefräst und die Stützpfeiler verstärkt, damit zunächst PKW und im zweiten Schritt auch wieder LKW die Brücke passieren können. Verkehrsministerien Anke Rehlinger.
    "Ziel dieser Maßnahmen ist es, dass, ja, im Optimalfall bis Ende dieses Jahres die Brücke wieder in einen Zustand versetzt wird, dass wieder PKW und LKW-Verkehre stattfinden können."
    Danach wird neu gebaut: Mit Ausschreibung, Planfeststellung und Bauzeit bedeutet das mindestens acht Jahre und jede Menge Geduld.