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Sachbuch
Berufswunsch: Diktator

"Wie werde ich ein guter Diktator?" hat der norwegische Journalist Mikal Hem sein Buch genannt. Was wie ein zynischer Ratgeber daherkommt, entpuppt sich als ein originelles Sachbuch über die Mechanismen der Unterdrückung.

Von Wiebke Lehnhoff | 17.07.2014
    "Als demokratisch gewählter Regierungschef müssen Sie Rücksicht auf die Opposition und den Wankelmut der Wähler nehmen. Sie laufen permanent Gefahr, von Ihrem Volk abgewählt zu werden. - Als Diktator dagegen ist Ihr Spielraum ungleich größer."
    Launig geht es los, unter der Kapitelüberschrift "Die Vorzüge der Diktatur". Man schmunzelt und kichert fasziniert, während der Autor Mikal Hem die Schrullen von Diktatoren und autokratischen Herrschern aufzählt, darunter Idi Amin, Kim Jong-il und Ajatollah Khomeini.
    Ein Sachbuch der anderen Art
    Aber schnell bleibt einem nach dem Vorwort das Kichern im Halse stecken, denn da beschreibt Hem die blutigen Details eines Militärputsches, der 1980 in Liberia stattgefunden hat. Trotzdem geht es weiter im satirischen, schwarzhumorigen Tonfall. Die Idee zu so einem Sachbuch der etwas anderen Art hatte der Journalist Mikal Hem, als er für ein wöchentliches Nachrichtenmagazin in Norwegen gearbeitet hat.
    "Ich hatte da schon mehrere Diktaturen bereist und festgestellt, dass solche Herrscher ziemlich viele alberne Sachen machen. Da kam mir die Idee, dass ich über so was jede Woche eine Kolumne schreiben könnte, mit dem Titel 'Diktator-News'."
    Die Kolumne führte Hem später im Netz als Blog weiter - bis heute. Wer es lesen will, muss allerdings Norwegisch verstehen. Dort, wie im Buch, versieht er seine Recherche über die autokratischen Herrscher mit einem satirischen Dreh.
    "Wie jeder Staatschef hat auch ein Diktator mit der Meinungsvielfalt in der Bevölkerung zu kämpfen. Besonders clever ist es, die Opposition selbst zu bilden. Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew musste sich täglich Vorwürfe anhören, er kneble die Opposition im Land. Da ließ er kurzerhand seine Tochter Dariga Nasarbajewa die Oppositionspartei Asar gründen. Sie wurde 2004 ins Parlament gewählt. Später fusionierte Asar mit der Regierungspartei Otan."
    Das Buch "Wie werde ich ein guter Diktator?" kam im norwegischen Original im Herbst 2012 heraus. Die deutsche Übersetzung wurde ein bisschen überarbeitet. Aber auch in anderen Sprache ist Hems satirisches Werk schon erschienen.
    "Was ich interessant finde, ist, dass die Resonanz auf mein Buch vor allem in solchen Ländern am besten ist, die selbst mal Diktaturen waren. Zum Beispiel Deutschland, Ungarn, die Türkei - und es gab auch Verleger in Ägypten und Südkorea, die interessiert waren. Ich glaube, das liegt daran, dass die Leute in solchen Ländern verstehen oder wiedererkennen, worüber ich schreibe."
    Hems Lieblingsdiktator: der Vater aller Turkmenen
    Dazu zählt zum Beispiel, wie autokratische Herrscher ihr Volk unterdrücken oder wie sie die Medien kontrollieren. Andere Abschnitte des Buches beschäftigen sich aber auch mit der eher kreativen Seite von Diktatoren: also, wie sie ihren Reichtum ausgeben oder wie sie ihre eigenen Mythen kreieren und damit einen Personenkult aufbauen. In der Hinsicht hat Mikal Hem einen Lieblingsdiktator:
    "Als ich in Turkmenistan war, wurde das Land von Saparmyrat Nyýazow regiert, der sich Turkmenbaschi nannte, was Vater aller Turkmenen bedeutet. Der hat ein Buch über sein Leben und die turkmenische Geschichte geschrieben - die natürlich nicht der Wahrheit entspricht. Und dieses Buch wurde zur Pflichtlektüre für alle von der Grundschule bis zur Uni. Und wer seinen Führerschein machen oder einen Job als Beamter haben wollte, der musste Fragen aus diesem Buch beantworten."
    Mit solchen skurrilen Geschichten vermittelt das Buch "Wie werde ich ein guter Diktator?" Wissen - und es macht deutlich, wie viele Faktoren eigentlich zusammenspielen müssen, damit eine Demokratie funktioniert und am Laufen gehalten werden kann. Wo und wie Demokratien schon auf Abwege geraten sind, das erzählt Mikal Hem auf manchmal bitterböse, aber vor allem auf unterhaltsame Weise.
    Mikal Hem: "Wie werde ich ein guter Diktator? Schnell aufsteigen - lange bleiben - viel Geld machen"
    Riemann Verlag, 192 Seiten, 16,99 Euro.